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Rumäniens Gefängnissystem braucht dringend neue Regeln

Keno Verseck15. Mai 2006

In Rumänien vegetieren Gefangene in dreckigen und überfüllten Zellen. Das Land will im kommenden Jahr EU-Mitglied werden, übernimmt aber erst langsam moderne europäische Konzepte zur Gefangenenbetreuung.

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Angenehm sind Gefängisse nirgends - doch in Rumänien werden auch Mindeststandards nicht eingehaltenBild: AP

Sechs Uhr dreißig morgens im Hochsicherheitsgefängnis Bukarest-Rahova, Abteilung zwei, Männer. Der Wärter Ghita Gheorghe öffnet die beiden Eisentüren einer Zelle. "Aufstehen!", schreit er, "raus aus den Betten!" Die Männer erheben sich widerwillig. "Probleme?", fragt der Wärter. "Keine", antwortet ein Gefangener. "Gut!", sagt der Wärter und schließt wieder ab.

Hier, in Zelle 35, sitzen die Gefangenen der Kategorie "Hohe Strafen" ein. Zehn Männer, verurteilt zu zehn bis 22 Jahren Haft wegen schwerer Körperverletzung, Totschlag oder Mord. Zehn Männer, sechzehn Quadratmeter, 23 Stunden täglich eingeschlossen, alle rauchen ununterbrochen. In der Zelle: fünf schmale Doppelstockbetten, ein Fernseher, an den Wänden Bilder nackter Frauen und der Mutter Gottes. Es ist kalt. Heizung: morgens und abends ein bis zwei Stunden. Warmes Wasser im kleinen Bad nebenan - einmal in der Woche abends. Es sind die besten Haftbedingungen, die Constantin Marian erlebt hat. Er 35 Jahre alt, sitzt seit 1992 wegen Totschlags und war schon in den meisten rumänischen Gefängnissen.

Dreckiges Wasser, überall Läuse

"Hier sind die Verhältnisse noch einigermaßen gut", sagt Marian, "anderswo, im Untersuchungsgefängnis Jilava zum Beispiel, herrscht ein totales Desaster." Dort lebten 100 Leute in einer Zelle mit 40 Betten, und alles sei voller Läuse, berichtet der 35-Jährige. Aus dem Wasserhahn komme dreckiges Wasser, in dem kleine Kaulquappen schwimmen. "Wir sind im Gefängnis, weil wir leiden müssen für das, was wir getan haben. In Ordnung. Aber sie sollen nicht unser Leben zerstören", sagt Marian.

In anderen Gefängnissen sieht es weitaus schlimmer aus. Fließendes Wasser und Heizung gibt es kaum oder gar nicht. Das Essen ist gewöhnungsbedürftig, oft ungenießbar. Dabei sitzen viele Gefangene unnütze Strafen ab. Es sind die "Eierdiebe", Menschen, die für geringfügige Eigentumsdelikte verhältnismäßig hohe Strafen bekommen haben, manchmal mehrere Jahre Haft - eine Praxis, die noch aus der Zeit der Ceausescu-Diktatur stammt. Menschrechtsorganisationen wie amnesty international kritisieren die Bedingungen in rumänischen Gefängnissen als menschenunwürdig.

Bloß kein Mitleid

Die Wärter hören den Beschwerden der Gefangenen ungerührt zu. Sie haben selbst keine Heizung und kein Warmwasser in ihrem Acht-Quadratmeter-Büro. Draußen, im Land, leben die meisten Menschen nur unwesentlich besser als hier in den Gefängnissen. Überhaupt, sagt der Wärter Ghita Gheorghe, sei es gefährlich, die Gefangenen zu bemitleiden.

"Sie sind nicht so schlecht und böse, wie ich dachte, als ich hier anfing zu arbeiten", erzählt Gheorghe, "aber sie tanzen dir auf der Nase herum, wenn du dich nicht streng an die Vorschriften hältst." Man dürfe keine Sympathie zeigen. "Wenn du nicht hart bleibst, dann verlierst du."

Wie die Tiere

Hofgang für Abteilung drei, Kategorie "Kleine Strafen", eine der wenigen Abwechslungen des Tages. Der Hof ist ein riesiger Käfig, dreißig mal zehn Meter, inklusive vergittertem Dach. Die Männer laufen hin und her wie Tiere im Zoo. Einer von ihnen ist Valentin Vijulan. Für mehrfachen Autoradio-Diebstahl hat er sechs Jahre Gefängnis bekommen, acht Monate muss er noch absitzen. Draußen warten seine Freundin und sein kleiner Sohn auf ihn. Der 25-Jährige Vijulan macht sich Sorgen: "Ich weiß nicht, ob die Beziehung noch hält, wenn ich freikomme. Es ist alles den Bach runtergegangen", sagt er.

Wegsperren oder resozialisieren?

Abteilung zwei, Gefangeneneinschätzung im Büro. Mihaela Sasarman bespricht mit dem Gefängnispsychologen und den Wärtern die Probleme der Häftlinge. Die 48jährige ist Theaterwissenschaftlerin, Therapeutin und leitet eine Stiftung für alternative Bildungsprogramme. Sie arbeitet seit zwölf Jahren in rumänischen Gefängnissen, seit 1999 hilft sie in Rahova Schwerverbrechern mit einem Therapieprogramm bei ihrer Resozialisierung.

Es ist das einzige derartige Projekt im rumänischen Strafvollzug. "Die Rechte der Gefangenen werden nicht in vernünftiger Weise respektiert, nirgendwo in den Gefängnissen", sagt sie. In erster Linie müsse mehr Personal eingestellt werden. Auch die Verpflegung und die medzinische Versorgung müsse dringend verbessert werden, erzählt Mihaela Sasarman. "Wir, die Leute, die seit langem als externe Mitarbeiter in den Gefängnissen arbeiten, haben den Behörden immer wieder die Frage gestellt: Welche Funktion soll das Gefängnis haben? Verwahranstalt oder Ort der sozialen Reintegration?", beklagt sie sich. Sie habe immer noch keine klare Antwort darauf bekommen.

Das soll sich nun jedoch endlich ändern.

Das rumänische Justizministerium hat ein neues Strafgesetzbuch und neue Regeln für den Strafvollzug vorgelegt. Sie könnten nächstes Jahr, wenn Rumänien EU-Mitglied ist, in Kraft treten.