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Riskantes Ausweichmanöver

Thomas Kirschning5. November 2002

Die meisten westeuropäischen Aktien haben Investoren in jüngster Zeit nur Kummer und Kursverluste gebracht. Bei osteuropäischen Titeln sieht dies zwar anders aus, für Kleinanleger sind sie aber trotzdem nichts.

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Glückliche Börsianer in Moskau: Hohe Ölpreise sorgen für stabile KurseBild: AP

"In den kommenden 18 Monaten wird es viele positive Nachrichten aus den Beitrittsländern geben. Dies wird die osteuropäischen Märkte treiben", sagt Jürgen Kirsch, Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft Griffin Capital. Ungarische, tschechische oder polnische Banken gehören zu seinen Favoriten. Weniger risikofreudigen Anlegern empfiehlt er Pharma-Titel und Telekomgesellschaften.

Warnungen

Volker Schmidt-Jennrich, Gründungsgesellschafter der Investmentfond-Beratungsfirma SJB FondsSkyline, ist vorsichtiger. Mitte dieses Jahres empfahl seine Gesellschaft den Ausstieg beispielsweise aus russischen Aktien. Allein 2001 war der russische Aktienindex RTS um fast 90 Prozent gestiegen und bis Juni hatte er weitere rund 45 Prozent zugelegt. Und dies, obwohl die Märkte weltweit längst eine dramatische Abwärtsbewegung verzeichneten. Schmidt-Jennrich nennt den Grund dafür: "Es ist nach wie vor so, dass der russische Markt eigentlich weitgehend losgelöst ist von der Weltwirtschaft. So war es jedenfalls bisher auf Grund einer sehr starken Binnenachfrage. Das Geschäft läuft zum großen Teil über den Ölmarkt und über den Ölexport, und da haben die Russen natürlich gutes Geld verdient."

Die Abhängigkeit vom Ölpreis birgt allerdings auch Risiken, meint Schmidt-Jennrich. In Russland beherrschten Öl- und Gasfirmen zwei Drittel des Aktienmarktes. Wenn die Gewinne der Firmen infolge eines sinkenden Ölpreises abrutschen sollten, werde dies nicht nur auf die russische Wirtschaft durchschlagen, sondern auch auf den Aktienmarkt. "Das ist also nicht eine so weite Diversifizierung, wie wir das im westlichen Markt haben, wo wir ganz andere Branchen mit dabei haben. Wir warten darauf, dass der Markt herunterkommt und dann werden wir wieder einsteigen", so Schmidt-Jennrich.

"Abwarten"

Mit anderen Worten: Die weiterhin hohen Kurse in Osteuropa signalisieren "Abwarten". Mittel- und langfristig sei es westlichen Investoren allerdings durchaus zu empfehlen, den einen oder anderen russischen Titel in seinem Aktienportfolio zu halten, meint Schmidt-Jennrich. Ihm fallen Bankenwerte wie die russische Sperbank ein, die ein besonders günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) aufweisen. "Die Sperbank ist vergleichbar mit unserer Sparkasse, die haben ein KGV von 1 oder 1,2. Es wäre super-interessant, einen solchen Wert zu kaufen, weil es ein sehr gesunder Wert ist. Aber wir kommen als Privatanleger da gar nicht rein, weil dieser Markt nur den institutionellen vorbehalten ist. Deswegen haben wir als Privatanleger zurzeit eigentlich nur die Chance, über Fonds reinzugehen, die sich wiederum dieser Titel bedienen können."

Kleinanlegern rät der Investment-Profi davon ab, sich auf eigene Faust auf die Aktienmärkte Osteuropas zu begeben. Nur wer "Spielgeld" übrig habe und bereit sei, dies im Zweifel zu "verzocken", möge sich dort engagieren. Ansonsten solle man dieses Geschäft spezialisierten Fonds und Vermögensverwaltern überlassen, die auf vernünftige Diversifikation und damit Risikostreuung achten.

Gefahr hoher Kursschwankungen

Eines der Hauptprobleme der osteuropäischen Märkte ist derzeit die geringe Zahl der handelbaren Aktien, hinter denen Unternehmen mit ausreichender Liquidität stehen. Damit werden die Papiere anfällig für starke Kursschwankungen. Alle handelbaren Unternehmen in der Slowakei haben eine Marktkapitalisierung von lediglich 1,2 Milliarden Dollar.

Zudem ist nach Schmidt-Jennrichs Worten die an Börsen gern gehandelte Phantasie hoher Renditen längst in den Kursen enthalten. Dies gelte auch und gerade für die Beitrittskandidaten zur Europäischen Union. Die Luft sei raus, warnt Schmidt-Jennrich und gibt zu bedenken: "Wenn Sie sich Ungarn oder Tschechien anschauen, da haben sie drei oder vier Unternehmen, die 70 oder 80 Prozent der Marktkapitalisierung ausmachen. Daran erkennt man, wie eng diese Märkte sind. Wir haben wenig Auswahlmöglichkeiten. Dementsprechend muss man damit rechnen, bei Investments eine hohe Volatilität, einen hohen Seegang mitnehmen zu müssen."

Wer sich Aktien kaufen wolle, so das Fazit vieler Analysten und Händler, der sei weit besser beraten, sich unter den derzeit billigen Werten westeuropäischer Unternehmen umzusehen. Auch in Deutschland gebe es "Kaufkurse".