Rezepte aus der Heimat
28. Dezember 2013Es sind Aufnahmen von überfüllten Booten auf dem Mittelmeer und von heruntergewirtschafteten Massenunterkünften, die das Bild vieler Deutscher von Asylanten prägen. Über Einzelschicksale erfährt man nur selten etwas, meist sind es Zahlen und Debatten über die Aufnahmefähigkeit Deutschlands, die die Diskussion über Flüchtlinge bestimmen.
Vier Berliner Studenten versuchen, den Blick in eine ganz andere Richtung zu lenken: Gerrit Kürschner, Bontu Guschke, Ninon Demuth und Inga Carolin Strehmel haben gemeinsam mit Asylsuchenden in Berlin ein Kochbuch geschrieben, das die Lebensgeschichten der Flüchtlinge erzählt und gleichzeitig deren Lieblingsrezepte aus der Heimat zum Nachkochen vorstellt. "Über den Tellerrand kochen" - so der mehrdeutige Titel.
Das Projekt entstand im Rahmen des "Funpreneur-Wettbewerbes", einem Ideenwettbewerb für junge Gründer an der Freien Universität Berlin. "Unsere Idee war es, dass wir nicht nur wirtschaftlich was erreichen wollen, sondern auch im sozialen Bereich", erzählt die Studentin Bontu Guschke.
Flüchtlingscamp als Anlaufstelle
Schnell war den jungen Leuten klar, dass sie sich dem Thema Asyl widmen wollen. "Unsere erste Idee war es, Kochkurse anzubieten, die von Asylsuchenden gegeben werden." Der Plan wurde jedoch schnell wieder verworfen, weil mit den Kursen nur wenige Leute hätten erreicht werden können. Schließlich kam dann die Idee mit dem Kochbuch.
Erste Anlaufstelle für die studentischen Jungunternehmer war das Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Seit gut einem Jahr haben Asylsuchende hier ihre Zelte aufgeschlagen - illegal, aber von der Bezirksregierung geduldet. Sie wollen auf die schlechte Lage von Flüchtlingen in Deutschland und Europa aufmerksam machen.
"Wir haben uns teilweise fünf oder sechs Stunden mit den Menschen unterhalten, sie wirklich kennen gelernt, und dann auch von unserem Projekt erzählt", schildert Guschke die ersten Begegnungen. Die Resonanz sei überwiegend positiv gewesen. "Schon am ersten Tag hatten wir sechs Personen, die mitmachen wollten."
Ideen vom Partykoch
Einer der Rezeptgeber ist der Pakistani Tajuddin Shaikh. Er lebt seit sieben Monaten in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft. Von der Buchidee war der Hobbykoch sofort begeistert. Sein Rezept für das "Chicken karahi mit Paratha", so sagt er, sei genauso wie in seiner Heimat - mit Ingwer, Koriander und Kurkuma. Darauf legt er großen Wert. In den indisch-pakistanischen Restaurants in Deutschland hingegen sei die Küche meist an den deutschen Geschmack angepasst.
Das Kochen habe er sich bei professionellen Caterern in seiner Heimat abgeguckt. Bei Hochzeiten und Partys habe er sich immer mit ihnen unterhalten und ihnen bei der Arbeit zugesehen. So konnte er viel über die pakistanische Küche, die Gewürze und die Zubereitung lernen.
Ob er in Deutschland bleiben darf, weiß Shaikh noch nicht. "Momentan habe ich ein Bleiberecht bis März." Dann wird neu entschieden. Über die Gründe seiner Flucht aus Pakistan erzählt er nur wenig. Er sei Geschäftsmann gewesen und es habe Probleme gegeben. Er habe mit ansehen müssen, wie ein Kollege ermordet wurde. Daraufhin habe er sein Land verlassen.
Spenden für den guten Zweck
In Deutschland sehnt er sich nach Normalität. Kontakte zu Deutschen hat er kaum, nur zu den jungen Studenten, die das Kochbuch gemacht haben. Sie seien wahre Freunde geworden und würden ihn nun auch bei der Suche nach einer Wohnung unterstützen.
Neben der persönlichen Hilfe wollen die Berliner Studenten auch etwas für die Flüchtlinge allgemein tun. Von jedem verkauften Buch gehen 2,50 Euro als Spende an die Organisation "Pro Asyl". Knapp 1000 Euro sind so schon zusammengekommen. Die weiteren Einnahmen sollen als Startkapital für weitere soziale Projekte dienen.
Falls Shaikh in Deutschland bleiben darf, würde er gerne ein Restaurant eröffnen. "Wenn man mir hilft, auf eigenen Füßen zu stehen, werde ich Deutschland das zurückgeben, was mir hier geboten wurde." Gekocht würde in dem Restaurant dann natürlich nur nach pakistanischen Originalrezepten.