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Gesellschaft

Zuhause sterben oft unerfüllbarer Wunsch

19. Oktober 2016

Die meisten Menschen in Deutschland wollen zu Hause sterben, doch die Realität sieht in der Regel anders aus. Denn drei Viertel verbringen die letzten Stunden ihres Lebens im Krankenhaus oder Pflegeheim.

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Palliativmedizin
Bild: picture-alliance/dpa

In einer Umfrage der Krankenkasse DAK Gesundheit gaben 60 Prozent an, dass sie lieber in den eigenen vier Wänden sterben möchten. Nur vier Prozent nennen das Krankenhaus und zwei Prozent das Pflegeheim. 16 Prozent der Befragten sind unentschlossen. Damit verbringen zwei von drei Deutschen die letzten Stunden ihres Lebens nicht an dem Ort, den sie sich wünschen.

Der DAK-Pflegereport spricht von einer "Tendenz zur weiteren Institutionalisierung des Sterbens". Vor mehr als 20 Jahren starben noch 55 Prozent der Menschen zu Hause und nur sechs Prozent im Pflegeheim. In den vergangenen fünf Jahren hingegen entschliefen 32 Prozent zu Hause und 22 Prozent im Heim. Der Anteil derer, die ihre letzten Stunden im Krankenhaus verbrachten, blieb mit knapp 40 Prozent etwa gleich.

Allein mit dem Tod

Viele sind in ihren letzten Stunden allein, wie die DAK Gesundheit in Hamburg mitteilte. Im Krankenhaus starb jeder fünfte, im Pflegeheim sogar jeder Dritte allein. Zu Hause waren es der Studie zufolge nur sieben Prozent, die zum Zeitpunkt des Todes niemanden bei sich hatten.

Mehr als jeder Dritte Befragte gab an, dass er sich zutrauen würde, einen Menschen bis zum Tod zu pflegen. Bei pflegenden Angehörigen waren es sogar 64 Prozent. Viele nannte allerdings als Bedingung professionelle Unterstützung oder die Hilfe von Angehörigen und Ehrenamtlichen.

Vermeidbare Klinikaufenthalte

Nach Einschätzung des Freiburger Pflegeexperten Thomas Klie, der die Studie betreute, sind viele Krankenhausaufenthalte vor dem Tod vermeidbar, etwa durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Pflegediensten, Krankenhäusern, Notdiensten und den Familien. Dies würde auch Kosten vermeiden, da derzeit rund 83 Prozent der Gesamtaufwendungen der Kassen für Menschen im letzten Quartal vor ihrem Tod an Krankenhäuser gingen. Um die Krankenhauseinweisungen zu reduzieren, müsse aber die ambulante Versorgung neu organisiert werden, so Klie. Zudem müssten pflegende Angehörige systematisch beraten und entlastet werden.

DAK-Chef Herbert Rebscher wies darauf hin, dass die große Zahl von Krankenhauseinweisungen kurz vor dem Tod dem  Grundsatz 'ambulant vor stationär' der Pflegeversicherung widerspreche. In diesem Zusammenhang forderte er, das vor einem Jahr beschlossene Hospiz- und Palliativgesetz rasch umzusetzen. Bisher sei die palliative Versorgung noch nicht in der Bevölkerung "angekommen".

Es mangelt an Palliativteams

Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz macht der Pflegereport die Defizite in der Palliativversorgung deutlich. "Es fehlt an eigenen Palliativteams in den 13.000 Pflegeheimen", kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Die Patientenschützer fordern einen Rechtsanspruch auf Hospizleistungen auch für Heimbewohner. Stationäre Hospize erhielten von den Sozialkassen 8000 Euro monatlich für jeden Sterbenden. "Das ist viermal mehr als für die Sterbebegleitung in einem Pflegeheim derzeit zur Verfügung steht", erklärte Brysch.

Für den Report hat das AGP Institut Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg im Juli 2016 insgesamt 1466 Menschen befragt. Zudem wurden DAK-Statistiken ausgewertet und Menschen befragt, die sterbende Angehörige begleitet haben.

kle/sti (afp, kna, dpa, epd)