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Reparationen für Sklavenarbeit?

Udo Bauer1. April 2002

Nach dem Vorbild der deutschen Zwangsarbeiter wollen auch die Nachfahren der schwarzen Sklaven Amerikas Entschädigung. Rechtsanwälte, Bürgerrechtler und Historiker machen mobil. DW-TV-Korrespondent Udo Bauer berichtet.

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Die politische Aktivistin Deadria Farmer-Paellmann könnte schon bald in der afro-amerikanischen Bevölkerungsgruppe in einem Atemzug genannt werden mit Jesse Jackson und Al Sharpton. Deadria geht seit Jahren der Frage nach, inwieweit sich amerikanische Unternehmen vor Jahrhunderten am Schicksal schwarzer Sklaven bereichert haben.

Mit wissenschaftlicher Akribie sammelte sie dazu historische Fakten und Dokumente. Und damit zog sie dieser Tage vor ein New Yorker Bundesgericht. Das wird nun entscheiden müssen, ob es ein Verfahren zulässt, das selbst in den entschädigungsfreudigen USA ohne Beispiel ist. Es geht zunächst einmal um drei US-Unternehmen, die in ihrer langen Geschichte angeblich schwarze Sklaven ausgebeutet haben.

Der Versicherungskonzern 'Ätna' hatte im Auftrag von Sklavenhaltern das Leben von Sklaven versichert; beim Ableben eines Leibeigenen bekam dessen Herr die Versicherungssumme ausgezahlt. Der notorische Sklavenhändler John Brown hatte vor etwa 200 Jahren eine Bank gegründet, die einschlägige Projekte unterstützte. Der Nachfahre dieser Bank ist der heutige Finanzkonzern 'FleetBoston'.

Und der Vorgänger des heutigen Eisenbahnkonzerns 'CSX' hatte einen Großteil seiner Gleise von schwarzen Sklaven legen lassen. Jetzt sollen diese Firmen dafür zahlen. Sie, so heißt es in der Argumentation von Deadria, tragen Mitschuld daran, dass heutzutage die 36,4 Millionen schwarzen Amerikaner im Vergleich zur weißen Mehrheit immer noch unter den Folgen von zweieinhalb Jahrhunderten Sklaverei leiden: unter schlechterer Erziehung, schlechterer Gesundheit, niedrigerer Lebenserwartung, und, und, und.

Hunderte weiterer Firmen stehen auf Deadrias schwarzer Liste. Weigern die sich, ihre historische Verantwortung anzuerkennen und einen Fonds zu finanzieren, der Schwarzen-Projekten zugute kommt, dann sollen auch sie verklagt werden.

Einige Unternehmen haben sich bereits mit ihrer dunklen Vergangenheit auseinandergesetzt und ihr "tiefes Bedauern " gegenüber den schwarzen Amerikanern geäußert. Aber für eine gerichtliche Regelung - da sind sich alle einig - sehe man "keine legale Basis". Auch amerikanische Rechtsexperten geben dem jetzigen Verfahren keine große Chance. Deren Hauptargument: 137 Jahre. nachdem der letzte Sklave in Amerika befreit wurde, seien unwiderruflich alle Ansprüche verjährt.

So haben die deutschen Unternehmen anfangs auch argumentiert, die in den USA wegen ihres Einsatzes von Sklavenarbeitern während der Nazizeit mit Verfahren bedroht waren. Dass sie sich dann doch zu Zahlungen in einen Fonds entschlossen haben, hatte einzig damit zu tun, dass sie Angst hatten vor einer öffentlichen Kampagne gegen sie. Eine gut inszenierte Schlammschlacht kann einen Ruf und damit die Geschäftsgrundlagen in Amerika irreparabel schädigen.

Und im jetzigen Fall stehen jede Menge prominente Amerikaner in den Startlöchern, um einer solchen Kampagne zum Erfolg zu verhelfen. Zahlreiche akademische Studien widmen sich seit Jahren dem Thema 'Verantwortung für die Sklaverei', einige Parlamentarier und der nimmermüde Bürgerrechtler Jesse Jackson treiben das Thema voran.

Last but not least sind da zwei gewiefte Star-Anwälte. Der eine ist den deutschen Unternehmen in unangenehmer Erinnerung: Es ist Michael Hausfeld aus Washington D.C. Der hatte mit seiner Beharrlichkeit maßgeblichen Einfluss auf das Zustandekommen der Zwangsarbeiter-Stiftung. Und der andere ist zumindest jedem Schwarzen in den USA bekannt. Er heisst Johnnie Cochran und hat es vor Jahren geschafft, eine Jury von der Unschuld eines Mannes namens O.J. Simpson zu überzeugen.

Insofern spielt der Ausgang des Verfahrens in New York gar keine so große Rolle. Der Prozess ist nur das Fanal für eine Kampagne, die sicher kommen wird. So oder so.