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Rekord für Strom aus erneuerbaren Energien

Elisa Miebach
17. Juli 2019

Sonne, Wind, Wasser und Biomasse haben 2019 bisher mehr Strom produziert als Kohle und Atom zusammen. Das lag an zwei Besonderheiten. Daher ist es erstmal nur eine Momentaufnahme.

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Proteste gegen Braunkohle am Kraftwerk Lippendorf
Proteste gegen Braunkohle am Kraftwerk Lippendorf Bild: imago/T. Wagner

Im sächsischen Lippendorf (Artikelbild) nimmt der Energieversorger EnBW einen Block eines Kohlekraftwerks vorläufig vom Netz. Nicht weil es jemand verordnet hat - es rechnete sich einfach nicht mehr. Die Gaspreise sind niedrig, der CO2-Preis hoch und bei vielen Sonnen- und Windstunden produzieren die erneuerbaren Energien besonders viel Strom. Und die ersten sechs Monate des Jahres boten eben Top-Konditionen: Erst viel Wind, später viel Sonne.

Ergebnis: Zum ersten Mal gab es ein Halbjahr in Deutschland, in dem die erneuerbaren Energiequellen mehr Strom produzieren als Kohle- und Atomkraftwerke. Der Strom, der bei den Verbrauchern aus der Steckdose floss, kam zu 47,3 Prozent aus Erneuerbaren Energien und zu 43,4 Prozent aus Kohle- und Atomkraftwerken. Zu den erneuerbaren Energien zählen neben Sonne und Wind auch Wasserkraft und Biomasse. Gas lieferte 9,3 Prozent, die restlichen 0,4 Prozent waren andere Quellen, wie etwa Öl. Die Zahlen veröffentlichte das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme im Juli.

Infografik Nettostromerzeugung

Kohle-Anteil mit deutlichem Rückgang

Fabian Hein vom Think-Tank Agora Energiewende betont, dass es sich bei der Situation aus verschiedenen Gründen nur um eine Momentaufnahme handelt. Das erste Halbjahr 2019 sei besonders windig gewesen. Die Windproduktion stieg im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 um rund 20 Prozent an. Die Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen stieg um sechs Prozent an, die Stromerzeugung aus Erdgas um 10 Prozent. Der Anteil des Atomstroms am deutschen Stromverbrauch war nahezu gleich geblieben.

Der Kohle-Anteil ging dagegen zurück. Die Stromproduktion aus Steinkohle fiel um 30 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018, Braunkohle um 20 Prozent. Es gingen einige Blöcke von Braun- und Steinkohlekraftwerken vom Netz. Ob es bei allen Blöcken an der aktuellen Marktsituation lag oder ob dies teilweise längerfristig geplant war, sei schwierig zu sagen, so Hein gegenüber der DW.

Klar ist aber: ein gestiegener CO2-Preis hat die noch laufende Erzeugung von Strom aus Kohlekraft verteuert. Auch Gaskraftwerke stoßen CO2 aus - allerdings weniger als Kohlekraftwerke. Außerdem sind sie effizienter. Deshalb sind Gaskraftwerke nicht ganz so stark vom CO2-Preis betroffen. Der Preis wird durch den europäischen Emissionshandel ermittelt. Der Handel mit Emissionsrechten erfasst Kraftwerke und die energieintensiven Industrien in Europa. Andere Bereiche, wie Wärme oder Verkehr sind nicht mit einem CO2-Preis belegt. Der CO2-Preis ist vor allem seit einer Reform des Emissionshandels 2017 stark gestiegen. Lag er im September 2016 noch bei knapp über fünf Euro, war er Ende Juni 2019 auf über 26 Euro geklettert.

Rentable Gastkraftwerke

Gas ist als Rohstoff zwar generell teurer als Kohle. Kohlekraftwerke sind aber teurer zu bauen. Deshalb werden Kohlekraftwerke normalerweise als sogenannte Grundlast betrieben. Das heißt, sie sollen nach Wunsch der Betreiber durchgehend laufen. In Zeiten mit hoher Nachfrage und dadurch hohem Preis werden generell die Gaskraftwerke hochgefahren. Zu diesen Zeiten lohnt es sich für die Betreiber, ihr Gaskraftwerk zu betreiben. Gaskraftwerke können flexibel hoch- und runtergefahren werden. Kohlekraftwerke brauchen elf Stunden und länger, bis sie aus dem Stillstand wieder hochgefahren sind. Deshalb können sie nicht für kurze Phasen mit hohen Preisen schnell dazu geschaltet werden wie Gaskraftwerke. Im ersten Halbjahr wurden aber auch Kohlekraftwerke öfter hoch- und runtergefahren, weil es sich nicht immer lohnte, das Kraftwerk durchlaufen zu lassen.

Weil im ersten Halbjahr 2019 die Gaspreise besonders niedrig waren, waren Gaskraftwerke teilweise rentabler als Kohlekraftwerke. Am 29. Juni 2019 lag der Gaspreis am niederländischen Handelspunkt TTF bei rund zehn Euro pro Megawattstunde. Ein Jahr zuvor waren es noch fast 20 Euro. Das lag auch am relativ milden Winter, so gibt es noch viel Gas auf Vorrat, bestätigte ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) der DW. Zudem gibt es einige neue Exportterminals für Flüssiggas (LNG). Das schwächere Wachstum und die Handelskonflikte sorgen für ein langsameres Wachstum der Gas-Nachfrage. So kommt viel Gas nach Europa, wo die Preise noch vergleichsweise hoch sind, berichtet das Handelsblatt.

Durch den Anstieg von Wind und Sonnenkraft und den Rückgang der Kohlekraft sind auch die CO2-Emissionen gesunken. Im ersten Halbjahr 2019 wurde bei der Stromerzeugung rund 15 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als im Vorjahreszeitraum, berichtet der BDEW. Der Verband fordert aber, dass der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht ausgebremst werden dürfe. Das Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energie sei nur zu erreichen, wenn der weitere Ausbau von Solar- und Windanlagen-Anlagen beschleunigt werde.