1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weniger Wachstum

20. Oktober 2011

Der deutschen Wirtschaft geht es gut. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt, die Unternehmen investieren, sie schaffen Arbeitsplätze und stellen neue Leute ein. Doch wird das angesichts der Schuldenkrise so bleiben?

https://p.dw.com/p/12vz8
Wirtschaftsminister Rösler (Foto: dapd)
Wirtschaftsminister Rösler bleibt optimistischBild: dapd

In der Wirtschaft steckt viel Psychologie, das ist eine alte Weisheit. Wer optimistisch ist, der geht tatkräftig ans Werk, Pessimisten halten sich lieber zurück und warten ab. Gemessen daran sind die deutschen Unternehmer wohl immer noch recht zuversichtlich. In der aktuellen Herbstumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages beurteilt eine Mehrheit der 28.000 befragten Unternehmen ihre Geschäftslage jedenfalls immer noch als so gut wie nie zuvor.

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (Foto: dpa)
DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben: Unternehmen sind verunsichertBild: picture-alliance/ dpa

Gleichzeitig mehren sich allerdings die Stimmen derer, die einen Konjunkturabschwung in greifbarer Nähe sehen und ihre Geschäftserwartungen daher erheblich zurückschrauben, wie DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagt: "In den Unternehmensantworten wird eine gehörige Verunsicherung durch die Staatsschuldenkrise und durch die Entwicklungen an den Finanzmärkten deutlich."

Die Unternehmen, so Wansleben, befürchteten, dass die Kauflaune, vor allem aber die Investitionsbereitschaft im In- und Ausland nachlasse: "Vor diesem Hintergrund wird die Wirtschaftspolitik zunehmend zu einem konjunkturellen Risikofaktor. 45 Prozent der Unternehmen schätzen dies so ein – deutlich mehr als in den vorherigen Umfragen", sagte der DIHK-Geschäftsführer.

Die Wirtschaft kann mit nach unten gezogen werden

Was wird aus dem Euro, was aus Europa, was aus dem Rest der westlichen Welt? Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt in seinem jüngsten Konjunkturreport vor steigenden Gefahren externer Schocks durch Staatsschulden und Unsicherheiten an den Börsen. Wenn die globale Güternachfrage einbreche, dann ziehe das auch eine im Kern gesunde Realwirtschaft unweigerlich nach unten.

Noch nie wurden von den Unternehmen anstehende politische Weichenstellungen als so existenziell und möglicherweise gefährdend eingestuft. Sind die Politiker in der Lage, die Krise in den Griff zu bekommen, so lautet die bange Frage. Wie regieren die Angesprochenen darauf? Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler setzt den Bedenken gerne Optimismus entgegen. Exzellent, gut, auf Hochtouren, robust, Plus, erfreulich, beispielhaft – diese Worte gebraucht er gerne, wenn er die wirtschaftliche Lage in Deutschland beschreibt.

Auch ein Prozent Wachstum ist Wachstum

"Europa wird feststellen können, dass Deutschland nach wie vor Stabilitätsanker und Wachstumsmotor ist." So Rösler, als er am Donnerstag (20.10.2011) die aktuelle Konjunkturprognose der Bundesregierung vorstellte. Auch Rösler kann aber nicht ignorieren, dass sich die Weltwirtschaft abkühlt und auch die deutsche Wirtschaft daher im kommenden Jahr weitaus langsamer wachsen wird als bisher.

Symbolbild zu Shopping (Fotolia)
Der private Konsum soll's richtenBild: Fotolia/Tortilla

Um nur noch ein Prozent, so schätzt die Bundesregierung, wird die Konjunktur 2012 zulegen. "Wir kommen damit wieder auf einen ruhigeren Wachstumspfad. Aber ich möchte hier noch einmal ausdrücklich festhalten: Auch ein Prozent Wachstum ist Wachstum, es geht also weiter aufwärts." Von einer Rezession, die manche herbeireden wollten, könne keine Rede sein, so der Minister.

Der Export wird unter der Abkühlung leiden, so viel ist klar. Das ist schon seit Mitte dieses Jahres zu spüren. Doch die Deutschen selbst, davon zeigt sich Rösler überzeugt, könnten einen Teil der nachlassenden Nachfrage aus dem Ausland kompensieren, denn sie seien in Kauflaune. Damit werde deutlich, dass der Haupttreiber des Wachstums die Inlandsnachfrage sei: "Nach unseren Schätzungen wird in diesem Jahr der Beitrag der Inlandsnachfrage zum Wachstum bei 80 Prozent liegen und im nächsten Jahr wird sie das Wachstum fast vollständig alleine tragen."

Politik auf Pump muss ein Ende haben

Mit kluger Politik, so der Wirtschaftsminister, müssten nun die Weichen für einen langfristigen Weg nach oben gestellt werden. Dazu gehörten eine wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung genauso wie glaubwürdige Schritte, um das Vertrauen in die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung zu stärken. In diesem Punkt hat Rösler die Unternehmen auf seiner Seite, denn auch die deutsche Wirtschaft fordert seit langem, dass die Politik auf Pump ein Ende haben müsse.

Rotstift (Foto: dpa)
Sparen hat oberste PrioritätBild: picture alliance/dpa

Die Schuldenkrise sei schließlich die Ursache allen Übels. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben fordert daher einen konsequenten Spar- und Modernisierungskurs, der allerdings seine Zeit brauche: "Wir sehen im Moment mit Sorge die einseitige Diskussion, dass der Finanzsektor, dass die Banken die eigentlichen Übeltäter sind. In Wahrheit ist das eigentliche Problem, dass sich die alten Demokratien daran gewöhnt haben, über ihre Verhältnisse zu leben."

Statt auf die Banken einzuschlagen, so Wansleben, bedürfe es einer demokratischen Politik ohne Neuverschuldung. Hinter diesen Worten steckt die konkrete Angst der Unternehmen, von den Banken in Zukunft weniger Kredite zu bekommen, sollte die Politik die Finanzinstitute dazu zwingen, ihr Eigenkapital deutlich zu erhöhen. Eine Kreditklemme ist das Letzte, was sich die Unternehmen wünschen. Denn wenn sie sich nicht mehr ausreichend finanzieren können, dann fehlt tatsächlich jede Grundlage, um sich dem Abwärtssog entgegen zu stemmen.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Monika Lohmüller