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Rauch im Sommerloch

Peter Stützle11. August 2006

Nein, nein, die Waldbrandgefahr rings um die Bundeshauptstadt ist nicht mehr akut, seit es kräftig geregnet hat. Es sind Politiker, die das Sommerloch, die nachrichtenarme Zeit in den Parlamentsferien, mit Rauch füllen.

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Soweit sind wir schon gekommen: Gerrit de Bruin, Deutschland-Chef des Zigarettenherstellers Philip Morris, erklärt in einem Zeitungsinterview: "Wir hätten nichts dagegen, wenn in öffentlichen Gebäuden ein Rauchverbot gelten würde." Das ist die zurückgezogene Verteidigungslinie der Tabakindustrie gegen ein drohendes Rauchverbot auch in Gaststätten. Denn während kein Parlamentsausschuss tagt und das Bundeskabinett vom Vizekanzler geleitet wird, wuchs auf den Innenpolitik-Seiten der nachrichtenhungrigen Zeitungen der Kampf gegen den weißen Qualm zum Mega-Thema heran.

Professionelles Zündeln

Der das eingefädelt hat, ist ein ausgebuffter Profi. Nicht einer wie CDU-Generalsekretär Roland Pofalla, der mitten ins Sommerloch plumpste mit der Forderung, junge Berufstätige sollten künftig für ihre arbeitslosen Eltern aufkommen. Nein, Verbraucherschutz-Minister Horst Seehofer von der bayerischen CSU hatte schon kurz vor Beginn der Sommerpause einen Gesetzentwurf zum Nichtraucher-Schutz angekündigt. Nun kann er zusehen, wie das Thema von selbst weiterläuft. Abgeordnete verschiedener Parteien bemühen sich um eine fraktionsübergreifende Gesetzesinitiative. In früheren Jahren waren solche Vorstöße im Parlament immer wieder gescheitert, jetzt zeichnet sich erstmals eine Mehrheit ab. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kündigt an, wenn der Bundestag ein Rauchverbot beschließe, werde die Regierung das umsetzen - eine Selbstverständlichkeit eigentlich, die aber doch eine Nachrichtenmeldung wert ist, in der dann auch Seehofer als Auslöser der Debatte vorkommt. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder meldet Zweifel an, ob für den Nichtraucherschutz in Gaststätten ein Gesetz, das viel Bürokratie nach sich ziehe, der richtige Weg sei. Die Bundesländer reklamieren, dass sowohl das Gaststättenwesen als auch der Gesundheitsschutz in ihre Zuständigkeit falle, und ausgerechnet Seehofers Heimatland Bayern kündigt ein eigenes Gesetz an. Seehofers Ministerium lanciert daraufhin, nach Artikel 74, Absatz eins, Punkt 20 des Grundgesetzes könne der Bund sehr wohl „den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln“ im Rahmen der "konkurrierenden Gesetzgebung" mit eigenen Gesetzen regeln.

In den Medien tauchen unterdessen immer neue Einzelheiten auf, wie ein Gesetz aus dem Hause Seehofer aussehen könnte. Der Minister selbst hatte noch vor der Sommerpause gesagt, dass das Rauchen zwar in Speisegaststätten untersagt werden sollte, nicht aber in Nachtbars. Nun ist mal von Quadratmeterzahlen die Rede, bis zu denen das Rauchen erlaubt sein könnte, um der traditionellen Eckkneipe ihren traditionellen Mief zu erhalten, mal von Prozentzahlen der Gaststättenfläche, die Nichtraucherbereichen vorbehalten bleiben müssen, verbunden mit der Frage, ob und wie diese Bereiche baulich von den verqualmten abgetrennt werden müssten. Das typisch deutsche Regelungs-Klein-Klein eben.

Rauchverbot als Rauchquelle

Einem möglichen Versiegen der Rauchquelle hat nun zur Mitte des Sommerlochs eine weitere Nachricht aus dem Hause Seehofers vorgebeugt: Das Verbraucherministerium prüfe, das mit einem Bußgeld belegte Verbot der Zigarettenabgabe von unter 16 auf unter 18 Jahre auszuweiten, heißt es da. Was prompt Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf den Plan rief mit der Frage: "Was soll ein neues Rauchverbot für Jugendliche, wenn Erwachsene ihnen an jeder Ecke etwas anderes vormachen und bestehende Schutzregeln für Jugendliche missachtet werden?" Man könnte auch einfacher fragen: Hat die bisherige 16-Jahres-Grenze irgendeinen 13-jährigen (den Verfasser eingeschlossen) davon abgehalten, sich hustend am Glimmstengel zu versuchen?

Dass dem Tüchtigen das Glück hold ist, zeigte sich schließlich, als auch noch aus Irland Rauchnachschub kam. Und zwar in Form einer Stellenausschreibung, die Raucher ausdrücklich ausschloss. "Absolut diskriminierend", wie die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn meinte - im Gegensatz zur EU-Kommission in Brüssel, die keinerlei Kollision mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu sehen vermochte, weshalb Höhn wiederum eine Ergänzung des gerade erst beschlossenen deutschen Anti-Diskriminierungs-Gesetzes ins Gespräch brachte.

Mit Prädikat

Vielleicht sagt Seehofer ja nach seinem Urlaub im heimatlichen Bayern noch etwas dazu. Aus dem ist er übrigens vergangenen Mittwoch kurz nach Berlin gekommen, um dem Bundeskabinett eine Änderung des Weingesetzes vorzulegen - "Mosel-Saar-Ruwer" soll künftig nur noch "Mosel" heißen und "Qualitätswein mit Prädikat" schlicht "Prädikatswein". Und weil das nicht sonderlich spektakulär ist, hat er auch noch die Forderung nach einem "Reinheitsgebot für Wein" erhoben. Was aber auch nicht spektakulär genug war, um tief unter der Rauchwolke, die über dem Sommerloch liegt, noch wahrgenommen zu werden.