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Ratingagentur entzieht USA die Bestnote

6. August 2011

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten um eine Stufe von "AAA" auf "AA+" herabgestuft - erstmals seit 70 Jahren. Die USA kritisieren dies, China kritisiert die USA.

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Schild der Ratingagentur Standard & Poor's in Frankfurt am Main (Foto: dpa)
S&P - ihre Bewertung hat große AuswirkungenBild: picture-alliance/dpa

Es war bereits spät am Abend - nach Börsenschluss in New York, tiefe Nacht in Europa und früher Samstagmorgen (06.08.2011) in Asien - als die Ratingagentur Standard & Poor's mitteilte, dass die Bonitätsnote "AAA" der USA um eine Stufe auf "AA+" gesenkt werde. Den Ausblick bewertete die Ratingagentur mit "negativ". Damit droht den USA - der größten Volkswirtschaft der Welt - in den nächsten zwölf bis 18 Monaten eine weitere Herabstufung. Wenn die US-Regierung ihre aufgestellten Sparziele nicht erreiche, könnte die neue Bonitätsbewertung auch auf "AA" fallen.

Zur Begründung erklärte S&P, die vor wenigen Tagen vom Kongress in Washington beschlossenen Maßnahmen zum Abbau des gigantischen US-Staatsdefizits gingen nicht weit genug, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Besondere Kritik übte die Ratingagentur aber an der Unfähigkeit der US-Politik zu Handeln. Es sei zweifelhaft, dass sich Kongress und Regierung auf zusätzliche Einsparungen einigten und den Anfang der Woche verabschiedeten Plan umsetzten. In absehbarer Zeit werde sich die Schuldendynamik daher nicht stabilisieren.

US-Regierung sitzt mit Vertretern der Republikaner an einem Verhandlungstisch (Foto: dapd)
Streithähne an einem Tisch: Demokraten und Republikaner suchten nach einem SchuldenkompromissBild: dapd

Kritik aus dem Weißen Haus

Die US-Regierung kritisierte die S&P-Entscheidung. Im Finanzministerium begannen Experten sofort mit der Überprüfung der Berechnungen und entdeckten auch einen gravierenden Fehler: Um zwei Billionen US-Dollar hatte sich die Ratingagentur verrechnet. Aus dem Finanzministerium hieß es daraufhin, dass das Urteil von S&P, das mit einen solchen Fehler behaftet sei, "für sich selbst" spreche.

S&P korrigierte seine Berechnungen, erklärte aber, dass dies nichts an der Herabstufung ändere. Der Chef des S&P-Bewertungsausschusses, John Chambers, rechtfertigte die Entscheidung auch in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN. Es gehe um die mittel- und langfristige Haushaltsentwicklung in den USA, "die unter Kontrolle gebracht werden muss". Die beiden anderen großen Ratingagenturen - Moody's und Fitch - wollen an ihrer Spitzennote für die USA nach eigenen Angaben festhalten - zumindest vorerst.

Heftige Reaktion aus China

Dollar-Banknoten in Koffer (Foto: Fotolia)
Standard & Poor's forderte langfristige Einsparungen in Höhe von vier Billionen DollarBild: Gina Sanders/Fotolia

Mit der Herabstufung werden US-Staatsanleihen, die einst als die weltweit sicherste Geldanlage galten, von S&P künftig schlechter bewertet als Anleihen von Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder Kanada. Da der US-Dollar als Leitwährung gilt, befürchten Analysten nun weitere Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten. Vor allem China, als größter Gläubiger der USA, übte ungewöhnlich scharfe Kritik. Man habe "jedes Recht", eine Lösung des Schuldenproblems zu verlangen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua in einem englischsprachigen Kommentar. Die US-Regierung könne ihre Finanzprobleme nicht dadurch lösen, dass sie einfach noch mehr Schulden mache. Auch eine neue, "stabile und global abgesicherte" Leitwährung brachten die Chinesen erneut ins Spiel. So könne man auch künftig Katastrophen, die durch ein Land verursacht werden, abwenden.

Aus anderen Teilen Asiens kamen zurückhaltendere Töne. Japan und Südkorea bemühten sich um Ruhe. Man habe weiterhin Vertrauen in US-Staatanleihen, hieß es aus Tokio. Auch Seoul sei nicht "außerordentlich besorgt".

Unabsehbare Folgen?

Die Herabstufung der US-Bonitätsnote kam für Experten nicht unerwartet, aber doch zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Bereits in den vergangen Tagen verzeichneten die Börsen weltweit erhebliche Kursverluste. Die Angst vor einer Rezession in den USA geht um, in Europa befürchtet man, die Schuldenkrise könnte sich ausweiten.

Mit der herabgesetzten Bonitätsnote dürften Kredite für die US-Regierung, aber auch für Unternehmen und Verbraucher teurer werden, sagen Experten voraus. Die staatlichen Kreditkosten könnten sich um etwa 100 Milliarden US-Dollar erhöhen.

Autor: Nicole Scherschun (rtr, afp, dapd, dpa)
Redaktion: Dirk Eckert / Thomas Grimmer