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Politik

Coburg: Rassismus-Streit um Stadtwappen

Christina Küfner
21. Juli 2020

Angesichts weltweiter Anti-Rassismus-Proteste stehen rassistische Namensgebungen und Darstellungen auch in Deutschland in der Kritik. Im bayerischen Coburg gibt es jetzt Streit um das Stadtwappen.

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Coburg Rathaus Ziergitter mit Mohr-Motiv
Bild: DW/C. Küfner

An sonnigen Tagen im Juli sieht der Coburger Marktplatz ein bisschen so aus wie eine festliche Tafel – alles passt harmonisch zusammen. An den Längsseiten reihen sich restaurierte Stadthäuser aneinander wie hübsch angezogene Gäste - während das Rathaus und das Stadthaus mit ihren prächtigen Fassaden wie aufgeräumte Gastgeber an den beiden Kopfenden thronen. Dazu kommt das beruhigende Geräusch von einigen plätschernden Brunnen, die sich über das gepflasterte Viereck verteilen.

Ein schöner Sommer könnte es sein in Coburg - hätte eine Kontroverse um das Stadtwappen die Atmosphäre hier nicht empfindlich gestört. Die oberfränkische Stadt sieht sich nämlich mit dem Vorwurf konfrontiert, ein rassistisches Bildnis in seinem Wappen zu führen: den so genannten "Coburger Mohr". Es zeigt den Kopf eines Schwarzen – mit Merkmalen, die sein Erschaffer wohl typisch für die schwarzhäutige Bevölkerung Afrikas gehalten hat: dicke Lippen, leichter Unterbiss, krauses Haar und ein großer Kreolenohrring. Zu finden ist er überall in der Stadt, auf Fassaden, Schildern und, alle paar Meter, auf Gullydeckeln.

Coburg Rathaus mit Prinz-Albert-Denkmal auf dem Marktplatz
Das Rathaus von Coburg im bayerischen OberfrankenBild: Imago Images/P. Schickert

Stereotype Darstellung im Wappen

Eine diskriminierende Illustration, die an die Stereotype der Kolonialzeit anknüpft, beklagen Juliane Reuther und Alisha Archie. Beide leben in Berlin, kommen aber aus Oberfranken und haben im Juni eine Online-Petition zur Änderung des Wappens gestartet. Das Bildnis verkenne, dass schwarze Menschen unterschiedlich seien und suggeriere stattdessen "so etwas Exotisches, so eine Wildheit", sagt Alisha Archie. "Das ist eine rassistische Darstellung, die heutzutage so einfach nicht mehr stattfinden kann."

Ein Vorwurf, den viele Coburger mit Kopfschütteln quittieren - oder mit Unverständnis. Die beiden Damen aus Berlin hätten wohl zu viel Zeit, schimpft eine Frau. Eine andere meint, der "Mohr" gehöre zu Coburg und das solle auch gefälligst so bleiben. Im Rathaus gibt man sich kaum diplomatischer. "Sinnbefreit" sei die ganze Diskussion, heißt es dort, denn von Rassismus könne man im Falle von Coburg nun wirklich nicht sprechen. Ein Schwarzer als Schutzpatron der Stadt sei vielmehr ein Zeichen der Ehre.

Debatte um den Coburger "Mohr"

Ehre oder Diskriminierung?

Von einer Ehrerbietung spricht auch der Kulturwissenschaftler Hubertus Habel. Er hat über städtische Symbole und Geschichtskultur in Coburg promoviert und die Historie des "Mohren" ausgiebig untersucht. Dieser symbolisiere den Heiligen Mauritius, einen christlichen Legionär mit dunkler Hautfarbe, der für seinen Glauben hingerichtet wurde. Habel zufolge ist der Mohr im Wappen "vollkommen in Ordnung, weil es eben eine Wertschätzung und Hochachtung vor diesem Heiligen ausdrückt".

Man könne nicht von Ehre sprechen, "wenn man dafür ein rassistisches Bild benutzt", widerspricht Alisha Archie. Tatsächlich hat sich die Darstellung des Mauritius im Laufe der Zeit häufig geändert. Wirklich schwarz war er vermutlich auch gar nicht - ursprünglich soll der Heilige nämlich aus Oberägypten gestammt haben. Erst im Mittelalter setzte sich in Europa die Darstellung des schwarzen Mauritius durch. In Coburgs Wappen tauchte er Ende des 16. Jahrhunderts auf. Die heutige Version gibt es allerdings erst seit den 1950er Jahren. 

Rassismus-Debatten in vielen Städten

Historie und Klischees, Traditionsbewusstsein und Rassismus-Diskurs - all das kommt bei der Diskussion um den "Mohr" zusammen. Nicht nur Coburg ringt mit dem Thema. Vor dem Hintergrund der weltweiten Anti-Rassismus-Proteste stehen rassistische Namensgebungen inzwischen in vielen Städten in der Kritik: in Berlin der U-Bahnhof "Mohrenstraße", in Köln ebenfalls die "Mohrenstraße", in Augsburg das Hotel "Drei Mohren", in Magdeburg die "Mohren-Apotheke". Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Deutschland Mohrenstraße in Berlin
Der Berliner U-Bahnhof Mohrenstraße soll künftig anders heißen - in vielen deutschen Städten ist eine Neubenennung rassistischer Straßennamen geplantBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/S. Kanz

Zwar geht nicht jeder dieser Namen auf eine Verehrung des Heiligen Mauritius zurück. Bei allen geht es jedoch um die gleiche Frage: wo verläuft die Grenze zwischen gewachsener Stadtgeschichte und tradiertem Rassismus? Manchmal ist sie fließend. Zusätzlich erschwert wird die Debatte dadurch, dass Wissenschaftler uneins sind, wo das Wort "Mohr" genau herkommt und welche Konnotation es besitzt - ob es rein beschreibend oder geringschätzend gemeint ist.

Eine Bezeichnung von Weißen

Während Hubertus Habel etwa von einer im Mittelalter üblichen Bezeichnung spricht, die im Falle Coburgs "wertfrei bis wertschätzend" benutzt worden sei, ist die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt von der Universität Bayreuth anderer Meinung: "Der Begriff wurde von Anfang an abwertend gebraucht und zwar aus einer weißen christlichen Perspektive und diskriminierenden Intention heraus." Neutral sei die Bezeichnung nie verwendet worden.

Arndt, die auch zum Thema Rassismus forscht, erinnert die "Mohren"-Debatte an die vor einigen Jahren geführte Diskussion um das "N-Wort" (für den rassistischen Begriff "Neger"): "Ich sehe da Parallelen, es wiederholen sich die Muster." Auch damals sei erklärt worden, die Kritiker der diskriminierenden Bezeichnung argumentierten nicht korrekt. Auch, dass das Wort doch gar nicht abwertend gemeint sei, habe es damals geheißen. "So kommt kein Gespräch über Rassismus zu Stande", bedauert die Wissenschaftlerin.

Zu wenig Diskussion über das Thema

Die Redebereitschaft im Coburger Rathaus geht in diesen Tagen tatsächlich gen Null. Interviews zum Thema "Mohr" möchte die Stadtspitze im Moment nicht mehr geben. Es sei alles gesagt, antwortet der Sprecher des Rathauses auf die Anfrage der Deutschen Welle. Im Internet haben Bürger derweil eine Gegenpetition gestartet, ihr Titel: "Der Coburger Mohr soll bleiben - Rettet den Coburger Stadtpatron im Wappen". Der Aufruf hat gegenwärtig mehr Unterstützer als die Petition, die sich für eine Änderung einsetzt.

Deutschland | Black Lives Matter | Protest gegen Rassismus
Eine Demonstration in Berlin gegen Rassismus in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/C. Soder

Eine differenzierte Auseinandersetzung wäre allerdings dringend geboten, meint Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Orte, die sich auf den Heiligen Mauritius beziehen, könne man beispielsweise auch nach diesem benennen. Das Wort "Mohr" hingegen hat für ihn ausgedient. Egal, woher es stamme und ob es eine Verehrung ausdrücke oder nicht - für Schwarze bleibe es diskriminierend. "Das ist, wie wenn Sie jemanden als Idioten bezeichnen - und wenn der sich das dann verbittet, versuchen Sie ihm zu erklären, warum das doch geht. Genau das passiert im Moment."