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Rückblick auf deutschen Weg zur Demokratie

27. März 2009

Mehr Demokratie wagen, den Menschen in Deutschland mehr Einfluss auf die Parlamente und deren Zusammensetzung geben - dafür hat sich Bundespräsident Köhler in der Frankfurter Paulskirche ausgesprochen.

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Zeichnung: Debatte der Nationalversammlung in der Paulskirche (Foto: dpa)
Die zeitgenössische Darstellung zeigt die erste Sitzung der Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der PaulskircheBild: picture-alliance/dpa
Bundespräsident Horst Köhler bei seiner Rede in der Paulskirche (Foto: dpa)
Bundespräsident Horst Köhler spricht in der Paulskirche über "Deutschlands Weg zur Demokratie"Bild: picture-alliance/dpa

Bundespräsident Horst Köhler zeichnete am Freitagvormittag (27.03.2009) in der Frankfurter Paulskirche "Deutschlands Weg zur Demokratie" nach. Anlass seiner Rede war der 160. Jahrestag der Verabschiedung der ersten demokratischen Verfassung für Deutschland durch die Nationalversammlung. Die Verfassung war am 27. März 1849 von den Parlamentariern in der Paulskirche beschlossen worden.

Wegweiser für spätere Verfassungen

Die Nationalversammlung in der Paulskirche war nach der Märzrevolution 1848 gewählt worden. Die in der Verfassung enthaltenen Grundrechte garantierten erstmals in der deutschen Geschichte die bürgerlichen und individuellen Freiheitsrechte. "Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich", hieß es beispielsweise in der Verfassung. Die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person wie auch der Wohnung wurden ebenfalls garantiert, die Todesstrafe abgeschafft. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde verankert, ebenso die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Der Katalog wurde zum Wegweiser für die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz von 1949.

Köhler plädierte in seiner Rede für eine Stärkung des Demokratieprinzips auf nationaler und internationaler Ebene. "Wir brauchen in allen Bereichen des Zusammenlebens Demokratie als Lebensform", sagte er. Er schlug Änderungen im deutschen Wahlrecht vor. Dadurch solle den Wählern mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Parlamente gegeben werden. Köhler rief ferner die Politik zu mehr demokratischer Transparenz und Verantwortlichkeit auf und sprach sich für eine Neuordnung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern aus. Das Europäische Parlament sollte nach Einschätzung des Bundespräsidenten gestärkt werde.

Grundrechte als Fundament der Verfassung

Die Paulskirchen-Verfassung zeigt nach Köhlers Worten, wie tief unsere freiheitliche Demokratie in der deutschen Geschichte verwurzelt ist: "Seit 1848 ist die Forderung nach gleicher politischer Teilhabe, nach Grundrechten und nach Rechtsstaatlichkeit in Deutschland nie mehr verstummt, bis alles das 1949 und 1989 erreicht war", sagte Köhler bei dem Festakt vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft.

Blick auf die Paulskirche (Foto: dpa)
Die Paulskirche in Frankfurt am Main heuteBild: dpa - Fotoreport

Die Beschäftigung mit der Revolution vor 160 Jahren schärfe "den Blick für die Herausforderungen, vor denen unsere Demokratie heute steht", sagte Köhler. Viele Menschen seien jetzt verdrossen darüber, "wie langsam und undurchschaubar unser Staatswesen funktioniert". Und es gebe Skepsis, ob die einzelstaatliche Demokratie die großen, grenzüberschreitenden Herausforderungen überhaupt noch in den Griff bekomme oder die Steuerung längst an internationale Wirtschaftsinteressen und Großbürokratien abgegeben habe. Hier biete die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise Chancen, indem sie zeige, wie dringend Wirtschafts- und Finanzmärkte einer wirksamen Aufsicht und Rechenschaftspflicht bedürften.

Am Ende gescheitert

Der Festakt stand unter dem Motto "Frankfurt - Weimar - Bonn - Berlin. Deutschlands Weg zur Demokratie". Er ist Teil des Jubiläums "Freiheit und Einheit", das bis Oktober 2010 mit Veranstaltungen in ganz Deutschland gefeiert wird.

Die Verfassung von 1849 sah eine Reichsregierung vor, die dem Parlament verantwortlich sein sollte. Als Staatsoberhaupt der konstitutionellen Monarchie war ein "Kaiser der Deutschen" vorgesehen. Die Kaiserkrone boten die Abgeordneten dem preußischen König Wilhelm IV. an, der jedoch ablehnte. Damit war das Parlament gescheitert. Es dauerte 60 Jahre bis zur Weimarer Verfassung und sogar 100 Jahre bis zum deutschen Grundgesetz. (mas/hp/ap/dpa/epd)