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Knapp an der Katastrophe vorbei

5. November 2010

Einen Tag nach der Notlandung der Qantas-A380 in Singapur wird klarer, wie viel Glück Passagiere und Besatzung hatten. Die Fluggesellschaft Quantas bestreitet indessen, sie hätte Probleme mit der Wartung der Flugzeuge.

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Beschädigtes Triebwerk (Foto: AP)
Nicht nur das Triebwerk war beschädigtBild: AP
Feuerwehrmänner stehen am beschädigten Flugzeug (Foto: AP)
A 380: Nur zwei Triebwerke für die SchubumkehrBild: AP

Der am Donnerstag (04.11.2010) in Singapur notgelandete Airbus A380 der australischen Fluggesellschaft Qantas ist durch die Panne am linken inneren Triebwerk stärker in Gefahr gewesen, als zunächst bekannt war. Die Piloten waren gezwungen, mit überhöhtem Gewicht notzulanden, da zuvor nicht genügend Treibstoff aus der für den Flug nach Sydney vollgetankten Maschine abgelassen werden konnte. Dadurch platzten beim Aufsetzen zwei Reifen.

Die A380 ist zudem nur an den beiden inneren Triebwerken mit einer Schubumkehr zum Abbremsen ausgerüstet, durch den Ausfall des linken stand jedoch bei dem Zwischenfall nur eine funktionsfähige Turbine mit aktiver Schubumkehr zur Verfügung. Dennoch konnte die Besatzung das Riesenflugzeug auf der Piste zum Stehen bringen. Doch damit war die Gefahr aber nicht gebannt: Das linke äußere Triebwerk in unmittelbarer Nachbarschaft des explodierten Motors ließ sich nach der Landung nicht abstellen.

Treibstoff ausgelaufen

Auslaufendes Kerosin wird mit Löschschaum bedeckt (Foto: AP)
Bild: AP

Gleichzeitig lief in unmittelbarer Nähe Treibstoff aus einem durch Triebwerksteile leckgeschlagenen Tank aus. Die erhebliche Brandgefahr musste die Feuerwehr durch den Einsatz von Löschschaum eindämmen. Qantas-Chef Alan Joyce bestätigte dies am Freitag (05.11.2010) in Sydney: "Das linke Triebwerk ließ sich nicht abstellen, vermutlich ausgelöst durch den Vorfall am benachbarten Motor, aus dem Teile herausgeschleudert wurden. Wir sind dabei, auch die Ursache dieses Problems zu erforschen."

Passagiere berichten, dass ihnen beim Aussteigen die Nutzung elektronischer Geräte wegen der Feuergefahr untersagt wurde. "Natürlich hat man Angst in der Nähe eines heißen Motors, wo direkt daneben Treibstoff ausläuft", sagte Fluggast Christopher Lee der Nachrichtenagentur Reuters.

Hydraulik beschädigt

Passagiere beim Notausstieg (Foto: AP)
Beim Notausstieg: Bitte nicht rauchenBild: AP

Inzwischen wurde auch bekannt, dass eines der beiden Hydrauliksysteme der A380 ebenfalls beschädigt war, gut zu erkennen an den nicht voll ausgefahrenen Landeklappen und Vorflügeln sowie den herabhängenden Fahrwerksabdeckungen der gelandeten Maschine. Experten äußerten sich erstaunt, dass das Flugzeug trotz der während des Fluges eingetretenen erheblichen Beschädigungen so sicher habe weiterfliegen und landen können. "Das ist ein Verdienst des modernen Designs, vor 20 Jahren hätte ein ähnlicher Vorfall ein Flugzeug wohl vom Himmel geholt", sagte John Page, Dozent für Luftfahrttechnik an der Universität von New South Wales in Sydney, gegenüber Reuters.

Unterdessen läuft die Diskussion über die möglichen Ursachen der Triebwerksexplosion der A380 und ihrer gravierenden Folgen an. Denn moderne Motoren wie der Rolls-Royce Trent 900 sind bereits in ihrer Konstruktion so ausgelegt, dass selbst beim Eindringen von Fremdkörpern oder dem Abbrechen von Triebwerksschaufeln niemals Teile aus dem Inneren des Motors nach außen dringen dürfen. Die äußeren Motorenabdeckungen sind speziell dafür ausgelegt, solche herumfliegenden Teile aufzuhalten, diese Fähigkeit muss bereits vor der Zulassung eines Triebwerkstyps gegenüber den Behörden nachgewiesen werden. Umso gravierender jetzt der Vorfall von Singapur, bei dem gleich große Teile der Motorenummantelung mit wegflogen und auf der indonesischen Insel Batam einschlugen.

"Kein Wartungsproblem"

Polizisten auf Trümmersuche (Foto: AP)
Polizisten auf TrümmersucheBild: AP

Dies besonders vor dem Hintergrund, dass erst am 2. August dieses Jahres bei Rolls-Royce ein vergleichbarer Vorfall für Aufsehen in der Branche sorgte: Damals hatte sich auf einem Werks-Teststand im britischen Derby ein Triebwerk des Typs Rolls-Royce Trent 1000 bei einem Probelauf zerlegt und die Einrichtung erheblich beschädigt. Dies führte zu einer erneuten Verzögerung der ersten Auslieferung des Boeing 787 Dreamliners an den Erstkunden ANA in Japan, der seine 787 mit dem Trent 1000 betreiben will.

Qantas-Chef Alan Joyce vermutet unterdessen einen Materialfehler im Triebwerk der notgelandeten A380 als Ursache für den Vorfall in Singapur - oder ein Konstruktionsproblem. Qantas hat derzeit alle ihre sechs A380 am Boden und führt Sicherheitsüberprüfungen durch, die bis zu 48 Stunden andauern sollen. "Wenn wir nichts finden, das dagegen spricht, werden die Flugzeuge den Betrieb dann wieder aufnehmen", so Joyce. Auch Singapore Airlines und Lufthansa, die ihre A380 mit demselben Triebwerkstyp antreiben, setzen ihre A380 nach abgeschlossenen Checks inzwischen wieder planmäßig ein. Gleichzeitig wies Alan Joyce Kritik an der Auslagerung bestimmter Wartungsarbeiten bei Qantas zurück. "Hier handelt es sich nicht um ein Wartungsproblem. Und es geht auch nicht um die Frage, ob wir im In- oder Ausland warten lassen. 92 Prozent unserer Wartung findet in Australien statt. Emirates und Singapore Airlines lassen zu 100 Prozent im Ausland warten und haben auch keine Probleme."

Autor: Andreas Spaeth
Redaktion: Rolf Wenkel