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PolitikVietnam

Putin in Hanoi und die Interessen Vietnams

David Hutt
Veröffentlicht 21. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 22. Juni 2024

Mit dem Empfang des russischen Präsidenten Putin riskierte Vietnam eine Verschlechterung des Verhältnisses zu den USA. Hanoi braucht moderne Waffen - und dürfte diese von Moskau auch erhalten.

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Der russische Präsident Wladimir Putin (l) und der stellvertretende vietnamesische Premierminister Tran Hong Ha am internationalen Flughafen von Hanoi
Begrüßung ohne großen Pomp: der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der stellvertretende vietnamesische Premierminister Tran Hong Ha am internationalen Flughafen von HanoiBild: Minh Hoang/AP Photo/picture alliance

Der Empfang in Hanoi fiel zurückhaltend aus: Anders als im nordkoreanischen Pjöngjang wurde Wladimir Putin in Hanoi nicht mit ganz großem Pomp begrüßt. Am Flughafen erwarteten ihn lediglich einige Minister, nicht aber die zentralen Figuren der vietnamesischen Politik. Dennoch scheinen die Gespräche mit Nguyen Phu Trong, dem Chef der Kommunistischen Partei Vietnams, sowie dem neuen Staatspräsidenten To Lam erfolgreich verlaufen zu sein. Beide Seiten unterzeichneten über ein Dutzend Abkommen zur bilateralen Zusammenarbeit, unter anderem in den Bereichen Bildung, Medizin und fossile Brennstoffe. Auch wollen sie bei einem Zentrum für Nuklearwissenschaft und -technologie in Vietnam kooperieren.

Keines der der Öffentlichkeit präsentierten Dokumente steht im Zusammenhang mit Verteidigungsfragen. Allerdings erklärte Präsident Lam, es gebe weitere Vereinbarungen, die geheim blieben.

Die USA verurteilten den Besuch. Putin willkommen zu heißen, bedeute, dass Russlands "eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht" als normal erscheinen, so ein Sprecher der US-Botschaft in Hanoi gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Geheime Absprachen?

Vietnam hingegen will im Rahmen seiner neutralen Außenpolitik deutlich machen, dass es weder ein Verbündeter der Vereinigten Staaten noch ein Vasallenstaat Chinas ist. Konsequent hat sich das Land aller UN-Resolutionen enthalten, die Russlands Krieg in der Ukraine verurteilen. Man sei in diesem Konflikt neutral, hieß es aus Hanoi. Vietnam gehört zu den insgesamt vier südostasiatischen Staaten, die am Gipfel zum Frieden in der Ukraine auf dem Schweizer Bürgenstock am vergangenen Wochenende nicht teilnehmen wollten. Russland war zu diesem Gipfel nicht eingeladen.

"Wir sind unseren vietnamesischen Freunden dankbar für ihre ausgewogene Haltung zur Ukraine-Krise sowie ihren Wunsch, die Suche nach praktischen Wegen für eine friedliche Beilegung des Konflikts zu erleichtern", sagte Putin am Donnerstag russischen Staatsmedien zufolge. "All dies entspricht voll und ganz dem Geist und dem Wesen unserer Beziehungen."

Begleitet wurde Putin von dem neuen russischen Verteidigungsminister Andrej Belousow. Zwar konzentrierten sich die Gespräche russischen und vietnamesischen Medien zufolge hauptsächlich auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Analysten sind sich aber einig, dass Sicherheitsfragen der wesentliche Grund des Besuchs waren. 

"Aufgrund des sensiblen Charakters dieses Themas könnte sich Vietnam dafür entscheiden, keine Informationen über potenzielle Vereinbarungen öffentlich zu machen, um im Westen keine Bedenken zu wecken", sagt Le Hong Hiep, Senior Fellow am ISEAS - Yusof Ishak Institute in Singapur, im DW-Interview. 

Der vietnamesische Präsident To Lam und der russische Präsident Wladimir Putin nehmen eine Ehrengarde in Hanoi ab
Partner: der vietnamesische Präsident To Lam und der russische Präsident Wladimir PutinBild: Minh Hoang/AP Photo/picture alliance

Verdeckte Zahlungen nicht ausgeschlossen 

Bis zum Jahr 2022 war Russland der größte Waffenlieferant für Vietnam. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI entfielen bis zu jenem Jahr rund 60 Prozent aller vietnamesischen Militärausgaben der vergangenen zwei Jahrzehnte auf Russland.

Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind die Importe zurückgegangen. Das Versagen der russischen Waffen auf dem Schlachtfeld hat deren Attraktivität auf dem Weltmarkt verringert. Zudem könnte der Kauf russischer Waffen zu schwerwiegenden Konsequenzen seitens des Westens führen und Vietnam dem Risiko von US-Sanktionen aussetzen. Den rechtlichen Rahmen dazu liefert das US-Gesetze zur Bekämpfung amerikanischer Gegner durch Sanktionen (Countering American Adversaries Through Sanctions Act, CAATSA).

Ein durchgesickertes Dokument des vietnamesischen Finanzministeriums vom März 2023 deutet jedoch darauf hin, dass Hanoi sein Militär modernisieren und dabei im Geheimen russische Waffen kaufen will mit Zahlungen über das gemeinsame vietnamesisch-russische Ölunternehmen Rusvietpetro, das in Sibirien aktiv ist.

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"Vietnam braucht unbedingt dieses Geheimabkommen aus dem Jahr 2023 und einen alternativen Finanzierungsmechanismus für die Beschaffung von Verteidigungsgütern", so Zachary Abuza, Professor am National War College in Washington, im DW-Interview.

"Auf diese Weise sollten große Anschaffungen möglich werden, die sonst den jährlichen Verteidigungshaushalt sprengen würden. Zugleich ließe sich die Verwendung von US-Dollars vermeiden. Denn das würde mit den CAATSA-Sanktionen in Konflikt geraten könnten", so Abuza weiter.

Die amerikanischen und vietnamesischen Behörden lehnten eine Stellungnahme zu dem Dokument ab. Letztes Jahr zitierte die New York Times einen vietnamesischen Beamten mit der Aussage, das geheime Waffenabkommen mit Russland über die nächsten zwei Jahrzehnte habe einen Wert von acht Milliarden Dollar.

Gerüchte legen nahe, dass Hanoi versucht, von Russland Kampfflugzeuge, die in einer russisch-indisches Gemeinschaftsunternehmung entwickelt wurden, sowie BrahMos-Schiffsabwehrraketen zu kaufen. Letztere sind Marschflugkörper mit Überschallgeschwindigkeit.

Bedenken Pekings

Doch Vietnam will auch China nicht provozieren, mit dem es seit Jahrzehnten einen Streit Gewässer im Südchinesischen Meer führt.

Ein Grund für Putins Besuch könnte gewesen sein, dass die vietnamesische Regierung von Moskau die Zusicherung erhalten möchte, dass die Interessen des Landes nicht gefährdet sind, wenn es sich fortan stärker durch Russland als durch China unterstützen lasse, sagt Nguyen Khac Giang, auch er Fellow am ISEAS - Yusof Ishak Institute. Das sei aber unwahrscheinlich, denn Russland habe sich nach dem Einmarsch in der Ukraine immer mehr an China angenähert.

Russland ist seit dem Einmarsch in die Ukraine wirtschaftlich und geostrategisch enorm abhängig von China geworden. In der Tat wird seit langem vermutet, dass Peking Russland unter Druck gesetzt hat, keine BrahMos-Raketen an Vietnam zu verkaufen.

In Hanoi befürchtet man darum, Vietnam habe ohne russische Unterstützung weniger strategische Optionen.

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Das südchinesische Meer ist eine Konfliktzone zwischen Vietnam und China seit vielen Jahren (Archivbild)Bild: Hoang Dinh Nam/AFP/Getty Images

Optionen der westlichen Staaten

Mit Blick darauf, dass Vietnams geopolitisches Gewicht in Asien wächst, dürfte der Westen derzeit darauf verzichten, Vietnam offen unter Druck zu setzen. Er könnte jedoch Handelsbeziehungen nutzen, um Hanoi dazu zu bewegen, etwas auf Distanz zu Moskau zu gehen.

Denn das Handelsvolumen Vietnams mit Russland ist minimal. Im vergangenen Jahr betrug es rund 3,63 Milliarden US-Dollar. Die Handelsbeziehungen Vietnams zu den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union weisen hingegen ein Volumen von 124 Milliarden Dollar beziehungsweise. 63 Milliarden Dollar auf.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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