Proteste dauern an
5. Juni 2013Zum ersten Mal seit Beginn der Proteste in der Türkei hat die Polizei Regierungskritiker festgenommen, die im Internet aktiv waren. Mindestens 29 Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter sind Medienberichten zufolge in Izmir im Westen des Landes in Gewahrsam genommen worden. Ihnen werde Anstachelung zu einem Aufstand, Propaganda und Desinformation vorgeworfen.
Nach den zum Teil gewalttätigen Protesten der vergangenen Nacht versammelten sich auch am Mittwoch wieder Tausende auf den Straßen und Plätzen mehrerer türkischer Städte. Die meisten Kundgebungen verliefen friedlich. In Ankara jedoch setzten die Sicherheitskräfte erneut Tränengas gegen die Demonstranten ein.
In der Hauptstadt kündigte auch eine der führenden Protestinitiativen, die Taksim-Plattform, nach einem Treffen mit Vizeregierungschef Bülent Arinc an, ihren "Kampf" so lange fortzusetzen, bis die Regierung auf ihre Forderungen eingehe. Die Aktivisten verlangen unter anderem den Erhalt des Gezi-Parks in Istanbul, der einem Einkaufszentrum weichen soll. Ferner müsse der Einsatz von Pfefferspray und Tränengas durch die Polizei verboten werden und alle Funktionäre, die für die Gewalt gegen die Demonstranten verantwortlich seien, müssten entlassen werden.
Immer mehr Verletzte
Am Dienstag hatte sich Vize-Premier Arinc im Namen der Regierung bei den Opfern der Auseinandersetzungen für das harte Vorgehen der Polizei entschuldigt. Zu einem Abflauen der Proteste führte diese Geste jedoch nicht.
Der türkische Ärzteverband TTB teilte mit, die Zahl der Verletzten sei mittlerweile auf 4100 gestiegen. Davon seien 43 in einem kritischen Zustand. Früheren Angaben zufolge wurden bei den Protesten zwei Demonstranten getötet. Am Mittwoch gab es zudem Berichte über einen dritten Toten.
Mahnung zu Besonnenheit
Aus dem Ausland mehren sich mahnende Stimmen, die von der Türkei einen weniger brutalen Umgang mit den Demonstranten fordern. Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien universell akzeptierte Grundrechte, die zu gewähren seien, sagte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, in Berlin. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, eine Modernisierung des Staates könne nicht nur auf wirtschaftlichem Aufschwung basieren, sondern müsse sich auch auf Menschenrechte beziehen. Direkte Gespräche zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan habe es jedoch nicht gegeben, so Seibert.
mak/wl (dpa, rtr, afp)