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Politik

Prominentes Mitglied verlässt Erdogans AKP

30. Oktober 2019

Erneut verliert die türkische Regierungspartei AKP ein führendes Mitglied: Der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete Mustafa Yeneroglu tritt aus. Allerdings nicht ganz freiwillig.

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Berlin - Mustafa Yeneroglu in der ZDF Talkshow Maybrit Illner
Bild: picture-alliance/Eventpress Stauffenberg

Gefremdelt hat der türkische Politiker Mustafa Yeneroglu mit der regierenden AKP wohl schon länger. Doch nun ist anscheinend das Fass übergelaufen: Yeneroglu, der bisher als Vertrauter von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan galt, reichte seinen Rücktritt vom Parteivorstand ein, dem er seit 2018 angehörte. Daraufhin habe ihn Erdogan selbst dazu gedrängt, auch die Partei zu verlassen, erklärte Yeneroglu auf einer Pressekonferenz in Ankara.

Zu den Gründen sagte Yeneroglu, er habe es nicht mit seinen Prinzipien vereinbaren können, in manchen Angelegenheiten zu schweigen. Erdogan habe ihn zur Politik gebracht, sagte der Politiker, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Seit den letzten zwei, drei Jahren habe er jedoch Bedenken hinsichtlich der Politik der Partei und diese auch geäußert. Als Beispiele nannte er "die Beschädigung unserer demokratischen Institutionen und die Verletzung der Menschenrechte".

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Keine Hoffnung mehr

Er habe sich insbesondere zu den "Schwierigkeiten" geäußert, welche die Türkei unter dem Ausnahmezustand nach dem Putschversuch von Juli 2016 erlebt habe. "Ich erwarte von den politischen Parteien in der Türkei, dass sie pluralistisch und offen für Partizipation sind", sagte Yeneroglu. Eine konservative Partei dürfe sich Aleviten und Kurden nicht verschließen. Er wünsche sich eine Partei wie zu Zeiten der Gründung der AKP, sagte er. Zuletzt habe er keine Hoffnung mehr gehabt, dass seine Kritik auch gehört werde, räumte der Politiker ein. "Ich glaube wirklich sehr fest daran, dass die Türkei eine genauso starke Demokratie haben kann wie Deutschland, Schweden oder Norwegen."

Möglicherweise werde er auch sein Mandat als Abgeordneter niederlegen, sagte Yeneroglu weiter, der seit 2015 für die AKP im Parlament sitzt und dort zeitweilig dem Menschenrechtsausschuss vorstand. Yeneroglu spricht fließend Deutsch, weil er in Köln zur Schule ging und Jura studiert hat. Der Jurist gehörte vor seinem Wechsel in die Politik zur Leitung der islamistischen Bewegung Milli Görüs.

Yeneroglu als Vermittler

Yeneroglu trat oft in deutschen Talkshows auf. Dabei vertrat er regelmäßig die Linie der türkischen Regierung, bemühte sich aber bei Konflikten mit Deutschland wiederholt auch um Vermittlung, etwa dem Entzug der Akkreditierung von Journalisten. Scharfe Kritik übte er immer wieder an Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland.

Zuletzt trat der Politiker aber auch vermehrt mit Kritik an der Politik der Regierung hervor. Im Fall eines Mannes, der mutmaßlich von den Sicherheitskräften verschleppt wurde, sprach er von einer "Schande" für den Rechtsstaat. Als ein alter Mann kürzlich angegriffen wurde, vermutlich weil er Kurdisch gesprochen hatte, verurteilte Yeneroglu dies auf Twitter als "Barbarei" und sprach ihm auf Kurdisch sein Mitgefühl aus.

In den letzten Monaten waren zahlreiche Politiker aus Erdogans AKP ausgetreten, darunter der ehemalige Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und der ehemalige Vize-Ministerpräsident Ali Babacan. Davutoglu hatte zudem die Gründung einer neuen Partei angekündigt. Auch Babacan will Medienberichten zufolge eine neue Partei gründen.

kle/stu (dpa, afp, rtre)