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Produktionsausfälle bei VW nach Zuliefererstreit

22. August 2016

Die Produktion bei Volkswagen ist runtergefahren. Am Montag gibt es neue Verhandlungen mit zwei Zulieferern. Die Bundesregierung drängt ebenfalls auf eine schnelle Lösung. Ärger mit Lieferanten gibt es auch bei Daimler.

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Warmenau Automobilzulieferer Prevent Firmensitz
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der Streit mit den Zulieferern ES Automobilguss und Car Trim, die zur Prevent-Gruppe gehören, hat spürbare Konsequenzen. Die Unternehmen weigern sich, bestellte Teile für Getriebe und Sitze an VW herauszugeben. Entsprechende Engpässe zwingen VW zunächst bis einschließlich zum Samstag (27. August), die Fertigung des Golf im Stammwerk Wolfsburg komplett herunterzufahren. Wie aus dem Konzern zu hören war, sollen die vor dem Wochenende abgebrochenen Gespräche beider Seiten gegen Mittag fortgesetzt werden.

Inzwischen hat die Bundesregierung zu einer schnellen Verhandlungslösung aufgerufen. Es gehe um tausende Arbeitsplätze, die von Kurzarbeit betroffen sein könnten, sagte am Montag ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Unternehmen hätten eine "hohe Verantwortung", ihre Probleme "so konstruktiv wie möglich anzugehen". Daher erfolge ein "Appell" an die Firmen, "das auch voranzutreiben".
Prevent wirft VW vor, bestimmte Aufträge frist- und grundlos gekündigt zu haben. Dagegen wolle man sich mit dem Lieferstopp wehren. Der Autokonzern fordert hingegen von den Geschäftspartnern, bestehende Liefervereinbarungen einzuhalten.

In der Folge bereitet Europas größter Autobauer nach eigenen Angaben "Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zur Kurzarbeit" vor. Insgesamt könnten 27.700 Mitarbeiter in den Werken in Emden, Wolfsburg, Zwickau, Kassel, Salzgitter und Braunschweig teils noch bis Ende August nicht so arbeiten, wie es eigentlich geplant sei, berichtete VW am Montag. Am stärksten werde die Golf-Produktion im Stammwerk Wolfsburg mit rund 10.000 Mitarbeitern in Mitleidenschaft gezogen, weil wegen des Streits Bauteile fehlen, sagte ein VW-Sprecher.

Wolfsburg Volkswagen-Werk Mitarbeiter
Für eine Woche wird in Wolfsburg die Golf-Produktion gestopptBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Zusammenhang mit Dieselgate?

Der Chef des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Diesel-Abgaskrise im Bundestag, Herbert Behrens (Linke), sieht eine mögliche Parallele zwischen dem VW-internen Sparkurs und dem Problem mit den Zulieferern. "Die Konzernleitung von Volkswagen kürzt jetzt, bis es kracht", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Jetzt werden Folgen des milliardenschweren Desasters, das mit der betrügerischen Abgas-Manipulation verursacht worden ist, einfach weitergereicht", meinte Behrens.

Dass der Abgasskandal und die damit verbundenen Verluste bei VW dazu geführt hätten, bestimmte Zulieferer noch stärker unter Druck zu setzen, bezweifelt Frank Schwope von der NordLB im Gespräch mit der DW: "Ich sehe da keinen Zusammenhang zu der Dieselaffäre. Aber es sind natürlich wieder Negativ-Schlagzeilen, die VW letzten Endes auch Geld kosten, alleine schon wegen der Produktionsausfälle." Ob die Zulieferer jemals zur Schadensregulierung herangezogen werden könnten, stehe in den Sternen. "Man weiß ja auch nicht, wer dort speziell in der Haftung steht, die Töchter oder die ganze Prevent-Gruppe."

Kosten des Konflikts

Wie teuer die Auseinandersetzung für VW wird, hängt von der Länge des Produktionsstopps ab. Bisher wollte sich VW noch nicht zu finanziellen Folgen äußern. In der neuen Woche werden allein in Wolfsburg und Emden pro Tag rund 3450 Autos weniger gefertigt. Da die Kernmarke im ersten Halbjahr im Schnitt an jedem ausgelieferten Wagen vor Zinsen und Steuern 394 Euro verdiente, wären das pro Woche knapp sieben Millionen Euro weniger operativer Gewinn.

Infografik Gewinne und Verkäufe Autokonzerne 1. Halbjahr 2016 Deutsch

Auch bei Daimler kracht es

Volkswagen ist einem Zeitungsbericht zufolge nicht der einzige deutsche Autokonzern, der mit dem Zulieferer Prevent Ärger hat. Beim Landgericht Braunschweig ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe) auch eine Millionenklage von Prevent gegen Daimler anhängig. Die Zulieferergruppe fordere vor Gericht einen finanziellen Ausgleich für Aufträge, die Daimler im Jahr 2013 gekündigt hatte.

Dem Bericht zufolge dürfte es um mehrere zehn Millionen Euro gehen. Darauf deute die Bilanz von Prevent für das Jahr 2014 hin, schrieb die "Süddeutsche Zeitung". In der Bilanz sei von einem weltweit positiven Trend in der Autoindustrie die Rede, der sich allerdings nicht in den Umsatzzahlen von Prevent niedergeschlagen habe. Das liege hauptsächlich an den "im Jahr 2013 gekündigten Aufträgen" der Daimler AG.

Ein Daimler-Sprecher bestätigte auf SZ-Anfrage, dass man sich in einer juristischen Auseinandersetzung befinde, jedoch weiter in "sehr geringem Umfang" mit der Prevent-Gruppe zusammenarbeite. In Braunschweig wird dem Bericht zufolge zwischen Prevent und Daimler außer um Geld auch darum gestritten, welches Landgericht zuständig sei - das in Braunschweig oder das in Stuttgart, dem Sitz von Daimler.

Beständiger Partner - in der Vergangenheit

Eigentlich sind ES und Car Trim mit VW schon lange gut im Geschäft. ES war auch nach Informationen von VW-Aufseher und Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies ein "beständiger" Partner. Verwirrung gibt es nun um die Motive einer dahinter stehenden Firma. "Allerdings gehört zur Wahrheit auch dazu, dass gerade die Prevent-Gruppe (...) sowohl Car Trim wie auch ES erst in den letzten Monaten beziehungsweise Ende letzten Jahres erworben hat", sagte der SPD-Politiker dem Radiosender NDR Info. "Ich glaube, man wird sich schon fragen müssen, was dort gerade stattfindet."

Prevent hat seine Wurzeln in Bosnien, laut Website gibt es international mehr als 30 Standorte, Deutschland-Sitz ist Wolfsburg. Keimzelle des Auto-, Textil- und Möbelzulieferers war das Geschäft mit Schutzbekleidung.

Zulieferer an der Macht?

Nicht zum ersten Mal führen Konflikte mit Zulieferern zu Produktionsausfällen. 1998 etwa verursachten fehlende Türschlösser bei Ford in Köln einen Stillstand in der Produktion. Problematisch wird es immer, wenn ein Zulieferer im sogenannten single sourcing die einzige Bezugsquelle bestimmter Teile ist. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht in diesem Zusammenhang von "Fehlern" bei VW: "Wenn man schon auf single sourcing geht, braucht man eine sehr solide und äußerst stabile Geschäftsbeziehung."

Weil VW rentabler werden will und auch im Gefolge der Abgaskrise verstärkt sparen muss, könnten jedoch einzelne Partner verschnupft auf mögliche Forderungen gesenkter Lieferpreise reagieren. Ende Juni hatte Einkaufschef Francisco Garcia Sanz an Zulieferer geschrieben: "Um Zukunftsthemen finanzieren zu können, müssen wir (...) deutlich effizienter werden. Das wollen wir kooperativ erreichen, aber auch mit der notwendigen Konsequenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

Insgesamt geht es der Branche nach Einschätzung der Ratingagentur Moody's gut: "Die Aussichten für die europäischen Autozulieferer bleiben aufgrund starker Umsatz- und Gewinnzuwächse positiv."

Infografik Wie bewerten deutsche Automobilzulieferer die Geschäftslage? Deutsch

iw/as (dpa, afp, rtr)