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Pro Punktabzug - wir müssen jetzt anfangen

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
25. April 2019

Raheem Sterling hat recht: Der Fußball tut noch nicht genug gegen Rassismus im Stadion. Punktabzüge und Geisterspiele sind eine harte, aber logische und leider notwendige Antwort auf Diskriminierung, meint Joscha Weber.

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Bundesliga 17. Spieltag | Borussia Dortmund vs. Borussia Mönchengladbach | Protest gegen Rassismus
Viele Fans beziehen Stellung gegen Rassismus, andere sehen leider wegBild: Reuters/W. Rattay

Tatort Stadion. Volkswagen Arena, Wolfsburg, 20. März 2019. Während des Länderspiels schreien nach einem Augenzeugenbericht drei offenbar alkoholisierte Fans rassistische Schmähungen von der Tribüne in Richtung Spielfeld. Mit "Neger" oder "Bimbo" verunglimpfen sie den deutschen Offensiv-Star Leroy Sané und fordern stattdessen für Deutschland "einen kleinen Österreicher". Schockierende Szenen, die der Journalist André Voigt später in den sozialen Netzwerken, gegenüber Medien und auch der Polizei zu Protokoll gibt. Fast noch schockierender als die diskriminierenden Äußerungen ist, "dass an diesem Abend in Wolfsburg wirklich niemand neben mir seine Stimme gegen diese Menschen erhoben hatte", wie Voigt in einem "Welt"-Interview später erzählt.

Es ist nur einer von mehreren Rassismus-Vorfällen in diesem noch jungen Jahr. Immer wieder werden Fußballer wegen ihrer Hautfarbe, Ethnie oder auch nur ihres Namens diskriminiert. Lautstark und voller Hass. Und immer wieder reagierte die Fußball-Welt "geschockt" und "getroffen" auf solche Ereignisse, die umgehend wortreich verurteilt wurden. Und dann? Es kommt zum nächsten Vorfall und alles beginnt von vorne. Aber: Es ändert sich nichts.

Diskriminierung schadet allen

Weber Joscha Kommentarbild
DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Mit Sanktionen für Vereine würde der Handlungsdruck gegen Rassismus steigen"

Kein Wunder also, dass Raheem Sterling der Kragen platzt. Der gebürtige Jamaikaner musste sich sowohl im Trikot seines Klubs Manchester City als auch in dem der englischen Nationalmannschaft rassistische Beleidigungen anhören, unter anderem auch bei einem EM-Qualifikationsspiel in Montenegro, bei dem er sich demonstrativ die Ohren zuhielt. Nun fordert Sterling dass Mannschaften, deren Anhänger andere rassistisch beleidigen, drastisch bestraft werden: mit einem automatischen Abzug von neun Punkten sowie drei Geisterspielen. Zugegeben: Dies wäre eine kollektive Strafe für die Verfehlungen einzelner. Aber es ist ein Denkanstoß, den man ernst nehmen sollte.

Denn der Fußball steckt in einer Sackgasse. Europaweite Kampagnen, mit Stars gespickte Werbefilme, Basis-Arbeit von Verbänden und Vereinen haben viele Menschen für das Thema sensibilisiert. Und doch ist das Problem immer noch da. Rassisten nutzen weiterhin das Stadion als gefühlt rechtsfreien Raum, um ihre Hetze zu verbreiten. Und zu viele, die neben ihnen stehen und sitzen, nehmen das so hin, wie es André Voigt in Wolfsburg erlebt hat. Mit einem drohenden Punktabzug könnte sich das endlich ändern. Denn sowohl den rassistischen Rufern als auch ihren Nachbarn im Fanblock würde dann klar, dass so etwas nicht folgenlos bleibt, sondern den Erfolg ihrer Mannschaft gefährdet. Wenn zusätzlich noch Spiele ohne Zuschauer drohen, dürfte jedem Fan klar sein, dass Diskriminierung wirklich allen schadet.

Rassismus wird nicht durch Wegsehen bekämpft

EM-Qualifikationsspiel Montenegro - England | Raheem Sterling, England
Gute Miene zum bösen Spiel: Raheem Sterling gestikuliert beim Montenegro-Spiel in Richtung TribüneBild: picture-alliance/dpa/MB Media Solutions Ltd.

Sterlings Idee ist radikal, aber sie wäre ein starkes Signal. Rassismus im Stadion wird nicht durch Wegsehen bekämpft. Es braucht Sanktionen, die abschrecken und auch aufwecken. Auch die Vereine würden so noch stärker in die Pflicht genommen. Sie müssten auch im eigenen sportlichen Interesse alles dafür tun, dass auffällig gewordene "Fans" draußen bleiben. Ein Abstieg oder eine verpasste Qualifikation für den Europapokal durch Punktabzug wären nicht hinnehmbare Risiken. Der Handlungsdruck gegen Rassismus würde steigen, in den Klubzentralen, in den Fankurven, aber nicht nur dort. Auch Sponsoren werden sich genauer überlegen, wo sie ihre Millionen investieren.

Und deswegen hat Raheem Sterling recht, wenn er sagt: "Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis sich die Dinge ändern, aber wir müssen jetzt damit anfangen."

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