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Politik

Gewalt gegen Flüchtlinge oft nicht erfasst

16. Dezember 2021

Mehrere Organisationen beklagen, viele fremdenfeindliche Übergriffe seien in der Statistik nicht sichtbar. Es fehle an Ressourcen - aber auch an Sensibilität.

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Flüchtlinge aus Griechenland landen in Hannover
Asylbewerber aus einem griechischen Flüchtlingslager nach ihrer Ankunft in Deutschland (Symbolbild)Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und die Amadeu-Antonio-Stiftung werfen den Behörden vor, fremdenfeindliche Gewalt zu bagatellisieren. Selbst Fälle, in denen Flüchtlinge mit Baseballschlägern verprügelt oder Kinder auf dem Weg in die Schule geschlagen würden, tauchten oft gar nicht oder mit langer Verzögerung in offiziellen Statistiken auf. Es könne nicht sein, dass man zwar wisse, wie viele Handtaschen 2020 gestohlen worden seien, aber schwere Körperverletzungen, Anfeindungen und Mordversuche gegen Geflüchtete nicht in den Zahlen sichtbar würden.

Es fehle bei der Polizei an Sensibilität, Aufmerksamkeit und Ressourcen, um solche Straftaten zu verfolgen, erklärten die Organisationen. Sie forderten das Bundesinnenministerium und die Innenressorts der Länder auf, die Zählung zu verbessern und Fälle vollständig und zeitnah mit einer Pressemeldung zu veröffentlichen. Die bisherige Erfassung hinterlasse den Eindruck, man wolle flüchtlingsfeindliche Gewalt unsichtbar und eine zivilgesellschaftliche und journalistische Dokumentation unmöglich machen.

"Hier versagt der Rechtsstaat"

Allein für 2020 erfassten Pro Asyl und die Stiftung in einer Langzeitauswertung mehr als 1600 Angriffe gegen Flüchtlinge. Seit 2015 dokumentierten sie mehr als 11.000 Vorfälle, davon 284 Brandanschläge und 1981 Körperverletzungen. Bundesweit komme es täglich zu durchschnittlich zwei Vorfällen, sagte Tahera Ameer von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Mit der Begründung mangelnden öffentlichen Interesses würden viele davon von den Polizeistellen nicht mehr dokumentiert oder nicht als politische Kriminalität eingestuft. Hier versage der Rechtsstaat; er schütze die Menschen nicht, kritisierte Ameer.

Der Geschäftsführende Leiter des Bundesverbandes psychosozialer Zentren für Überlebende von Folter, Krieg und Flucht, Lukas Welz, sagte, tägliche Bedrohung und Gewalt wirkten sich nachhaltig auf die Lage der Betroffenen aus. Viele Geflüchtete hätten Erfahrungen mit Gewalt und Verfolgung in ihrem Heimatland gemacht und würden dann in Deutschland mit strukturellem Rassismus konfrontiert. Das führe zu weiteren Traumatisierungen.

jj/kle (dpa, afp, epd, kna)