1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stiftungs-Boom

Richard Fuchs7. Juli 2008

Noch nie seit Beginn der Nachkriegszeit hat es in Deutschland so viele Stiftungen gegeben. Ungefähr 100 Milliarden Euro werden so jährlich in Bildung, Kultur, Umweltschutz und Integrations-Projekte investiert.

https://p.dw.com/p/EXjq
Schauspieler proben das Stück "Schöne neue Welt" im GRIPS-Theater in Berlin. Quelle: AP
Generalprobe im GRIPS-Theater in Berlin - durch eine Stiftung lernen hier Kinder das Theater-SpielenBild: AP

15.449 Stiftungen gibt es nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen in Deutschland. Die Stifter sind Firmen, Privatpersonen oder Gruppen, die eines gemeinsam haben: sie wollen mit ihrem Geld und Einsatz die Gesellschaft ein Stück lebenswerter machen. Einige Firmen haben Stiftungen mit mehreren Milliarden Euro Stiftungskapital, beispielsweise Volkswagen, Bosch oder Bertelsmann. Die allermeisten Stiftungen sind aber vergleichsweise klein, mit jeweils weniger als 500.000 Euro Kapital.

Einer dieser Stifter ist Armin Stapel aus Berlin, Rechtsanwalt und Notar, 59 Jahre alt. Armin Stapel gründete im November 2005 die gemeinnützige Stapel-Stiftung. Nach 30 Jahren Berufszeit wolle er etwas von dem weitergeben, was er während seines Lebens positiv erfahren habe, sagt er.

Eine türkische Muslimin mit Kopftuch fährt Inline-Skates. Quelle: dpa
Integration von Migranten - besonders in diesem Bereich sind Stiftungen aktivBild: picture-alliance/dpa

Stapel liegt damit im Trend, denn im Moment vergeht kein Tag, an dem in Deutschland nicht drei neue Stiftungen entstehen. 2007 haben 1134 Deutsche eine Stiftung gegründet, so viele wie nie zuvor. Vor allem beim Thema Integration von Migranten und Bildung greifen die Bürger damit dem Staat unter die Arme.

Großes Theater für kleine Leute

Bei Armin Stapel kam der Ruck nach dem Tod des Vaters. Der hinterließ Stapel einen beachtlichen Nachlass – der Grundstein für das Stiftungskapital. Damit konnte das beginnen, was dem Stifter ganz besonders am Herzen liegt: Die gezielte Sprachförderung bei Kindern. Er gab der Stiftung das Motto “Denken, Lernen und Verstehen” – und knüpfte schnell Kontakte zu einem Kinder- und Jugendtheater in Berlin, dem GRIPS-Theater. Die Idee der GRIPS-Theaterklasse entstand.

Dort können sich Grundschulklassen bewerben, zwischen der dritten und sechsten Klasse neben dem normalen schulischen Unterricht Theater-Arbeit zu üben. "Das heißt die Theater-Pädagogen gehen in diese Klasse, und üben mit ihnen kleine Stücke ein“, erklärt Stapel. Regelmäßige Theater-Besuche, auch mit den Eltern, gehören auch zum Programm der Stiftung.

Kinder in der Aufführung "Das kalte Herz der Schneekönigin" bei den Berliner Märchentagen
Theater für Kinder und mit KindernBild: Berlin Picture Gate

"Da geht dir das Herz auf"

Fünf Theaterklassen an zwei Berliner Grundschulen lernen so erzählen und diskutieren, sprechen und zuhören, Theater spielen und anschauen. Fähigkeiten, die im staatlich organisierten Schulalltag oft verloren gingen, sagt Stapel, nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund. Die Stapel-Stiftung zahlt die Hälfte der anfallenden Kosten. Den Rest übernehmen Schulen und Eltern selbst. Stapel ist von der Resonanz des Projekts begeisert: “Wenn man sieht wie die Kinder die Spielangebote annehmen, sich entfalten können, freudestrahlend einem entgegen laufen - da geht dir das Herz auf“, sagt er.

Jeder vierte packt mit an

Gerade weil ihm der Besuch der GRIPS-Theaterklassen soviel gibt, fühlt Stapel sich auch nicht als Lückenbüßer für verfehlte Schulpolitik. Er findet es wichtig, dass jeder sich engagiert, egal wo.

Lese-Oma im Kindergarten. Quelle: dpa
Ehrenamt ist "in", besonders bei Bildung: Jeder vierte Deutsche unterstützt die Arbeit einer StiftungBild: dpa - Report

Die “Wir-Können-Das-Selbst”-Mentalität der Stifter scheint anzustecken. Nach Zahlen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen ist jeder Dritte Deutsche bereit, die Arbeit einer Stiftung zu unterstützen. Jeder vierte Deutsche tut das sogar bereits. Das Stiften in Deutschland heute wieder schick ist, ist aber auch ein Resultat der Reform des Stiftungsrechts im Jahr 2000. Gezielte Steueranreize bringen die reiche Nachkriegserben-Generation dazu, ihr Geld dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen. So können sich Stifter heute eine Million Euro steuerlich anrechnen lassen. Und auch wer andere Stiftungen unterstützt, bekommt Vorteile. Die Steuervorteile allein machen aber noch keinen Stifter. Armin Stapel sieht es einfach als sinnvollen Zeitvertreib: "Eben nicht nur in der Sonne zu liegen, oder mit einer Yacht herumzugondeln oder Bücher zu lesen", sagt er. "Es geht darum, etwas Positives zu tun."