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Pressestimmen von Samstag, 6. Mai 2006

Annamaria Sigrist5. Mai 2006

Neuregelung bei der Einbürgerung

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Die Kommentare in den deutschen Tageszeitungen an diesem Samstag beschäftigen sich überwiegend mit einem Thema: Die von den Innenministern von Bund und Ländern beschlossene Neuregelung zur Einbürgerung. Danach müssen Ausländer, die einen deutschen Pass beantragen wollen, künftig an einem Integrationskurs teilnehmen und einen Sprachtest absolvieren.

Die OFFENBACH-POST bewertet die Einigung positiv:

"Mit ihren Vorstellungen schießen die Innenminister keinesfalls übers Ziel hinaus. Sie formulieren Selbstverständlichkeiten: Wer Deutscher werden will, muss Sprachkenntnisse nachweisen, Grundwissen über Rechte und Pflichten als Bürger und sich zu Demokratie und Verfassung bekennen. Wer will da widersprechen? Das ist ein faires Angebot."

Die WILHELMSHAVENER ZEITUNG ergänzt: "Selbstverständlich braucht die deutsche Gesellschaft reichlich Zuwanderer. Aber sie braucht Menschen, die sich bewusst zu diesem Gemeinwesen bekennen. Und das besteht eben nicht nur aus der Summe wirtschaftlicher Vorteile, sondern vor allem aus politischen und sozialen Regeln, Rechten und Pflichten sowie der Sprache."

Die KIELER NACHRICHTEN bemerken:

"Das, was Innenminister der Länder beschlossen haben, dient der Integration. Bis vor wenigen Tagen hatte man noch den Eindruck, den meisten Ministern gehe es vor allem um Exklusion - also um den Ausschluss von Ausländern, die dieses Land doch so dringend braucht. Der klein karierte Einbürgerungstest, der einer offenen Gesellschaft unwürdig war, ist nun vom Tisch. An seine Stelle sind Kurse getreten, die helfen sollen statt auszuschließen. Diesem Prinzip widerspricht nicht, dass der Einbürgerung ein Sprachtest und das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung vorausgehen müssen. Beides sind notwendige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fragt:

"Wo bleibt das Positive? Bitte sehr: Dass sich die Innenminister über Parteigrenzen hinweg auf Regeln für die Einbürgerung geeinigt haben, ist ein erfreulicher Fortschritt. Genau wie die Tatsache, dass es Fragebögen, die nach deutsch-nationaler Traditionspflege und Trachtenlook riechen, nun wohl doch nicht geben wird. (...)So weit, das Positive. Doch wer sich nicht blenden lassen mag, der wird auch auf die Rückseite schauen müssen. Und da zeigt sich: Wenn das schon ein großer Erfolg der Integrationspolitik sein soll, dann werden in Deutschland verdammt kleine Brötchen gebacken. Denn sowohl der Kompromiss selbst als auch das, worüber nichts beschlossen wurde, belegen: Der größte Teil der Aufgaben, die mit zukunftsfähiger Migrationspolitik zu tun haben, liegt noch vor uns."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU sieht das Problem der Integration durch die neue Regelung nicht gelöst:

"Mit der Einigung der Innenminister endet fürs erste eine überfällige Diskussion, die leider zum Teil auf Stammtischniveau geführt wurde. Für beide Seiten herrscht nun mehr Klarheit über Grundfesten unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens: für die deutsche Gesellschaft und für einbürgerungswillige Ausländer. Dies allein ist schon ein Wert an sich. Allerdings wird ein weitaus größeres Problem nicht gelöst: Wie jene nicht-integrierten Teile der Gesellschaft eingebunden werden sollen, die den deutschen Pass schon besitzen oder ihn gar nicht haben wollen. An dieser Stelle verbirgt sich der gefährlichere soziale Sprengstoff."

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN heißt es:

"Machen wir uns nichts vor: Auch nach dem Einbürgerungskompromiss will die große Mehrheit der hier lebenden Ausländer gar keinen deutschen Pass. Den meisten reichen die Segnungen des Sozialstaates - und eine einfache Aufenthaltserlaubnis. Die, die kein Deutsch lernen, denen unsere Grundwerte egal sind und für die Integration weiter ein Fremdwort ist, werden also bleiben. Sie mit Fingerspitzengefühl und Druck für unsere Gesellschaft zu gewinnen, ist der nächste Schritt. Ein neuer Kraftakt."

Auch die TAZ aus Berlin glaubt nicht an ein gelungenes Integrationskonzept.

"Die neuen Einbürgerungsregeln, die gestern von der Innenministerkonferenz beschlossen wurden, sind liberal - gemessen an manchen Vorschlägen aus der Union. (...) Bei der Einbürgerung wird ausgesiebt: Den Pass bekommt, wer seine Nützlichkeit beweisen kann. Doch die anderen, die sozial Schwachen, sie werden trotzdem bleiben, ob mit oder ohne deutschen Pass. Man kann sie nicht einfach ausweisen. Und ihre Integration wird nicht erleichtert, indem man ihnen die Teilhabe erschwert."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München schließlich schreibt:

"Nichts gegen eine schöne Einbürgerungsfeier. Und nichts gegen einen Eid auf die Verfassung. Es geht schließlich nicht nur um die Mitgliedschaft in einem Fitnessclub. Aber es wäre auch nicht schlecht, wenn die Minister, die nun dem Neubürger das Grundgesetz vorhalten, sich auch selbst daran hielten - und die künftigen Neubürger nicht als Bürger zweiter Klasse behandelten, denen man die Staatsbürgerschaft quasi nur auf Bewährung gibt."