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Pressestimmen von Mittwoch, 23. Februar 2005

zusammengestellt von Gerhard M Friese22. Februar 2005

Bush bei NATO und EU

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Das beherrschende Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen ist an diesem Mittwoch der Besuch des US-Präsidenten George W. Bush bei der NATO und der Europäischen Union in Brüssel.

So schreibt die Ludwigshafener RHEINPFALZ zum Versuch des neuen Schulterschlusses zwischen dem alten Europa und Amerika:

"Bushs Visite bei der EU war mehr als eine nette Geste. Es war ein deutlicher Hinweis, dass die USA diese Gemeinschaft nicht nur wahr-, sondern auch ernst nehmen - endlich, könnte man sagen... Statt, wie früher, das politische Gewicht der EU gering zu schätzen, sucht Washington nun verstärkten Kontakt zur Union, die somit zu einer wichtigen Plattform der transatlantischen Beziehungen heranwächst. Diese Entwicklung stützt die - im übrigen richtige - These von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Nato sei nicht mehr der 'primäre Ort' für transatlantische Konsultationen und Abstimmungen."

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden nennt einen Grund für die neuerliche Annäherung:

"Bush hat in Brüssel allen Nato-Partnern und EU-Mitgliedern deutlich signalisiert, dass er sie für seinen Kampf gegen Terrorismus sowie für Freiheit und Demokratie als Partner wünscht und braucht. Er wirbt um sie, weil die USA ihren politischen Weg offensichtlich nicht länger stur allein gehen wollen. Unilaterales Vorpreschen kostet nicht nur Sympathien, sondern auf Dauer auch viel Geld."

Die Chemnitzer FREIE PRESSE bleibt vorsichtig:

"Die verbalen Absichtsbekundungen signalisieren ein hohes Maß an zurückgewonnener Übereinstimmung. Das ist gut so. Doch wie diese künftig in praktikable Bündnis-Politik umgesetzt werden soll, bleibt - zumindest vorerst- weiterhin ungewiss. Doch genau das ist die Crux... Über den Irak hinaus gibt es ja schließlich noch diverse andere unterschiedliche Auffassungen zu aktuellen Brennpunkten. So beispielsweise zum Atomprogramm des Iran oder zum Waffenembargo gegen China."

Und die KÖLNISCHE RUNDSCHAU sieht kaum Bewegung auf Seiten Bushs:

"Das Treffen mit US-Präsident Bush lieferte ein weiteres Indiz, dass die Nato allmählich in Ritualen zu erstarren droht. Treueschwüre, Harmoniefloskeln und Versöhnungsgesten ersetzen eine ernsthafte Debatte über Zukunft und Selbstverständnis des Pakts. Ein symbolischer Nato-Beitrag für die Demokratisierung des Irak und ein paar Absichtserklärungen genügten den tonangebenden Amerikanern einstweilen als transatlantischer Beleg für ihren neuen Kooperationswillen."

Ähnlich argumentiert die STUTTGARTER ZEITUNG:

"George W. Bush hat seine Tonlage, nicht aber seine Politik der harten Hand geändert. Er hat weder von der Option der Präventivschläge Abstand genommen, er hat Guantánamo nicht geschlossen, er arbeitet auch nicht wirklich mit den Europäern zusammen, wenn es darum geht, dem Iran eine positive Perspektive ohne Atomwaffen aufzuzeigen. Kriegsmüdigkeit in den USA und Geldmangel zwingen den sendungsbewussten Präsidenten im Augenblick zur Zurückhaltung nicht Einsicht oder Reife."

Auch der in Bamberg erscheinende FRÄNKISCHE TAG warnt vor zu viel Optimismus:

"Das Eis ist nach wie vor dünn, auf dem Bush und seine europäischen Freunde ihr Tänzchen wagen. Das beginnt damit, dass Kritiker des Irak-Krieges wie etwa die Regierungen in Berlin und Paris die ausgestreckte Hand Washingtons als Eingeständnis von Fehlern missdeuten könnten. Aber ein Bush kriecht nicht zu Kreuze, schon gar nicht in Europa. Vom Kern seiner Außenpolitik hat er kein Jota zurückgenommen. Vielmehr wirbt er um tatkräftige Unterstützung für sein Konzept des 'Demokratie-Exports'. Der Ton dabei ist neu, nicht aber die Musik."

Einen kritischen Blick auf den Besuch Bushs in Deutschland an diesem Mittwoch wirft die PFORZHEIMER ZEITUNG:

"Den Sicherheits-Wahnsinn zu hinterfragen, heißt nicht, den Besuch an sich abzulehnen. Wenn ein amerikanischer Präsident eine Reise nach Deutschland ankündigt, sollte er bei aller Kritik stets willkommen sein. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob ein solcher Aufwand gerechtfertigt ist. Schutz ja, aber nicht um jeden Preis. Freundschaft bedeutet auch, Rücksicht zu nehmen. Es wäre an Bush gewesen, seinen Besuch in einer Weise zu gestalten, die den Aufwand in Grenzen hält. So jedenfalls macht er sich unter den Bürgern keine Freunde."