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Pressestimmen von Freitag, 15. Juli 2005

Reinhard Kleber14. Juli 2005

Ergebnisse der neuen PISA-Bildungsstudie / Diskussion über Videoüberwachung zur Terrorabwehr

https://p.dw.com/p/6v3r

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Bildungsstudie stehen im Mittelpunkt vieler Kommentare der deutschen Tagespresse. Die Leitartikler setzen sich außerdem mit der Diskussion über eine Ausweitung der Videoüberwachung zur Terrorabwehr auseinander.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München schreibt zur PISA-Studie:

"Was ist das für ein absurder Ehrgeiz, was ist das für ein aberwitziges Strebertum, unbedingt auf die ersten Ränge vorrücken zu wollen - so als stünde das Heil der ganzen Nation auf dem Spiel, als wäre davon das Ende der Arbeitslosigkeit, die Wiedergewinnung der Konsumfreude und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhoffen? Zu einem nationalen Fetisch ist die vergleichende 'Bildungsstudie' namens Pisa geworden - in Deutschland gibt es nur hier zu Lande den vor Aufregung zappelnden, ungezogenen, weil rücksichtslosen Ehrgeiz, den es braucht, um wie der bayerische Kultusminister von einer 'Champions League' der Bildung zu sprechen."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf gibt zu bedenken:

"Egal ob in Bayern oder Bremen, Baden-Württemberg oder Brandenburg das deutsche Schulsystem bietet noch immer nicht allen Schülern gleiche Chancen. In keinem anderen Industriestaat ist der Schulerfolg eines Kindes so stark abhängig von der sozialen Herkunft wie in Deutschland. Ein Schulsystem aber, das es nicht schafft, Schüler aller Schichten annähernd gleichermaßen zu fördern und zu fordern, wird immer nur mittelmäßige Ergebnisse erzielen. Und ein Alarmsignal ist es, wenn mittlerweile wie selbstverständlich von 'bildungsfernen Schichten' gesprochen wird. Bildungsferne Schichten können wir uns schlicht nicht leisten. Mehr Chancengleichheit ist deshalb das Gebot der Stunde, denn der Standort Deutschland ist auf hochqualifizierte Spitzenkräfte und kreative Köpfe dringend angewiesen. "

Noch skeptischer äußert sich die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:

"Wenn bei der Zeugnisvergabe alle jubeln, ist Misstrauen angebracht. Verkündeten Deutschlands Kultusminister nach PISA-Pleite vor drei Jahren noch den Bildungs-GAU, so wähnen sie sich jetzt als Wegbereiter einer neuen Generation von Dichtern und Denkern. Beide Extreme sind abwegig. Weder hatte das deutsche Bildungssystem je Entwicklungslandniveau, noch gibt es einen Grund für Entwarnung. Der Erfolg bei der bildungspolitischen Aufholjagd wird zudem mit einer allzu frühen Auslese erkauft. Einer Auslese, die eher auf Herkunft denn auf Fähigkeiten achtet."


Und zur Debatte über mehr Videokameras, die bei der Bekämpfung des Terrorismus helfen sollen. Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock merkt dazu an:

"Nach den Anschlägen von London wächst die Furcht vor islamistischem Terror auch in Deutschland. Allerdings sollte mit dieser Furcht nicht Schindluder getrieben werden. Der politische Wettlauf - wer verschärft am schnellsten die Gesetze und schafft die lückenloseste Überwachung - ist in der Demokratie nicht zu gewinnen. Wenn jeder Winkel des öffentlichen Raumes rund um die Uhr auf Video gebannt würde, schaffte das nur ein Scheingefühl von Sicherheit. Zum Selbstmord bereite islamistische Terroristen würden Videoaufnahmen nicht abschrecken - ganz abgesehen von der Datenflut, die keiner bewältigen könnte. Gleichwohl braucht ein demokratisches Gemeinwesen jene Sicherheitsmaßnahmen, die der Bedrohung angemessen sind."

Mit der Videoüberwachung geht vor allem das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin scharf ins Gericht:

"Die aktuelle Debatte illustriert wieder mal zugleich Hektik wie Hilflosigkeit von Politik. Weil es eben d i e Waffe gegen den Terrorismus nicht gibt, wird den Bürgern verstärkte Videoüberwachung von 'gefährlichen Orten' angepriesen. Schaun mer mal - hinterher."

Zum Schluss zitieren wir die FRANKFURTER ALLGEMEINE, die nach den Londoner Terroranschlägen die schwierige Lage der muslimischen Organisationen im Westen beleuchet:

"Sie müssen erleben, dass sie zu den Unschuldigen gehören, gegen die sich der Terror genauso richtet wie gegen die 'Ungläubigen'. Und sie werden doppelt getroffen. Denn an ihre allenthalben versicherte Integrationsbereitschaft richtet sich jetzt die Frage, ob ihre Ansprüche an Liberalität und religiös-kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten die Ursachen von Extremismus und Feindseligkeit nicht eher übertünchen als bekämpfen."