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Pressestimmen von Donnerstag, 8. Mai 2003

Siegfried Scheithauer7. Mai 2003

Debatte um Sozialreformen und Arbeitsmarkt / Der Irak und die Strategie der USA

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Der eskalierende Streit um die Reform der Sozialsysteme und die Massenarbeitslosigkeit dominieren weiter die deutschen Presse- Kommentare. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beleuchtet die Lage der Gewerkschaften:

"Es erregt geradezu Mitleid, wenn die Gewerkschaften im Streit um die Finanzierung des Krankengelds und die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds ihre gesellschaftliche Bedeutung aufs Spiel setzen. Manche Spitzengewerkschaftler haben nicht nur den Anschluss an die ökonomische Wirklichkeit verloren. Sie sehen schon Parallelen zur Entmachtung der Gewerkschaften unter der Nazidiktatur. Mit solchen Tönen aber schaden sie ihrer diffusen Sache nur. Die Hemmschwelle des Kanzlers sinkt, sich mit Hilfe der Opposition und ihrer Mehrheit im Bundesrat gegen Fahnenschwenker und Trillerpfeifer durchzusetzen."

Stellvertretend für die ostdeutschen Meinungsmacher sei hier die MÄRKISCHE ODERZEITUNG zitiert:

"Deutschland bleibt verfangen in Ritualen aus glücklichen west- deutschen Zeiten. Regierung und Opposition, Gewerkschaften und Arbeitgeber spielen ihre alten Spiele. Dabei steht das Sozialsystem vor dem Bankrott und die Massenarbeitslosigkeit birgt sozialen Sprengstoff. Eine wirkliche Veränderung der Misere erreicht man nur, wenn von allen Beteiligten konkrete, für alle schmerzhafte Verabredungen getroffen werden. Veränderungen dieser Größenordnung verdienten dann den Namen Reform."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE klagt an:

"Für die Bundesregierung wird es eng. In unerträglicher Weise verschlechtert sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. (...) Da passt es ins Bild, wenn Arbeitsamtschef Florian Gerster mehr Menschen in Teilzeit-ABM stecken will und die Regierung an einem neuen Beschäftigungsprogramm für Langzeit-Arbeitslose zimmert. Auf diese Weise verschwinden Arbeitslose aus der Statistik", meint die FAZ.

Der MANNHEIMER MORGEN rät:

"Das Stellenangebot richtet sich nach der Konjunktur. Die labile Weltwirtschaft kann Rot-Grün kaum beeinflussen - wohl aber zeigen, dass sie es ernst meinen mit ihrer Reformfreude. Sollten die Lohn- nebenkosten tatsächlich sinken, wäre die Hauptursache der hohen Arbeitslosigkeit gelindert. (...) Sind Unternehmer optimistisch, schaffen sie neue Jobs. Deshalb tut Gerhard Schröder gut daran, sein Reformpaket fest verschlossen zu halten."

Die Zeitung DIE WELT wirft ein Schlaglicht auf das Hin und Her in der Rentenpolitik:

"Endlich hat auch Gesundheitsministerin Schmidt den Ernst der Lage in der Rentenkasse zur Kenntnis genommen. Die Tatsache, dass ihr Haus nun eine Verschiebung der Rentenerhöhung 2004 um sechs Monate prüft, ist de facto ein Eingeständnis, dass die bisherigen Reparatur- maßnahmen am System Flickwerk waren. Dieser Schritt wäre schon bei der Rentenanpassung des laufenden Jahres fällig gewesen. Denn die katastrophale Entwicklung bei den Rententrägern war bereits vor Monaten abzusehen."

Einige Leitartikler verfolgen aufmerksam die Entwicklung im besetzten Irak und die Strategie der USA. Das Wochenblatt DIE ZEIT macht sich Gedanken über das Verhältnis zu den Europäern:

"Amerikaner sind pragmatisch. Sie werden dort von Invasionen absehen, wo Europa Bedrohungen am Verhandlungstisch abbauen könnte. Und sie werden Europas Hilfe bei der Sicherung des Nachkriegsfriedens in Anspruch nehmen müssen. Längst stehen Truppen aus der Alten Welt im Kosovo, in Bosnien oder auch in Afghanistan. Europa betreibt damit ganz nebenbei die Legitimierung des Friedens: Je mehr internationale Militäreinheiten eine halbwegs demokratische Nachkriegsordnung sichern, desto weniger wird diese als Okkupation einer bösen Macht bekämpft werden."

Zu den künftigen Machtverhältnissen in Bagdad liefert DIE RHEINPFALZ folgende Analyse:

"Allen hehren Ansprüchen zum Trotz werden die Amerikaner an den alten Eliten des Landes nicht völlig vorbeikommen - zumindest für eine Übergangszeit. In ihrem Bemühen, die Ordnung wieder herzustellen, eine arbeitsfähige Verwaltung und Wahlen vorzubereiten, werden sie auf Kader der Baath-Partei, auf erzkonservative Geistliche, auf fortschrittsfeindliche Stammes- fürsten oder auf Exilgruppen zurückgreifen müssen. (...) Über allem wachen wird die mächtige Besatzungsmacht. Sonst hätte Washington den Krieg nicht zu führen brauchen."