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Pressestimmen von Donnerstag, 5. Mai 2005

zusammengestellt von Michael Wehling4. Mai 2005

Schröder in der Türkei / Steuerbeschlüsse des Kabinetts

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Die am Feiertag 'Christi Himmelfahrt' an diesem Donnerstag erscheinenden Tageszeitungen beschäftigen sich in ihren Kommentaren vor allem mit dem Türkei-Besuch von Bundeskanzler Gehard Schröder und dem Kabinettsbeschluss zur Steuersenkung für Unternehmen.

Zunächst zu den Gesprächen von Bundeskanzler Schröder in der Türkei. Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt bemerkt:

'Der deutsche Kanzler ist zwar in der Türkei, dennoch aber auch im Wahlkampf von Nordrhein-Westfalen. Und so fällt sein Urteil über die Demokratiedefizite am Bosporus weit schärfer aus. Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass die Türkei noch weit von den EU-Standards entfernt ist. Nur fragt man sich in Ankara, worauf die Europäer eigentlich aus sind. Hoffen sie, dass der Brückenschlag zur moslemischen Welt gelingt, oder setzen sie darauf, die dargebotene Hand letzlich doch wieder zurückziehen zu können?'

Skeptisch zu einer nochmaligen Erweiterung der EU äußert sich die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefald.

'Vielleicht ... trägt die Ernüchterung über den schwierigen Kandidaten Türkei sowie über die eigene Belastbarkeit endlich dazu bei, dass EU-Kommission und -Rat den Bogen nicht überspannen. Gestern Rumänien und Bulgarien, heute Kroatien, Bosnien, Montenegro und morgen Türkei und Ukraine? Vor so viel europäischem Größenwahn kann einem nur Angst und Bange werden.'

Die Gesprächsführung Schröders in Ankara analysiert die NÜRNBERGER ZEITUNG:

'Heißere Themen, etwa Menschenrechtsfragen einschließlich der Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft, ging der Besucher äußerst vorsichtig an - die Gastgeber sind nämlich empfindlich. Das zeigte sich bereits im Vorfeld, als die Türkei in Deutschland massiv die Debatte über den Völkermord an den Armeniern vor 90 Jahren zu verhindern suchte. Erleichtert stimmte Schröder daher der von Ankara vorgeschlagenen Einsetzung einer Historiker-Kommission zu. Bis die zu Potte kommt, der Kanzler ahnt es wohl, werden Jahre vergehen. Egal: Hauptsache die Beitrittsfrage ist bis dahin gelöst'.

Damit zum nächsten Thema, den steuerpolitischen Beschlüssen des Kabinetts. Die LÜBECKER NACHRICHTEN erinnern:

'Es war die Union, die den Job-Gipfel beim Kanzler wollte. Sie drängte auf Absenken des Unternehmenssteuersatzes und auf Entlastung von Familienbetrieben im Erbschaftsfall. Um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, hat die Bundesregierung die Forderungen im Eiltempo übernommen und in Gesetzentwürfe gegossen. Nun ist das der Union auf einmal in der Substanz viel zu wenig. Dazu wird ein Schwarze-Peter- Spiel über die Finanzierung der Erbschaftssteuerpläne inszeniert.'

Der Kommentator des KÖLNER STADTANZEIGER erzürnt der Streit der Parteien. Das Blatt schreibt:

'Man wird das Gefühl nicht los, dass es bestenfalls noch am Rande um die eigentliche Sache geht. Arbeitsplätze? Steuersenkungen? Investitionen? Wen interessierts, wenn man sich den Tag so wunderbar mit parteitaktischen Machtspielchen vertreiben kann? Die Union vermag einer zügigen Umsetzung der im Kern unstrittigen Steuerpläne nicht zuzustimmen. Unterdessen schlingert die SPD zwischen Agenda-Politik und Kapitalismus-Kritik.'

Ähnlich argumentiert die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

'Wen interessiert schon sein Geschwätz von gestern, dass sich eine Senkung der Steuersätze wegen ihrer Wachstum fördernden Wirkung zu maßgeblichen Teilen auch selbst finanzieren kann? Die Union jedenfalls nicht. Der Partei, die sich jeden Tag als Schutzmacht für Wirtschaft und Arbeitsplätze aufspielt, gelingt es vor der NRW-Wahl nicht einmal mehr, im Interesse des Landes einer zügigen Umsetzung der im Kern unstrittigen Steuerpläne zuzustimmen.'

Das MINDENER TAGEBLATT sieht indessen Widersprüche in der SPD. Zitat:

'Ganz so ernst kann die vom SPD-Vorsitzenden Müntefering losgetretene Kapitalismus-Debatte wohl doch nicht gemeint sein, auch wenn sie inzwischen die absonderlichsten und durchaus Furcht erregende Blüten treibt. Doch während in ein und derselben Partei die einen Ungezieferplagen beschwören, schwarze Listen führen und Boykottaufrufe für angebracht halten, senken die anderen im Kabinett die Unternehmens-Steuern - ganz offensichtlich mit dem Ziel, dem dann wohl doch als darniederliegend empfundenen Kapitalismus ein wenig aufzuhelfen... '