1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Donnerstag, 20. Februar 2003

Michael Wehling19. Februar 2003

Europäische Position zu Irak/Urteil gegen Terrorhelfer Motassadeq

https://p.dw.com/p/3Hei

Beherrschendes Kommentarthema in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Donnerstag die Verurteilung des Terrorhelfers Motassadeq zu 15 Jahren Haft.

Zunächst jedoch ein Blick in die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München. Das Blatt beschäftigt sich mit der europäischen Position in der Irak-Krise:

'Auch nach dem Kompromiss von Brüssel bestehen die Unterschiede fort. Der eine, (Frankreichs Präsident) Jacques Chirac, sucht weiterhin Gründe, den Krieg gegen den Irak zu vermeiden, der andere, (Großbritanniens Premier) Tony Blair, will lieber heute als morgen losschlagen. Die gegenseitige Wertschätzung ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Mit Lust am Konflikt legen die beiden ihre Differenzen offen, Gemeinsamkeiten werde wie eine lästige Pflicht registriert.
Die 'Mini-Krise', wie Chirac es genannt hat, ist nur scheinbar
beigelegt.'

Damit zum Hamburger Terror-Prozess. Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG
aus Regensburg schreibt:

'Mit dem gestrigen Urteilsspruch gegen den Marokkaner Mounir El Motassadeq hat das Hanseatische Oberlandesgericht zu Recht juristische Härte gezeigt und - ungewollt - ein Stück Weltgeschichte geschrieben. Der zur Höchststrafe von 15 Jahren verurteilte Handlanger der Selbstmord-Todespiloten vom 11. September 2001 war der
weltweit erste Terrorist, der in diesem Zusammenhang juristisch zur Verantwortung gezogen wurde.'

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es:

'Nun hat es erstmals ein Gericht festgestellt: Es gab eine Gruppe militanter Islamisten in Hamburg, deren Hass auf den Westen in den Massenmord vom 11. September 2001 mündete. Zu klären bleibt, wie lange die Terrorzelle schon im Visier der Behörden war und warum diese tödliche Gefahr nicht früher erkannt und gebannt werden konnte.'

Die Tageszeitung DIE WELT führt aus:

'Dieses Urteil führt ... auch zurück zu den Ursprüngen der aktuellen Irak-Debatte, zu Terror und Weltbedrohung. Es zeigt Deutschland als Ruheraum der Terroristen wie auch als Rechtsstaat, der ebenso schnelle wie überzeugende Urteile kennt. Allein solche Urteile, nicht vage Kollektivschuldsprüche gegen Unbekannt können eine tragfähige Basis für den Kampf gegen den Terror sein.'

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG weist auf einen andreren Aspekt hin:

'Dieses schnelle und deutliche Urteil wirkt sich gewiss nicht
schlecht auf das angeschlagene deutsch-amerikanische Verhältnis aus, doch eine diplomatische Geste hatten die Richter hoffentlich nicht im Sinn. So wie die Bundesrepublik souverän entscheiden muss, wie sie zu einem Irak-Krieg steht, so ist es Sache der Justiz, frei von äußerem Druck über Schuld oder Unschuld zu richten. Der Rechtsstaat sollte im
Kampf gegen skrupellose Glaubenskrieger ebenso korrekt wie entschlossen handeln. Das ist er nicht nur den über 3.000 Toten von New York schuldig.'

In der ALLGEMEINEN ZEITUNG, sie erscheint in Mainz, ist zu lesen:

'Dass in Hamburg auf Druck politischer Stellen und mit
Rücksicht auf Sicherheitsinteressen nicht alle Beweise auf den Tisch kamen, werteten die Richter in keiner Weise negativ für Motassadeq. Was an Belastendem offenkundig wurde, bildete eine tragfähige Basis für das Urteil. Der Fall war eine enorme Herausforderung für die Justiz des Rechtsstaats Deutschland. Sie hat sie bestanden und damit Maßstäbe dafür gesetzt, welchen Geist Terroristenprozesse weltweit, vor allem auch in den USA, atmen sollten.'

Die FREIE PRESSE aus Chemnitz bemerkt:

'Der spektakuläre Prozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht hat den Deutschen erneut vor Augen geführt, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nie nur eine Angelegenheit der USA oder
des Nahen Ostens gewesen ist. Der Terror hat auch in deutschen Städten seine Netze gesponnen... '

Absckließend ein Auszug aus der MÄRKISCHEN ALLGEMEINEN, die in Potsdam herausgegeben wird:

'Die Botschaft des Urteils im Hamburger Terroristen-Prozess ist zu begrüßen: Wer zum Angriff auf die westliche Werte-Gemeinschaft rüstet, kann nicht mit Nachsicht rechnen. Und doch schleicht sich Skepsis ein. Es scheint sich auf juristischer Ebene fortzusetzen, was auf exekutiver längst offenbar ist: Dass nämlich den neuen Formen des internationalen Terrorismus' mit rechtsstaatlichen Mitteln nur schwer beizukommen ist.'