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Pressestimmen von Donnerstag, 2. August 2007

Christoph Schmidt1. August 2007

UN-Friedenstruppe für Darfur / Debatte um AKW-Sicherheit

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Bedeutet diese Entscheidung das Ende von Mord, Elend und Vergewaltigung in Darfur? - Der Weltsicherheitsrat hat die Entsendung einer 26.000 Mann starken Friedenstruppe in die sudanesische Krisenprovinz beschlossen, wo die Menschen seit Jahren von arabischen Reitermilizen verfolgt und terrorisiert werden - begleitet vom diplomatischen Gezerre um weltpolitische Reaktionen. Die Pressekommentare nehmen das Ergebnis von New York kritisch in den Blick. Ein weiteres Thema dieser Presseschau ist die anhaltende Debatte um die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke.

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG schreibt zu einer Friedenstruppe für Darfur:

'200.000 Tote, mehr als zwei Millionen Vertriebene. Die Öffentlichkeit nimmt dennoch kaum Notiz vom Leiden in Darfur. Allenfalls wenn ein Hollywoodstar zu Weihnachten ein sudanesisches Kind mit Hungerbauch und Fliegen in den Augen besucht, gibt es einen kurzen Moment der Betroffenheit. Was sollte man auch tun? Noch eine Friedenstruppe auf den hoffnungslosen afrikanischen Kontinent schicken? Der UN-Sicherheitsrat hat sich genau dafür entschieden, und das ist richtig so. Es ist ein erster Schritt gegen das Massentöten.'

In der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU heißt die Bilanz:

'Die bisherige Friedenstruppe, zumeist aus Nachbarstaaten, war nie in der Lage, Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten. Nun also der Neuanfang mit einer - auf dem Papier - schlagkräftigen Truppe. Viel hängt davon ab, wie schnell tatsächlich so viele Soldaten vor Ort sein können - und wie die Truppe zusammengesetzt ist. Ohne Nato-Beteiligung wird es nicht gehen. Das Dilemma: Wie die Bundeswehr sind viele Nato-Mitglieder mit Einsätzen auf dem Balkan, in Libanon, Afghanistan oder Irak an der Grenze des Leistbaren.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt auf die Rolle der sudanesischen Führung, die die Banden in Darfur jahrelang unterstützt hat:

'Bisher hat Khartum erfolgreich auf Zeit gespielt, und das wird es auch weiterhin tun. Schließlich hat der Sicherheitsrat schon im vergangenen Jahre die Grundsatzentscheidung über die Truppe getroffen. Nur Optimisten erwarten, dass sie wirklich Ende 2007 in Darfur in voller Stärke im Einsatz sein wird. Das Regime wird bis dahin alles tun, um die Lage auf seine Weise zu beruhigen. Kaum etwas hat Khartum so gefürchtet wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch UN-Soldaten. Es will sich nicht stören lassen, etwa bei der Ansiedlung arabischstämmiger Nomaden.'

Und die Koblenzer RHEIN-ZEITUNG analysiert:

'Die UNO will nach dem Ruanda-Desaster ihr Afrika-Image aufpolieren. Den Chinesen ist alles Recht, wenn sie den Zugriff auf das sudanesische Öl behalten. Die Amerikaner hätten nur allzu gern einen Fuß in der Tür des afrikanischen Rohstoffgiganten, sei es auch über den Umweg der humanitären Hilfe. Und die Regierung in Khartum ist vermutlich nur einverstanden, weil das UN-Mandat so weich ist. Um das Massensterben zu verhindern, müsste die internationale Truppe alle Milizen entwaffnen. Doch genau das bleibt ihr verwehrt - ein Geburtsfehler.'

Themenwechsel: Nach den Störfällen in mehreren Atomkraftwerken, über die von den Betreibern teils nur scheibchenweise informiert wurde, hat Umweltminister Sigmar Gabriel über die Risiken deutscher AKWs beraten. Im Umweltsausschuss des Bundestages warf er den Konzernen eine miserable Sicherheitskultur vor. Für die Reparatur von Sicherheitsmängeln kündigte er kürzere Fristen an. Damit steht die Debatte um die Kernkraft abermals im Mittelpunkt der Pressekommentare.

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint:

'Alte, abgeschriebene Meiler bringen den Konzernen täglich eine satte Million Euro Extra-Gewinn. Kein Wunder, dass die Versorger am liebsten ihre alten Anlagen länger und dafür die jüngeren kürzer laufen lassen wollen. Nach den Pannen und darauf folgenden Vertuschungsversuchen in Krümmel und Brunsbüttel dürfte die Bevölkerung nur spärliches Verständnis für derartige Vorschläge aufbringen. Auch wenn Atomlobbyisten unbeirrt ihr Mantra 'Deutsche Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt' flöten, Zweifel sind angebracht.'

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER kommentiert:

'Keine Frage, die Pannenserie in den von Vattenfall betriebenen Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel muss restlos aufgeklärt werden. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die jüngsten Vorfälle den Atomkraftgegnern gar zu gut ins Konzept passen. Gabriel musste zugeben, dass er keine rechtliche Handhabe hat, Vattenfall die Betriebsgenehmigung zu entziehen. Gäbe es Sicherheitsmängel, wäre das keine Frage. Doch die jüngsten Pannen waren nicht einmal Störfälle. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Sicherheitsüberprüfungen der Atomaufsicht engmaschiger sein sollten. Nur: Warum hat das eigentlich Rot-Grün nicht schon umgesetzt?'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht die Ambitionen des Umweltministers kritisch:

'Die hundsmiserable Öffentlichkeitsarbeit im Vattenfall-Konzern nach den Störfällen kommt Gabriel gerade recht, um sich als Super-Protektor der Ökologie in Szene zu setzen. Gestern die Sondersitzung des Umweltausschusses mit einer sorgenzerfurchten Stirn: Das hat etwas von theatralischer Inszenierung. Der Minister braucht nur das Wort Krümmel bedeutungsschwer auszusprechen und das Fernsehen zeigt zum wiederholten Mal die Bilder von schwarzen Rauchschwaden.'

Die PFORZHEIMER ZEITUNG beurteilt die Rolle des Minsters mit weniger Misstrauen:

'Gabriel macht seine Arbeit genau und mit großem Eifer. Das ist vor allem beim Thema Atomkraft zu begrüßen. Hier die Zügel schleifen zu lassen, wäre grob fahrlässig. Deshalb ist die Union doppelt schlecht beraten, wenn sie dem Minister anlässlich der Sondersitzung im Bundestag zu den Kraftwerks-Pannen einen Feldzug gegen die Kernenergie unterstellt. Der SPD-Mann mag zum Atomstrom stehen, wie er will: Es ist seine Pflicht, die skandalösen Vorgänge der vergangenen Wochen bis ins Detail zu untersuchen.'