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Pressestimmen von Dienstag, 22. April 2003

Hans Ziegler21. April 2003

Nachkriegs-Irak/ SARS/ Ostermärsche

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In den Kommentaren der deutschen Tagespresse gibt es an diesem Dienstag zwei zentrale Themen - die Lage im Nachkriegsirak und die weitere Ausbreitung der Lungenkrankheit SARS. Außerdem finden die Ostermärsche Beachtung. Zunächst zum Irak.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht die USA im Nachkriegsirak vor große, aber nicht unlösbare Augaben gestellt:

'Die amerikanische Politik ist mit dem Makel behaftet, den Irak durch einen Angriffskrieg ohne ausdrückliches Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erobert zu haben, für dessen Hauptrechtfertigungsargument, die Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen, bisher Belege nicht erbracht werden konnten. Gänzlich getilgt werden kann dieser Makel auch durch eine gelungene Aufbauleistung nicht; aber in der politischen Bewertung durch die Iraker und die Araber allgemein würde er wohl deutlich gemildert, wenn ein freiheitlich-rechtsstaatliches Gemeinwesen im Irak und ein Sicherheitsgewinn für die Region erreicht werden könnten.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt:

'Was fehlt ist die ordentliche Idee, ein politischer Prozess, der dem Irak zu Stabilität verhilft. Zugegeben: Auch die Kritikaster in Europa haben nur Warnungen zu verschenken. Noch aber verfügen die US-Truppen über die Autorität, etwa eine Konferenz der politischen und religiösen Fraktionen zu erzwingen. Voraussetzung dafür wäre, dass Washington selbst weiß, welche Ordnung es im Irak will.'

Themenwechsel und zur Ausbreitung der Lungenkrankheit SARS. DIE WELT warnt vor Panikmache:

'Bei jedem Auftreten einer neuen und damit unheimlichen Seuche treten regelmäßig zwei wenig hilfreiche Grundmuster der Reaktion auf: Beschwichtigung und Panikmache. Nicht nur Beschwichtigung, sondern sogar Vertuschung müssen sich im Falle der Lungenkrankheit SARS die Verantwortlichen in China vorwerfen lassen. Offenbar ist das Virus gefährlich genug, um einen mächtigen Minister zu stürzen. Verglichen
mit den jährlichen Grippe-Epidemien, darf uns SARS immer noch als vergleichsweise harmlos erscheinen. Doch noch kennen wir seine Dynamik nicht genau. Kein Grund zur Panik, aber auch keiner zur Entwarnung. Am klügsten ist es, mit SARS vorerst so umzugehen, als sei die Krankheit extrem gefährlich.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN kommentieren:

'Jetzt ist raus, was die Welt schon seit Wochen vermutete: In China grassiert die gefährliche Lungenkrankheit SARS in einem erheblich größeren Ausmaß, als die Volksrepublik bisher bereit war zuzugeben. Erste personelle Konsequenzen wurden gezogen: Der Gesundheitsminister und der Pekinger Bürgermeister mussten ihre Posten räumen. Dennoch: Absichtliche Geheimniskrämerei oder Vertuschung gar wiesen die politisch Verantwortlichen weit von sich. Schon gar nicht in den Sinn kam es ihnen, sich beim eigenen Volk oder bei den Nachbarstaaten für die Fehler zu entschuldigen oder um Verständnis und Unterstützung zu bitten. Ein Verhalten, das für China noch bittere Folgen haben könnte wirtschaftlich wie politisch.'

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock wertet SARS als Gefahr nicht nur für China, sondern als weltweite Bedrohung:

'Endlich, nachdem sich die Krankheit inzwischen in elf Provinzen und Metropolen ausbreiten konnte, nachdem sie allein an diesem Wochenende in Hongkong 19 Menschenleben forderte, nehmen die Behörden die Seuche ernst. Der SARS-Virus ist eine globale Bedrohung. Dies um so mehr, als es noch kein Wissen um seine Ausbreitung, also auch noch keinen Schutz im Alltag vor ihm gibt. Es müssen alle Daten erfasst und der Seuchenforschung zur
Verfügung gestellt werden. Den besten Nährboden finden die Viren in der Verschleierung, wie das Beispiel China beweist.'

Abschließend die FRANKFURTER RUNDSCHAU, die die Ostermärsche in den Blick nimmt:

'Vergleicht man die Demonstranten-Zahlen dieses Osterwochenendes mit den Massenkundgebungen zu Beginn des Irak-Kriegs, dann darf man als Friedensfreund enttäuscht sein. Allerdings: Das Engagement der Tausende lässt sich auch an den Abgesängen messen, mit denen die Unbeugsamen, die Jahr für Jahr zum Protest riefen, lange zu leben hatten. Dann finden sich, auch jenseits blanker Zahlenhuberei, durchaus Hoffnungsschimmer: Längst nicht alle, aber einige der Jüngeren, die im März auf die Straße gingen, scheinen an Ostern wieder da gewesen zu sein. Und manch einer wird wohl weiter arbeiten in Friedensgruppen oder bei attac - auch wenn ihm die Mächtigen der Welt das Nein nicht immer so leicht machen werden wie George W. Bush mit seiner so offensichtlich falschen Irak-Politik.'