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Pressestimmen von Dienstag, 21.Mai 2002

ausgewählt von Ulrike Quast.24. Mai 2002

Stoiber auf dem Studetendeutschen-Tag / Streit um FDP-Neumitglied Karsli / Deutschland vor dem Bush-Besuch /

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse widmen sich an diesem Dienstag dem Streit um die Benes-Dekrete, den Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber mit seiner Rede auf dem Sudetendeutschen-Tag in Nürnberg neu entfacht hat. Aber auch die Liberalen und ihr Neumitglied Jamal Karsli und der bevorstehende Deutschlandbesuch von US-Präsident George W. Bush beschäftigen die Kommentare.

Zu Stoibers Forderung, die umstrittenen Benes-Dekrete zur Vertreibung der Sudetendeutschen müssten aus der Welt geschafft werden, bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Ein Kanzler Stoiber, der die Prager Geschichtsvereinfachungen zum Vorwand nimmt, die EU-Osterweiterung zu blockieren, hätte Europa gerade noch gefehlt. Mit dem reflexhaften Bedienen der traditionellen CSU-Klientel erweist sich der Kandidat der Gesamt- Union, kaum spricht er einmal Klartext, als zutiefst provinziell und nicht europatauglich. In Prag fehlt die Bereitschaft, Unrecht auch dann Unrecht zu nennen, wenn es von Tschechen begangen wurde. Zu einem neuen europäischen Anfang aber wird dieser Brückenschlag gehören müssen. Weder Entschädigungsillusionen der Sudeten- Funktionäre noch die deprimierenden Prager Heldenfantasien rund um die überkommenen Benes-Dekrete helfen weiter. Wer wirklich an Europa bauen will, muss das Revanchedenken beenden? Weil es letztlich immer nationalistisch ist.'

Der MANNHEIMER MORGEN schreibt zur Position der Tschechen:

'Neben der sich selbst nährenden Propaganda gibt es in Tschechien - unter Politikern und der Bevölkerung gleichermaßen - auch die handfeste Befürchtung, dass eine Aufhebung der Dekrete massive Eigentumsforderungen von deutscher Seite nach sich ziehen könnte. Das heikle Thema, inzwischen auch bei der Linken in Deutschland angekommen, gehört auf die politische Tagesordnung, allerdings nicht im Wahlkampf.'

Schließlich die DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN:

'Um die Sudetendeutschen ist ein knallharter Wahlkampf entbrannt. So fischte Unionskanzlerkandidat Stoiber auf dem Pfingsttreffen der Vertriebenen nach Stimmen und machte die Aufhebung der Benes-Dekrete zur Voraussetzung für den EU-Beitritt Tschechiens. Zwar plädierte mit Innenminister Schily erstmals auch ein Mitglied der rot-grünen Regierung für die Streichung der diskriminierenden Dekrete. Aber er baute aus der berechtigten Forderung keine Hürde für den EU-Zugang und suchte auch sonst nach verbindlicheren Tönen.'

Die RHEIN ZEITUNG aus Koblenz widmet sich den Liberalen:

'Kaum vorstellbar, was da binnen einer Woche mit den Liberalen passiert ist. Überschwang und Aufbruchstimmung des Mannheimer Parteitages sind verflogen. Zank, Streit und wüste Drohungen beherrschen die innerparteiliche Bühne. Ein wahres Affentheater! Dazu ein zaudernder Kanzlerkandidat Westerwelle, der durch sein tagelanges taktisches Abtauchen eine unerwartete Führungsschwäche offenbarte. Erst nachdem nahezu alles, was in der FDP Rang und Namen hat, sich von Möllemanns Position distanziert hatte, zeigte der quirlige Parteichef Flagge. Zu spät, Herr Kandidat. Erste Bewährungsprobe nicht bestanden!'

Der EXPRESS aus Köln schreibt dazu:

'Der Fall Karsli ist längst ein Fall Möllemann, den sein Parteifreund Solms einst wegen seiner Unberechenbarkeit einen 'Quartals-Irren' genannt hat. Man kann es auch netter wie der FDP-Politiker Baum ausdrücken: Möllemann 'steht und spricht nicht mehr für die FDP'... Als Chef und Kanzlerkandidat einer liberalen Partei muss Westerwelle die Zeitbombe Möllemann ein für allemal entschärfen.'

Zu guter Letzt zum bevorstehenden Besuch des amerikanischen Präsidenten. Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg kommentiert:

'Berlin rüstet sich für den Besuch von US-Präsident George W. Bush. Während noch ein mögliches Vorgehen gegen linke Demonstranten diskutiert wird, stellen Meinungsforschungsinstitute ihre neuen Umfrageergebnisse zum Verhältnis zwischen Deutschland und den USA vor... Fazit: Die Zustimmung der Deutschen zur US-Außenpolitik sinkt. Das Verhältnis zwischen Berlin und Washington kühlte im Zuge der Anti-Terror-Politik ab... Weder Geringschätzung der Europäer noch Ignoranz gegenüber ihren Ansichten und Wünschen wären der transatlantischen Partnerschaft förderlich; europäische Arroganz und Antiamerikanismus allerdings auch nicht.'

Und die Tageszeitung DIE WELT meint:

'Doch wie unter Freunden üblich möchte Deutschland auch als gleichberechtigter Partner anerkannt werden. Davon kann freilich keine Rede mehr sein. Die Vereinigten Staaten haben sich als Supermacht zu weit über alle anderen Nationen erhoben, als dass sie noch irgendein Land als gleichberechtigt akzeptieren würden. Das schafft hier zu Lande verständliches Unbehagen. Partner brauchen die Amerikaner gleichwohl.'