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Pressestimmen von Dienstag, 21. August 2007

Michael Wehling20. August 2007

Hatz auf Inder im sächsischen Mügeln

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Rund 50 Deutsche haben bei einem Stadtfest im sächsischen Mügeln Jagd auf acht Inder gemacht. Die Öffentlichkeit in Deutschland reagierte mit Empörung. Auch die Kommentatoren der Tageszeitungen fällen harsche Urteile.

In der in Rostock erscheinenden OSTSEE-ZEITUNG heißt es:

'Die feige wie brutale Treibjagd bei einem sächsischen Altstadtf est sollte man keinesfalls als Folge einer eskalierten Kirmes-Keilerei verharmlosen. In Mügeln fielen «Ausländer raus!» - und andere rechtsradikale Parolen. Hier war eine Horde Neonazis samt Sympathisanten auf Fremdenhatz. Hier gab es untätige Gaffer. Hier, wo dumpfe Intoleranz und Fremdenhass offenbar wurden, ist Nulltoleranz dagegen gefragt. Denn Mügeln ist kein Einzelfall: Im Vorjahr gab es bundesweit im Schnitt täglich (!) wenigstens zwei rechtsextreme Übergriffe.'

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld kritisiert:

'Es sieht nach einer Strategie des Verschweigens und Herunterspielens aus. Polizei, Gemeinde aber auch die Bürger, die bei diesem Altstadtfest dabei waren, sind aufgefordert, gegen diesen Rassismus aufzustehen und ihn zu benennen. Das Schweigen ermutigt die rechtslastigen Schläger nur zu immer neuen Übergriffen, wenn ihre Taten heruntergespielt oder entschuldigt werden. Der Staat und seine Bürger müssen ihnen unmissverständlich klar machen, dass für ihre Gesinnung und ihr Verhalten kein Platz in dieser Gesellschaft ist'.

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG, sie erscheint in Halle, führt aus:

'Mögen Ursachen und Hergang der Ausschreitungen noch klärungsbedürftig sein, nach den Attacken auf eine Gruppe von Indern und entsprechenden Rufen scheint doch festzustehen, dass es hier einen latent ausländerfeindlichen Hintergrund gibt. Wie benebelt vom Alkohol die Köpfe der Angreifer auch gewesen sein mögen. - Nun aber kommt nicht die Stunde der Aufklärung, sondern die der ratlos rotierenden Reflexe. Die Polizei sieht keine Anhaltspunkte für einen rechtsradikalen Hintergrund, der Bürgermeister ist betroffen und beteuert, dass es keine Neonazi-Szene in seinem Ort gibt. Und mancher wird deshalb sein Bild vom Osten als Hort rechter Gewalt einmal mehr bestätigt sehen.'

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg hebt folgenden Aspekt hervor:

'Immer wenn es um die Senkung des Solidaritätsbeitrags geht, wird gerne auf den Fortschritt in Ostdeutschland verwiesen: Beste Straßen, hervorragend restaurierte B auten, Prestigeprojekte in den großen Städten. Doch hinter diesem Wohlstand und vor allem abseits der Zentren hat sich eine Verliererkultur etabliert, die ihren Frust immer unverhohlener mit Gewalt auslebt. Mögliche Opfer sind zwar in erster Linie, aber nicht ausschließlich Ausländer. Der Zorn richtet sich auch gegen den reichen Westen, der die Osthälfte des Landes längst hinter sich gelassen hat - ohne das zu merken.' Der Konstanzer

Der SÜDKURIER fragt:

'Woher kamen die Täter? Waren sie organisiert? Schauten die Festbesucher wirklich tatenlos zu? Feuerten manche die Gewalttäter sogar durch Zurufe an? Auf Fragen wie diese ist der Freistaat Sachsen eine Antwort schuldig. Rechtsradikale Täter handeln stets in einem Umfeld. Blinzeln ihnen Außenstehende in klamm heimlichem Einvernehmen zu, fühlen sie sich bestärkt. Was sich in Mügeln zeigte, gibt es keineswegs nur in der Wirtschaftswüste der neuen Bundesländer. Dennoch, dort reichen die Wurzeln nun einmal am tiefsten. Sie freizulegen und auszureißen, bleibt eine gesamtdeutsche Aufgabe.'

Der NORDKURIER aus Neubrandenburg schreibt:

'Die Ausschreitungen gegen Inder in Mügeln sind gewalttätiger Ausdruck einer Grundstimmung, zu deren Folgen der Einzug von NPD-Leuten in die Landesparlamente in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zählt. In der Gruppe und oft unter starkem Alkoholeinfluss fühlen sich Schläger ermutigt, 'Volkes Willen' zu vollstrecken. Für diese Täter kommen gut gemeinte Anti-Gewalt-Projekte zu spät. Die Attacken auf die Opfer müssen strafrechtl ich geahndet werden. Der Vorstoß der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt, rechtsextreme Gewalt bundesweit härter zu bestrafen, hat in Mügeln ein weiteres Argument gefunden.'