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Pressestimmen von Dienstag, 18. Dezember 2007

Siegfried Scheithauer17. Dezember 2007

Putins Ambitionen

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Der scheidende Kremlchef Putin will weiter an den Schalthebeln der Macht bleiben. Nach dem zu erwartenden Sieg seines Vertrauten Medwedew bei der Präsidentenwahl sieht Putin seine Zukunft in der Rolle als Ministerpräsident. Diese Moskauer Tandem-Lösung hat auch noch einmal die deutsche Tagespresse beschäftigt.

Die STUTTGARTER ZEITUNG kommentiert:

"Wladimir Putin ist mit Russland noch lange nicht fertig, und er verfolgt einen Plan. Der Präsident sprüht bei jedem seiner öffentlichen Auftritte nur so vor Energie. Putin ist ein Mann für die Überholspur, nicht für das Abstellgleis. Er will die Geschicke des Riesenreiches weiter lenken. Seit gestern ist auch bekannt, in welcher Form er das offiziell zu tun gedenkt: als Ministerpräsident."

Die Analyse der DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN liest sich so:

"Nun ist die Katze aus dem Sack: Russland wird wohl auch nach 2008 Putin-Reich bleiben. Doch sein Schachzug ist nicht frei von Risiken. Bislang brummt der russische Bär nur deshalb so kräftig, weil das heimische Gas und Öl zu Rekordpreisen verkauft werden kann. Dies muss nicht so bleiben. Zudem ist im Moskauer Politikbetrieb dem Ministerpräsidenten meist wenig Glamour vergönnt. Der Regierungschef dient eher als Watschenmann für allerlei Ärgernisse im Riesenreich. Gut möglich deshalb, dass Putin weiter der König auf dem russischen Machtschachbrett bleibt - allerdings deutlich weniger geschützt, als er es bislang gewohnt ist."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock hat weniger Zweifel bei der Rochade Putins und schreibt:

"Das System Putin funktioniert: Es zu ändern, daran wird der Wirtschaftsliberale Medwedew als Putins Statthalter im präsidialen Amtssitz in der alten Zarenburg kein Interesse haben. Putin hat sich als Garant für Russlands enormes Wiedererstarken als Weltmacht erwiesen. Deshalb wird seine Position nicht in Frage gestellt. Erst recht nicht, wo es nun Putin im Doppelpack gibt."

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG erwartet etwa dieses Machtszenario:

"Es ist zu vermuten, dass Putin sich als Premier dem neuen Präsidenten Medwedew nur formal, aber nicht faktisch unterordnen will. Er vertraut hier offenbar der alten Freundschaft zu Medwedew und dem Netzwerk vieler Getreuer im Kreml und in den Geheimdiensten. Aber lassen sich durch solche Verbindungen die Gewichte der russischen Verfassung tatsächlich dauerhaft verschieben? Man erinnere sich. Auch Putin wirkte zu Beginn als Präsident wie ein Verlegenheitskandidat. Dann griff er durch. Der Clan seines Vorgängers Boris Jelzin verschwand schnell von der großen politischen Bildfläche."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf hinterfragt Hoffnungen des Westens auf weniger Zentralismus und mehr bürgerliche Freiheiten:

"Label wie 'liberal' oder 'Falke' taugen nicht viel, auch wenn sie oft benutzt werden, um russische Politiker einzuordnen. So lehnte Medwedew beispielsweise das Vorgehen im Kampf gegen den Ölkonzern Jukos und seinen Eigentümer Michail Chodorkowskij ab, das maßgeblich vom Setschin-Clan geprägt war. Dabei mag es jedoch weniger um Recht und Menschlichkeit gegangen sein als vielmehr um die Frage: Wer bekommt die Beute Rosneft oder Gazprom? Die Tatsache, dass er öffentlich gegen die Kreml-Ideologie der 'souveränen Demokratie' äußerte, Demokratie brauche keinen Zusatz, macht Medwedew noch lange nicht zum Demokraten."