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Presseschau von Freitag, 22. November

Ulrike Quast21. November 2002

NATO-Gipfel in Prag / Versuche zur Reform der Sozialsysteme

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Dominierendes Thema der Presse-Kommentatoren ist der NATO-Gipfel in Prag und die Frage, welche Weichen auf dem Treffen für die Zukunft der Allianz gestellt wurden. Daneben findet die neugeschaffene Kommission zur Reform von Renten-, Pflege- und Krankenversicherung Beachtung.

Die Tageszeitung DIE WELT meint:

"In Prag hat der Pragmatismus gesiegt: besser eine dynamische NATO im Griff und unter Führung der USA als eine Allianz, die den traurigen Weg sterbender Bürokratien geht. In Prag drängten die USA die NATO in den Beschluss für eine Schnelle Eingreiftruppe aus europäischen Elitesoldaten. Allen Kassandrarufen zum Trotz, die neue NATO-Truppe werde von den Amerikanern als 'Fremdenlegion' eingesetzt, so mag am Ende die von den USA entworfene neue NATO gar die stockenden europäischen Bemühungen um den Aufbau einer eigenen Eingreiftruppe beflügeln. ... Optimisten mögen sagen, die USA hätten die NATO in Prag wachgeküsst.

Die BERLINER ZEITUNG schlägt in die gleiche Kerbe:

"Das letzte Wort darüber, ob die NATO eine Zukunft hat, ist auch in Prag noch nicht gesprochen worden. Diese Entscheidung fällt bei dem immer wahrscheinlicher werdenden Krieg gegen den Irak - und das, obwohl die NATO selbst dabei keine Rolle spielen wird. Gelingt es den USA, einen schnellen und 'sauberen' Krieg zu führen, haben sie einen entscheidenden Beweis für die Richtigkeit ihrer Strategie geliefert."

Das MINDENER TAGEBLATT befasst sich mit dem Aspekt der NATO-Erweiterung:

"Von Partnerschaft im alten Sinne ist eigentlich nicht mehr viel zu sehen - dagegen stehen schon die geradezu grotesken Differenzen in dem, was die vermeintlichen Partner an militärischem Potenzial beizusteuern haben. Doch hat Europa wenig Anlass, dies zu beklagen: die permanente machtpolitische Gewichtsverschiebung innerhalb des Bündnisses und auf der Welt beschleunigt es mit seiner permanenten Selbstabrüstung. So bleiben große Gesten wie die Nato-Erweiterung, schöne Worte und die Hoffnung, dass dies wenigstens dem weiteren europäischen Integrationsprozess dienlich sei."

Die RUHR NACHRICHTEN aus Dortmund meinen, dass die Neuorganisation und Modernisierung der Allianz von größerer Bedeutung sein wird, als die Erweiterung:

"Dazu gehört nicht nur die geplante Straffung der Kommandostrukturen mit deutlich weniger Hauptquartieren. Auch der gestern beschlossene Aufbau einer Schnellen Eingreiftruppe soll das Bündnis handlungs- fähiger machen gegenüber neuen Bedrohungen, wie sie sich aus den Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington ergeben. Doch ob der von den USA als zentrale Herausforderung beschriebene Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu einer Hauptaufgabe der NATO werden wird, muss derzeit deutlich bezweifelt werden."

Mit der Zunkunft unserer Sozialsysteme befassen sich die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe:

"Bert Rürup, der die neue Berliner Regierungskommission zur Reform der Sozialsysteme leitet, steht vor einem politischen und ökonomischen Kraftakt. Er kann die durch sinkende Geburtenraten und hohe Arbeitslosenzahlen ausgelöste Erosion der Sozialkassen nur stoppen, wenn er mit einigen Tabus der Sozialpolitik bricht.

Der NORDKURIER aus Neubrandenburg kommentiert:

"Ganze Heerscharen von Wirtschaftswissenschaftlern wiesen bereits in der Kohl-Ära darauf hin, dass die Sozialsysteme dringend generalüberholt werden müssen. Doch genau wie Kohls CDU-Rentenmann Norbert Blüm, versucht sich die derzeitige SPD-Ressortchefin Ulla Schmidt am Flickschustern. Eine vergebliche Liebesmüh. Und, egal wer auch immer auf dem Stuhl des Renten- und Gesundheitsministers gerade sitzt, auch mit der groß aufgekommenen «Kommissionitis» lassen sich die Probleme nicht lösen. Am Ende werden wir alle die bittere Medizin schlucken müssen, deren Zusammensetzung Rürup sicher schon heute weiß: längere Lebensarbeitszeit, Beitragspflicht für Beamte, weniger Rente, Kürzungen im Gesundheitswesen, bei der Pharma- Industrie, den Ärzten und Kliniken, plus mehr Eigenverantwortung für jeden einzelnen Beitragszahler."

Abschließend ein Blick in die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, die sich mit der Gemütslage der Deutschen beschäftigt:

"Deutschland leidet an einer Mischung aus Mutlosigkeit und Unsicherheit der Regierung, dem Unvermögen der Parteipolitik, an exzessiver Generaljammerei und Untergangsgeilheit. Das alles verhindert, dass das Land sich seiner Qualitäten besinnt. Die Menschen wissen sehr gut, dass es nicht so weiter geht. Sie haben den Defätismus satt, sie warten auf eine unerbittliche Analyse, auf die Stunde der Wahrheit also, auf eine klare Ansage und auf Zumutungen für alle. Sie warten auf das politische Personal, das den Mut dazu hat. Schon lange war nicht mehr so viel Politik gefragt - und schon lange war nicht mehr so wenig Politik vorhanden."

Soweit die Presseschau.