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Presseschau: Obama gegen BP - 1:0?

17. Juni 2010

Der Ölkonzern BP muss Milliarden an die Geschädigten der Ölpest im Golf von Mexiko zahlen. Ein Sieg für Obama? Die Kommentatoren internationaler Zeitungen sehen das eher kritisch.

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Presseschau (Grafik: DW)
Bild: DW

"The Guardian" aus Großbritannien

"Amerika hat wahrhaftig viele Ölvorräte, wie die Fischer nun merken. Die gleichen Leute, die auf republikanischen Parteitagen riefen "Bohr, Baby, bohr", sind erschüttert über die Unfähigkeit eines Präsidenten, der die Folgen ihrer Politik bewältigt. Von Bohrungen vor der Küste bis dezenter Regulierung, ernten sie genau das, was sie säten. (...) BPs Schicksal und das der Obama-Regierung sind nun fest miteinander verbunden. 20 Milliarden Dollar mögen am Ende eine Untertreibung für die Haftung sein, weil niemand genau weiß, wie viel Öl in das Meer strömte, wann es aufhören wird und wieviele Jahre es braucht, um es zu säubern. Kein Wunder, dass BPs Aktienkurs stieg, aber das ist nicht unbedingt eine gute Nachricht für Obama oder die Shrimp-Fischer."

"Corriere della Sera" aus Italien

"Das BP-Desaster hat Barack Obama in einen weiteren Alptraum abstürzen lassen. Es ist ein Problem, über das seine Regierung keine Kontrolle hat. Die politischen Gegner beschuldigen ihn für Dinge, für die er nichts kann. Und die Freunde fordern ihn auf, von dieser Katastrophe doch nicht mit der Distanz eines Akademikers zu sprechen, sondern mehr menschliche Anteilnahme angesichts des Dramas zu zeigen, das die schwarze Flut den Opfern zufügt. Dann soll er noch mehr Wut gegenüber dem Ölkonzern demonstrieren. Derweil messen die Umfragen seinen unausweichlichen weiteren Abfall in der Gunst der Amerikaner, und das bis zu dem Punkt, dass er von Hillary Clinton überholt wird."

"Der Standard" aus Österreich

"Wann immer das Bohrloch endgültig gestopft sein wird - und es spricht vieles dafür, dass dies erst im August der Fall sein wird - die politischen Konsequenzen des Desasters werden so zähflüssig und schwer zu entfernen sein wie das angespülte Rohöl an den Stränden der Südstaaten. Obamas Regierung hat nach den Erfolgen mit der Gesundheitsreform und dem Start-Abkommen mit Russland wieder den Tritt verloren. Keines der Themen wie Immigrationsreform oder Finanzmarktregulierung, die die republikanische Fundamentalopposition in Bedrängnis bringen könnten, hat in den kommenden Monaten eine Chance, in der Öffentlichkeit auch nur ansatzweise wahrgenommen zu werden."

"De Standaard" aus Belgien

"Er (Obama, Anm. d. Red.) sagte, jetzt sei der Moment, um sich einer Zukunft der sauberen Energie zuzuwenden. Er verwies auf den Gesetzentwurf zur Förderung erneuerbarer Energien (sagte allerdings nicht klar, dass der im Senat festsitzt). Schon sein Vorgänger George W. Bush hatte 2006 in seiner Rede zur Lage der Nation dieselbe Analyse angesprochen:'Wir haben ein ernstes Problem. Amerika ist abhängigvon Öl, das oft aus instabilen Teilen der Welt importiert wird.' Bush gab damals schon eine Initiative für grüne Energie bekannt, doch vier Jahre danach ist das Problem noch genauso groß. Obama erklärte, er unterstütze gute Ideen, egal von wem sie kommen. Aber er hat die Chance nicht ergriffen, eine umfassende Strategie vorzustellen, mit der die USA ihre Ölsucht überwinden können."

"Süddeutsche Zeitung" aus Deutschland

Der Präsident wirkt abgehoben, wenn er Anteil nehmen sollte, kühl kalkulierend, wenn er nichts als menschliche Wärme vermitteln müsste. (…) Doch das eigentliche Problem ist nicht, dass Obama zu wenig Gefühl zeigt. Das wirkliche Problem ist vielmehr, dass er in den fast zwei Monaten, die dieser Albtraum auf Amerika lastet, nicht die Führung bewiesen hat, die das Land braucht. Obama hat es in der ganzen Zeit nicht verstanden, der Nation zu vermitteln, dass ihr Präsident wirklich Herr des Verfahrens ist. Und daran trägt er selbst ein gerütteltes Maß an Schuld.

"Berliner Zeitung" aus Deutschland

"Obama hat in seiner Rede versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Er hat die Energiewende zur 'nationalen Mission' erklärt. (...) Wenn die schlimmste Umweltkatastrophe der US-Geschichte sich kurzfristig kaum stoppen lässt, dann soll sie wenigstens zum Katalysator werden für längst überfällige Veränderungen. Das ist richtig und aller Ehren wert. Politisch ist das Unterfangen höchst riskant. Schon wirft die Opposition Obama vor, die Katastrophe im Golf von Mexiko politisch für seine im Kongress festgefahrene Klimaagenda auszuschlachten. Die Republikaner vertrauen darauf, dass die Menschen am Ende einmal mehr billiges Benzin und große Autos der geforderten Kraftanstrengung vorziehen."

"Neue Osnabrücker Zeitung" aus Deutschland

"Würde Obama in dieser gewaltigen Krise wirklich Führung zeigen, hätte er spätestens drei Tage nach Beginn die Ölförderung in allen Hochrisikobereichen gestoppt. Schließlich steckt in den Notfallplänen der Wettbewerber auch nicht mehr Substanz als in jenen von BP. Klar, ein solcher Schritt hätte weltweit die

Energiepreise hochgejagt und die Wirtschaft jäh gebremst. Aber nur so würde für jedermann begreifbar, was Obama mit Blick auf die Zukunft gesagt hat: dass Amerika runter muss von seiner 'Sucht nach fossiler Energie'. Ein ernsthafter Einstieg in den Entzug wird nur per Schocktherapie gelingen. Schließlich bedeutet dieser Entzug den Abschied von lieb gewonnenen Wohlstands- und Mobilitätsstandards. Also von der Lebensweise, die in ganz Nordamerika genau wie in Europa die vorherrschende ist."

Redaktion: Miriam Klaussner