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Politik

Premier Abiy Ahmed vollzieht Kehrtwende

23. März 2021

Der äthiopische Premierminister hat die Beteiligung eritreischer Truppen im Tigray-Konflikt eingeräumt. Bislang hatte die Regierung in Addis Abeba das stets bestritten. An den Sudan sendet Abiy versöhnliche Signale.

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Äthiopien l Premierminister Ahmed Abiy
Bild: Amanuel Sileshi/AFP

In einer live im Fernsehen übertragenen Rede vor dem Parlament in Addis Abeba räumte Abiy Ahmed nach wochenlangen Dementis erstmals ein, dass das Nachbarland Eritrea in den seit fünf Monaten andauernden Konflikt in der nordäthiopischen Provinz Tigray verwickelt ist. Eritreas Armee habe die Grenze überschritten, sich innerhalb von Äthiopien bewegt und Menschen Schaden zugefügt, sagte der Regierungschef. "Wir werden das nicht akzeptieren." Äthiopien habe eine Delegation geschickt, um das Thema mit Eritrea zu besprechen.

Eritrea nannte demnach als Begründung die Wahrung seiner eigenen Sicherheit. Man wolle die Grenzgebiete kontrollieren, während die äthiopischen Streitkräfte die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) verfolgten.

Experten bewerten das anders: Ihnen zufolge kamen die eritreischen Soldaten auf Einladung Abiys, um die äthiopischen Kräfte in Tigray zu unterstützen. Äthiopien wurde jahrzehntelang von der aus Tigray stammenden Volksgruppe regiert; in dieser Zeit war es mit Eritrea verfeindet. Abiy ist der erste Nicht-Tigreer seit langem an der Macht, er beendete die Fehde mit dem Nachbarn und wurde dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Äthiopien unter Abiy Ahmed: Vom Friedensnobelpreisträger zum Kriegsfürsten?

Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International hatten bereits zahlreiche Belege für eritreische Verwicklungen in Massaker in präsentiert. Laut Abiy will nun die Regierung Eritreas diese Vorwürfe aufarbeiten. In Tigray sind seit Beginn der Kämpfe Tausende Zivilisten getötet worden, Hunderttausende wurden vertrieben.

Abiy: Kein Krieg mit Sudan

Mit Blick auf wachsende Spannungen mit dem Nachbarland Sudan betonte Abiy in seiner Rede, keine kriegerische Auseinandersetzung zu wollen: "Äthiopien hat viele Probleme, und wir sind nicht bereit, in den Kampf zu ziehen. Wir brauchen keinen Krieg."

In dem Grenzkonflikt geht es um die landwirtschaftlich geprägte Region Al-Fashaqa, die sowohl von Äthiopien als auch vom Sudan beansprucht wird. Der Konflikt um die fruchtbare Region hatte sich im Zuge der Kämpfe zwischen äthiopischen Regierungstruppen und der Regionalregierung von Tigray im vergangenen Jahr zugespitzt.

Während der Kämpfe in Tigray hatte die Regierung in Khartum Soldaten nach Al-Fashaqa geschickt. Sudanesische und äthiopische Soldaten lieferten sich in der Folge tödliche Gefechte. Vor wenigen Wochen erklärte die sudanesische Regierung, die Kontrolle über weite Teile von Al-Fashaqa erlangt zu haben, während Addis Abeba den sudanesischen Streitkräften vorwarf, in äthiopisches Territorium "eingedrungen" zu sein.

Sudan Äthiopische Flüchtlinge Tigray Um Raquba
Flüchtlinge aus Tigray im Februar im SudanBild: Hussein Ery/AFP

Die Spannungen heizten die Furcht vor einem großen regionalen Konflikt im Osten Afrikas an. Die nachbarschaftlichen Verhältnisse leiden etwa unter dem riesigen Staudamm-Bauprojekt GERD, mit dem Äthiopien den Nil stauen und große Mengen Elektrizität generieren will. Allerdings fürchtet der flussabwärts gelegene Sudan, genau wie sein Nachbarland Ägypten, dass während der Aufstauphase jahrelang nur wenig Wasser durchgelassen wird und dass fruchtbare Flächen vertrocknen könnten.

Noch einmal instabiler geworden ist die Situation in der Region seit Beginn der Kämpfe in Tigray im November. Das äthiopisch-sudanesische Verhältnis wird zudem durch den Flüchtlingsansturm aus Tigray belastet. Von den Hunderttausenden Menschen, die in der Region auf der Flucht vor Kämpfen sind, retteten sich nach UN-Schätzungen rund 60.000 in den Sudan.

Die äthiopischen Truppen hatten Anfang November eine Offensive gegen die in Tigray regierende Volksbefreiungsfront TPLF begonnen. Gut drei Wochen später verkündete der äthiopische Regierungschef Abiy die Einnahme der Regionalhauptstadt Mekele und das Ende des Militäreinsatzes.

Auslöser des blutigen Machtkampfs waren Wahlen, die die TPLF in Tigray trotz eines Verbots abhielt. Hintergrund ist auch, dass die TPLF vor wenigen Jahren ihre lange dominierende Stellung in Äthiopiens Armee und Regierung verloren hat.

qu/ehl (rtr, afp, dpa)