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Unter Nachbarn

14. April 2009

Als westslawisches Volk gelten die Sorben in Deutschland als Minderheit - und als Bindeglied zwischen Deutschland und den slawischen Nachbarn. Das möchte die Bundesregierung für ihre Minderheitenpolitik nutzen.

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Sorbisches Osterei (Foto: DW)
Die Sorben sind nicht nur wegen ihrer besonderen Ostereier bekanntBild: Heiner Kiesel / DW

Polen besuchen Sorben: Das Treffen war noch gar nicht richtig in Gang gekommen, da fiel schon das Wort "historisch". "Ein historisches Treffen, das den Willen zur Kooperation unterstreicht", sagte Tomasz Siemoniak, Staatssekretär im polnischen Innenministerium. Der polnische Politiker hob hervor, wie bedeutsam er den Besuch seiner Delegation in der Lausitz einschätzte - einer Region in Sachsen, wo die Sorben wohnen. Unter Staatssekretären ist das bestimmt ein pompöses Wort, aber Christoph Bergner, parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium und Bundesbeauftragter für nationale Minderheiten, konnte es nur recht sein.

Das Treffen in Bautzen, zu dem Bergner seinen polnischen Kollegen geladen hatte, sollte neue Impulse geben, die weit über die Region der Sorben ausstrahlen. "Die Sorben sind als slawische Minderheit in Deutschland eine Art Brücke nach Polen", sagt Bergner, "und wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass auch die deutsche Minderheit in Polen eine Brückenfunktion zwischen unseren Ländern haben kann." Die Deutschen sind in Polen die größte Minderheit und in Berlin fühlt man sich für sie verantwortlich.

Probleme der deutschen Minderheit

Staatssekretär Christoph Bergner (Foto: DW)
Staatssekretär Christoph Bergner will Brücken bauenBild: Heiner Kiesel / DW

In der Vergangenheit hat es von den Deutschen in Polen immer wieder heftige Kritik an der Minderheitenpolitik Warschaus gegeben. Zuletzt kritisierte der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, dass es zu wenig Deutschunterricht gebe und der Zugang zu Massenmedien erschwert sei.

In dieser Problematik Einfluss zu nehmen, ist für deutsche Politiker nicht gerade einfach. Krieg, Besatzung und Vertreibung im letzten Jahrhundert belasten das Verhältnis bis heute. In Polen reagiert man schnell gereizt auf etwaige Bevormundung durch den westlichen Nachbarn - besonders, wenn es um die deutsche Volksgruppe geht. Das ist keine einfache Situation für den Mann in der Bundesregierung, der für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zuständig ist. Bergner setzt daher auf persönliche Begegnungen.

Besuch bei den slawischen Brüdern

Die Brückenfunktion, von der Bergner bei dem Treffen immer wieder spricht, haben zumindest die Sorben in ihrem Selbstverständnis fest etabliert. Den Nichtsorben um sie herum ist es selten bewusst, was es bedeutet, in Deutschland aufzuwachsen und trotzdem eine slawische Muttersprache zu haben. Sie nehmen oft nur die zweisprachigen Verkehrs- und Straßenschilder wahr, wenn sie zu Besuch kommen und freuen sich über die tatsächlich ziemlich eindrucksvoll dekorierten und weithin berühmten Ostereier.

Benno Scholz von der sorbischen Kulturinformation im Haus der Sorben freut sich über die Besucher aus Polen. "Das sind unsere slawischen Brüder, das stimmt schon", sagt er, "ob es nun Polen, Tschechen, Slowenen oder Slowaken sind - man fühlt sich ihnen schon sehr verbunden."

Tomasz Siemoniak und Christoph Bergner im Gespräch im Domwina (Foto: DW)
Tomasz Siemoniak und Christoph Bergner in der DomowinaBild: Heiner Kiesel / DW

Tomasz Siemoniak sitzt derweil einen Stock höher mit Bergner und den Funktionären des sorbischen Dachverbandes Domowina zusammen. Er wird über die Situation der Sorben aufgeklärt. 60.000 Angehörige einer Minderheit, die sich gegen einen steten Assimilationsdruck durch die deutsche Bevölkerungsmehrheit stemmt. Er erfährt, wie Bund und Länder finanzielle Hilfe leisten. Siemoniak hört zu, lobt, wirkt aber zurückhaltend. "Die Situation der Sorben ist natürlich überhaupt nicht zu vergleichen mit der der Deutschen in Polen", schränkt er den Transfernutzen der Gespräche ein, "da steht kein großer Staat dahinter mit seinen finanziellen Möglichkeiten." Aber es gibt ein Volk in Polen, das in derselben Lage sei, wie die Sorben, nämlich die Kaschuben.

Mehr Begeisterung ist Siemoniak anzumerken, als er zum Studio des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hochsteigt - es ist im selben Gebäude, oben unter dem Dach, untergebracht. Der MDR produziert Programme in sorbischer Sprache und ermöglicht es Künstlern der Minderheit, professionell CDs herzustellen. "Rock und Pop auf Sorbisch - das gibt Hoffnung", urteilt Siemoniak.

Spracharbeit mit dem Nachwuchs

Im sorbischen Kindergarten in Crostwitz (Foto: DW)
Im sorbischen Kindergarten in CrostwitzBild: Heiner Kiesel / DW

Bei der letzten Station im Örtchen Crostwitz erhält Bergner schließlich die Gelegenheit, seinem Gast zu zeigen, dass man sich in Deutschland besonders um den Nachwuchs kümmert. Es geht in einen Witaj-Kindergarten. Es ist der Höhepunkt des Besuchsprogramms - nicht nur wegen der anrührenden Kinderstimmen, die dem Gast Frühlingslieder auf sorbisch und deutsch vortragen. Witaj heißt auf sorbisch "Willkommen" und ist gleichzeitig der Namen einer Methode für zweisprachige Kindererziehung.

Durch das entspannte Gewusel der Kinder, ihrem Geschrei und dem Scheppern von Spielgeräten wird auch der Umgang der Polen, Sorben und Deutschen miteinander lockerer. Beim Gang durch das Gebäude des Kindergartens wird deutlich, was an der vielbeschworenen Brückenfunktion des Sorbischen dran ist. Die Sprachbarriere ist kaum fühlbar, es wird viel gelacht. "Wir sind ein Stück weiter gekommen", macht sich Bergner Hoffnungen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem polnischen Innenministerium nun besser wird.

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Kay-Alexander Scholz