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Politischer Verstärker im Radio

Michael Knigge13. September 2004

Wenn Präsident Bush mal ungezwungen zu den republikanischen Stammwählern sprechen will, ruft er in der Rush-Limbaugh-Show an. Limbaugh, Superstar der US-Talk-Radio-Garde versteht sich als Lautsprecher der Konservativen.

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Großen Einfluss auf die Politik: Rush LimbaughBild: AP

Das Timing stimmte. Vor rund zwei Wochen kurz nach halb zwei am Nachmittag hatte Rush Limbaugh in seinem New Yorker Studio den Präsidenten der Vereinigten Staaten am Telefon. George W. Bush rief aus Des Moines, Iowa, an, um im lockeren Gespräch mit Limbaugh eine missverständliche Äußerung des Vortages gerade zu rücken und etwas Werbung für seinen bevorstehenden Auftritt auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner zu machen.

Die wenigen Fragen des Gastgebers waren das, was man in den USA als "softball" bezeichnet - weiche und journalistisch harmlose Einladungen an den Präsidenten sein Wahlkampf-Material herunterzuspulen. Das tat Präsident Bush mit Unterstützung von Rush Limbaugh denn auch. Er erklärte den Zuhörern der Rush Limbaugh-Show, die nach eigenen Angaben geschätzte 20 Millionen Hörer pro Woche erreicht und von rund 600 Radiostationen in den USA ausgestrahlt wird, dass der Krieg gegen den Terror doch noch gewonnen werden könne und dass er zuversichtlich sei, aus der Wahl im November als Sieger hervorzugehen. Gegen Endes des Gesprächs bezeichnete der Präsident den Talk-Radio-Gastgeber als "guten Freund", worauf dieser sich mit dem Satz "Die Leute draußen lieben Sie, Herr Präsident, und sie wünschen Ihnen nur das Allerbeste" von Präsident Bush verabschiedete.

Demokraten im Visier

Mit politischen Gegnern der Republikaner geht der selbsternannte Wächter des Konservatismus in den USA in seiner Show weniger pfleglich um. In einer seiner jüngsten Tiraden gegen die Demokraten bezeichnete der Moderator Liberalismus - für Republikaner Limbaughscher Prägung das schlimmstmögliche Schimpfwort - als eine Art Krankheit. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten wird von Limbaugh gerne als rückgratloser John F-ing Kerry bezeichnet, seinem Vize-Kandidaten John Edwards hatte Limbaugh bereits vergangenes Jahr das Label "Breck Girl" in Anspielung auf eine Shampoo-Werbung verpasst.

Rush Limbaugh
Guten Draht ins Weiße HausBild: AP

Das Format des politischen und parteiischen Talk-Radios mag für Nicht-Amerikaner bizarr wirken, aber es ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen der amerikanischen Medienlandschaft. Die Chancen des Mediums, das in den USA über viel stärker als in Europa verbreitete AM-Stationen ausgestrahlt wird, wurde Anfang der 1990-er Jahre zuerst von den amerikanischen Konservativen entdeckt. Auslöser des Talk-Radio-Booms war Rush Limbaugh. Der Aufstieg des ehemaligen Radio-Disc-Jockeys und Baseball-Promoters begann in den frühen 1980-er Jahren mit dem Start seiner landesweit ausgestrahlen Show.

Mittlerweile ist die Rush Limbaugh-Show seit mehr als zehn Jahren die klare Nummer Eins unter den Talk-Radio-Formaten und gilt als wichtiger politischer Faktor in den USA. Wie schwierig es ist, gegen Rush Limbaugh Politik zu machen, wurde während der Präsidentschaft Bill Clintons deutlich. Aufgrund seiner loyalen Anhängerschaft, seiner guten Beziehungen zu führenden republikanischen Politikern und seiner Attraktivität für ein breites Publikum gelingt es Limbaugh wie kaum einem anderen Medienstar oder Politiker die konservativen Massen zu mobilisieren.

Schar konservativer Moderatoren

Oliver North, Iran- Contra Affäre
Vom Militär zum Radio-Macher: Oliver NorthBild: AP

Neben Rush Limbaugh erreichen aber auch die ebenfalls den Republikanern nahestehenden Sean Hannity und Bill O'Reilly landesweit ein Millionenpublikum. Beide profitieren zudem von ihrem Cross-Media-Appeal, da sowohl Hannity als auch O'Reilly regelmäßig zusätzlich mit Sendungen beim TV-Sender Fox zu sehen sind. Um diesen Kern von konservativen, aber noch dem Mainstream zugerechneten Talk-Radio-Persönlichkeiten schart sich eine viel schwerer überschaubare Gruppe von rechtslastigen und teilweise dubiosen Talkern und Kommentatoren. So zum Beispiel G. Gordon Liddy, der wegen des Einbruchs in die Büros der Demokratischen Partei während der Watergate-Affäre zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Oder Oliver North, der durch die Iran-Contra-Affäre in die Schlagzeilen geraten war.

Nach Jahren der konservativen Dominanz im Äther haben jetzt auch die Demokraten das Talk-Radio als politisches Instrument entdeckt. Seit Frühjahr - rechtzeitig zur heißen Wahlkampfphase - ist Air America auf Sendung, mit dem liberalen Kommentator und Buchautor Al Franken als Aushängeschild. Zwar kann sich das Sprachrohr der Demokraten mit bislang nur 27 Stationen, die das Programm übernehmen, noch lange nicht mit den etablierten Networks der Konservativen messen, aber ein Anfang ist gemacht.

Shock-Jock gegen Bush

Statt Air America können die Demokraten mit der unverhofften Wahlkampfhilfe von Howard Stern rechnen. Der wegen seiner sexuell anstößigen Äußerungen als "Shock-Jock" bekannte Radio-Macher wirbt offen für die Abwahl von Präsident Bush. Allerdings nicht, weil er von Kerry überzeugt ist, sondern weil er die Bush-Regierung für die härtere Haltung der US-Regierungsbehörde gegenüber sexuellen Äußerungen verantwortlich macht. Sterns Sendung wurde daraufhin von der größten Rundfunkkette Clear Channel von mehreren Stationen verbannt. Im Gegensatz zu den eindeutig einer Partei zugeordneten Talk-Radio-Persönlichkeiten gilt Trash-König Stern als politisch eher neutral. Mit seiner Wahlaussage zugunsten von Kerry könnte Stern damit nach Auffassung von Wahlexperten die wichtige Gruppe von unentschiedenen Wählern in seiner Hörerschaft beeinflussen. Dass Kerry allerdings selbst wie Bush in der Show anruft, gilt aufgrund der Unberechenbarkeit Sterns als äußerst unwahrscheinlich.