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"Vertrauensbeweis für Merkel"

Andrea Grunau22. September 2013

Eine starke CDU/CSU, eine deutlich schwächere SPD und eine FDP, die nicht mehr im Bundestag wäre, diese Trends aus Prognose und ersten Hochrechnungen analysiert der Mainzer Politikwissenschaftler Thorsten Faas.

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Politikwissenschaftler Thorsten Faas (Uni Mainz) (Foto: Peter Pulkowski)
Bild: Peter Pulkowski

DW: Herr Faas, wenn die FDP nicht mehr in den Bundestag kommen sollte, könnte CDU-Kanzlerin Angela Merkel trotz sehr erfolgreichem eigenem Ergebnis Schwarz-Gelb nicht fortsetzen, wie wahrscheinlich ist dann die Große Koalition?

Thorsten Faas: Danach sieht es derzeit aus, wobei man auch ganz genau auf die Zahlen schauen muss, nach diesen Prognosen hätte die CDU 42 Prozent, alle anderen Parteien, die im Parlament vertreten wären, hätten 42, 5 Prozent. Das heißt, es ist durchaus möglich, dass wir heute Abend auch noch über eine absolute Mehrheit der Union sprechen, sodass Angela Merkel zwar nicht mit der FDP weiter regieren könnte, aber ganz alleine und so muss man sagen, nach diesen Zahlen ist die Schwarz-Gelbe Regierung abgewählt, aber für die Kanzlerin Angela Merkel ist das ein ganz starker Vertrauensbeweis, den sie hier bekommen hat.

Die SPD um Spitzenkandidat Peer Steinbrück konnte sich nach der Prognose zwar im Vergleich zu den Wahlen 2009 verbessern, liegt aber deutlich hinter CDU/CSU, ist das vor allem eine Niederlage für Steinbrück oder verfängt ein Thema wie soziale Gerechtigkeit nicht, womit die Sozialdemokraten punkten wollten bei den Wählern?

Der SPD scheint es nicht wirklich gelungen zu sein, mit ihren Themen hier durchzudringen, um 26 Prozent, das sind wahrlich keine beeindruckend hohen Werte. Auch die Wahlbeteiligung ist nicht in erheblichem Maße gestiegen, worauf man in Kreisen der SPD schon auch im Wahlkampf sehr gesetzt hatte. Insofern hat die SPD weiter die Probleme, die wir 2009 und letztlich auch 2005 schon erkennen konnten, dass es durchaus noch Sympathien in der Bevölkerung gibt, dass ihr aber einfach nicht gelingt, diese Sympathien dann auch in Wählerstimmen umzumünzen, dass es ihr nicht gelingt, ihre Anhänger, ihre Sympathisanten zu mobilisieren. Das hatte sicher auch mit dem lahmen, schwer in Schwung kommenden Wahlkampf zu tun. Fakt ist ja, die SPD hat zugelegt, ganz ähnlich wie in Bayern vergangene Woche. Man wird darauf hinweisen, dass es ein bessere Ergebnis als vor 4 Jahren ist. Aber die Situation, dass SPD, Linke und Grüne zusammen etwa in der Größenordnung liegen wie die CDU/CSU allein, das kann die Parteien und das kann insbesondere auch die SPD in keinster Weise zufriedenstellen, insofern ist es für die SPD sicherlich ein enttäuschender Abend.

Die SPD hatte ja ein Rot-Rot-Grünes Bündnis ausgeschlossen. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor ist noch die AfD, der neue Mitbewerber, die Alternative für Deutschland, die laut Prognose bei 4,9 liegt?

Wenn die reinkämen, aber auch unabhängig davon ist es schon ein deutliches Signal, dass die Europapolitik einfach ein größeres Thema werden muss, denn wir haben in diesem Wahlkampf nicht viel über den Euro gesprochen außer die AfD. Und dass die Partei alleine mit diesem Thema, auch mit ihrer Euro-kritischen Haltung jetzt doch diesen mehr als Achtungserfolg hat erzielen können, deutet darauf hin, dass man zukünftig ernster, intensiver und auch ausführlich wird über dieses Thema Zukunft des Euro wird sprechen müssen. Das ist ein Signal des heutigen Abends. Das Thema Euro treibt die Menschen um.

Eine Große Koalition wäre die größtmögliche Parlamentsmehrheit in einer Zeit der Euro- und Strukturkrise. Was könnte das für die künftige Europa-Politik Made in Berlin bedeuten?

Ich würde nicht sagen, dass schon klar ist, dass es auf eine Große Koalition hinauslaufen würde. Wir hätten eine Opposition, die würde nur aus Linken und Grünen bestehen. Vielleicht werden aufseiten der Grünen jetzt doch noch mal Stimmen laut, die Richtung einer schwarz-grünen Koalition argumentieren. Vielleicht reicht es auch für eine absolute Mehrheit der CDU/CSU, das ist wirklich eine Option, die ganz real auf dem Tisch liegt heute Abend. Gleichwohl, wenn es zu einer Großen Koalition kommt: Die Deutschen, das haben ja Umfragen gezeigt, könnten damit gut leben. Ob es für die parlamentarische Demokratie wirklich sinnvoll und hilfreich wäre? Die Erfahrungen zwischen 2005 und 2009 lassen doch ein wenig Skepsis an der Stelle aufkommen. Die Wahlbeteiligung nach der letzten Großen Koalition ist dramatisch abgesunken auf 70 Prozent, die SPD ist abgestürzt auf 23 Prozent. Also uns stehen, glaube ich, heiße Diskussionen gerade auch um diese Koalitionsfrage bevor. Am Ende könnte die Große Koalition als das kleinste Übel resultieren, aber ich glaube im Moment ist es noch zu früh, sich darauf festzulegen.

Thorsten Faas ist Politikwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er leitet den Bereich "Empirische Politikforschung" am Institut für Politikwissenschaft.

Das Gespräch führte Andrea Grunau.