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Polens neuer Großflughafen - wer zahlt?

Jo Harper pcb
9. Oktober 2018

Der Chef der polnischen Fluggesellschaft LOT sagt, sein Land brauche einen neuen Mega-Flughafen. Aber wer soll den bezahlen? Und rechnet sich das Projekt überhaupt?

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Boeing 787 Dreamliner der LOT Polish Airlines
Bild: picture-alliance/dpa/Jacek Turczyk

Der Zentralflughafen Warschau (Centralny Port Lotniczy oder CPL), wie das Projekt heißt, soll rund 40 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Richtung Lodz entstehen, eine fünfzehnminütige Zugfahrt von Warschaus Hauptbahnhof entfernt.

„Es ist das größte Projekt in der modernen Geschichte Polens", sagt der stellvertretende Minister für Infrastruktur Mikolaj Wild, der das Projekt verantwortet. Außerdem könne es "der Zugang der EU zum Osten" werden.

Der 70 Milliarden Zloty (umgerechnet rund 16,5 Milliarden Euro) teure Großflughafen hätte eine Kapazität von zunächst 45 Millionen Passagieren, später bis zu 100 Millionen. Damit würde er zur Konkurrenz von London-Heathrow, Paris-Charles de Gaulle und Amsterdam-Schiphol aufrücken. Die erste Phase des Bauprojekts würde mit 35 Milliarden Zloty zu Buche schlagen, das sind mehr als zehn Prozent des polnischen Landeshaushalts.

Gebaut werden soll er auf einer Fläche von 3000 Hektar, die Eröffnung ist für 2027 vorgesehen. Eine Flughafenstadt mit Gewerbegebiet und Kongresszentrum sind ebenfalls Teil des Plans.

Polen als Drehkreuz für internationale Flüge

Die Pläne würden bedeuten, den beliebten Frederic Chopin-Airport in Warschau zu schließen. Regierungsvertreter sagen, ihn auszubauen sei wenig sinnvoll, da er innerhalb der Stadtgrenze liegt und damit in der Nähe mehrerer hunderttausend Anwohner.

Mit 15,75 Millionen Passagieren im Jahr 2017 ist Warschaus bisherige Flughafen der verkehrsreichste in Zentral- und Osteuropa und hat damit laut dem Dachverband Airports Council International den Vaclav Havel-Flughafen in Prag überholt.

Obwohl der Chopin-Airport 2012 ein neues Terminal und einen neuen Bahnhof bekommen hat, wird der Flughafen in vier Jahren seine Kapazitätsgrenze von 20 Millionen Passagieren pro Jahr erreichen. Insgesamt flogen im vergangenen Jahr fast 34 Millionen Passagiere über polnische Flughäfen. Das sind laut dem polnischen Amt für zivile Luftfahrt rund zwölf Prozent mehr als noch 2015.

"Unser Land ist das Drehkreuz für wichtige Routen wie Los Angeles-Tel Aviv, Wien-Tokio, Shanghai-Paris und New York-Teheran", steht in einer Resolution, die im November 2017 verabschiedet wurde. "Ohne den neuen Flughafen wird Polen es schwer haben, mit westeuropäischen Ländern im Luftraum mitzuhalten, und in die zweite Liga verbannt", heißt es weiter in dem Papier.

"Seit 2000 ist die Zahl der gepanten Flüge von Warschau von 36.644 pro Jahr auf 83.292 gestiegen und die Zahl der Sitzplätze ging in dieser Zeit von 3,536 Millionen auf 10,465 Millionen hoch; auf jeden Fall ein starkes und stetes Wachstum über einen langen Zeitraum", sagt John Grant von OAG Aviation, einem Anbieter digitaler Fluginformationen.

"Es scheint sinnvoll einen neuen Flughafen zu bauen, wenn man das volle Potential eines Flughafens bezüglich Wirtschaftswachstum, weltweiter Vernetzung und der Marktbedeutung von Warschau und LOT Airlines in den kommenden Jahren ausschöpfen will", fügt er hinzu.

Warschauer Frederic Chopin Flughafen
Bald keine Abfertigung mehr? Der Frederic Chopin-Aiport in WarschauBild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Die Flughafen-Finanzierung

Bisher macht die polnische Regierung allerdings nur vage Aussagen darüber, wie sie das Projekt finanzieren will.

Der Chef des polnischen Entwicklungsfonds PFR, Pawel Borys, sagte 2017, dass die staatseigene Finanzgruppe einen groben Plan zur Finanzierung der Ausgaben habe, die nicht den Staatshaushalt belasten würden. Er fügte hinzu, dass der Fonds die Mittel besitze, sich am Projekt zu beteiligen.

Vize-Infrastrukturminister Wild hingegen hat angedeutet, dass Bereiche, die nicht im engeren Sinne zum Flughafen gehören, durch EU-Mittel finanziert werden könnten. Doch die EU-Kommission hat ein wachsames Auge auf Flughafenprojekte, um illegale Staatsfinanzierung zu verhindern.

Anna Konert vom Luftfahrtinstitut der Universität Lazarski sieht daher für das Mega-Projekt keine Chance auf EU-Mittel. Ihrer Einschätzung nach müsse es komplett aus Steuern bezahlt werden. "Wie bei jedem Infrastrukturprojekt gibt es viele Risiken", sagt sie der DW. "Kosten und Bezahlbarkeit gehören natürlich dazu."

Im Juni führte Wild laut Medienberichten Gespräche mit Firmen aus Singapur über die Projektfinanzierung. Er erklärte damals, China und Südkorea seien ebenfalls mögliche Partner.

Der Changi Flughafen in Singapur mit seinen vielen Freizeitaktivitäten wie Kinos, Schwimmbädern und Gärten könne als Vorbild dienen, sagte Wild.

Tatsächlich entstand die Idee für den neuen Flughafen aus den Bestrebungen der Regierung, die Handelsbeziehungen mit China in großem Stil voran zu treiben. Während eines Chinabesuchs 2017 sagte Wild, China sei im Rahmen seiner "One Belt, one Road"-Initiative offen, über den Flughafen zu sprechen. Bis heute gibt es allerdings keine Berichte über eine chinesische Beteiligung am Projekt.

Mit voraussichtlich neun Millionen Passagieren in diesem Jahr liegt LOT nur auf Platz 19 der europäischen Fluglinien. Und nicht mal im Heimatmarkt schafft das Unternehmen den ersten Platz, sondern bleibt hinter den Billigfluglinien Wizz Air und Ryanair zurück, die mehr Passagiere ins Land bringen.

Zur LOT-Flotte gehören 73 Flugzeuge, darunter elf Boeing Dreamliner, die polnische Enklaven wie Chicago, New York und Los Angeles sowie asiatische Routen anfliegen.

Seit LOT 2012 mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet wurde, wächst die Airline. Im vergangenen Jahr startete sie mehrere neue Langstreckenflüge, beispielsweise nach Los Angeles und Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Zwölf neue Flugverbindungen von Warschau sind 2018 geplant, darunter auch Singapur.

Talk: Immer Ärger mit den Großprojekten?

Berlins neuer Flughafen als warnendes Beispiel? 

Der Oppositionskandidat für den Bürgermeisterposten der Stadt Warschau, Rafal Trzaskowski befürchtet, dass Warschau als Stadt darunter leidet, wenn der Flughafen Chopin geschlossen wird. Andere sagen, das Geld wäre besser an anderer Stelle angelegt, etwa in Autobahnen, Zugverbindungen, der Renovierung des alten Airports und eines anderen Flughafens 40 Kilometer nördlich von Warschau, der von Ryanair angeflogen wird.

"Aus meiner Sicht sind die geschätzten Kosten zu niedrig angesetzt und das Projekt würde teurer", sagt Jacek Krawczyk, Präsident der Gruppe der Arbeitgeber im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und früherer Aufsichtsratsvorsitzender von LOT. "Außerdem geht es weniger darum, den Bau zu finanzieren, als dafür zu sorgen, dass der Flughafen künftig profitabel sein kann."

Das Drehkreuz könnte sich auch als schädlich für die regionalen Flughäfen erweisen, die entstanden sind, seit Polen 2004 der EU beigetreten ist. "Die Idee eines zentralen Flughafen widerspricht dem dezentralen Luftfahrt-Modell, das Polen erfolgreich aufgebaut hat", fügt Krawczyk hinzu und warnt vor einer "Kannibalisierung" der Passagierzahlen, die die Zukunft der regionalen Flughäfen in Gefahr bringen könnte.

Ryanair hält rund 30 Prozent im polnischen Markt und hat seine Basis im Land auf einem kleinen Flughafen nahe Warschau. Die Firma warnt, dass einen neuen Flughafen das gleiche Schicksal treffen könnte wie sein deutsches Gegenstück in Berlin. Der dortige neue Flughafen namens BER sollte ursprünglich 2011 eröffnet werden. Mittlerweile hat sich der Termin auf Grund technischer und anderer Komplikationen auf frühestens 2020 verschoben.

"Deutschland baut seit 20 Jahren daran herum und es gibt noch keine Anzeichen dafür, dass bald die Investitionsphase dafür endet. Man sollte sich bewusst machen, dass der CPL in Polen noch größer werden soll als der in Berlin", sagt Konert.

"Berlin als abschreckendes Beispiel zu nehmen ist unfair", sagt Luftfahrt-Analyst Bartosz Baca von der polnischen Luftfahrt-Beratungsgesellschaft BBSG. "Wir reden hier von einer der größten Fehlinvestitionen in der deutschen Nachkriegszeit. In Berlin kränkelt es an vielem, was in Polen nicht wiederholt werden muss."