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"Pole Dance ist nichts Verruchtes, sondern Sport!"

Jennifer Pahlke
23. September 2021

Sex, Stripper, Nachtclubs und Erotik – damit assoziieren wohl die meisten Pole Dance. Dabei ist es eine international anerkannte Leistungssportart. Nick Krämer kämpft für mehr Respekt und Anerkennung.

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Männlicher Pole Dancer Nick Krämer
Bild: Malowanie Swiattem, Tomasz Gas

Knapp sieben Jahre widmet Nick Krämer (Foto) dem Pole Dance nun jede freie Minute. Für ihn ist es ein Sport, der ihn erfüllt. "Ich liebe vor allem am Sport, dass er so flexibel ist, dass mir keine Grenzen gesetzt sind und ich mich immer weiter frei entwickeln und erfinden kann", erklärt Nick.

"Meine typische Trainingsroutine ist eigentlich verrückt, die meisten glauben mir das gar nicht. Ich bin fast jeden Tag vier bis fünf Stunden im Studio", so Nick weiter. Am Anfang konzentriere er sich auf Koordination und Kondition und dann arbeite er eine Stunde oder mehr an seiner Flexibilität mit stretchen und dehnen. "Erst wenn ich richtig warm und durchgedehnt bin geht’s an die Pole, sonst ist das Verletzungsrisiko einfach zu hoch!"

Schon bevor Nick mit dem Pole Dancing angefangen hat, war er sehr sportbegeistert – er spielte Fußball und tanzte. Er merkte jedoch sehr schnell, dass diese beiden Sportarten nicht das Richtige für ihn sind. "Es war alles so reglementiert, es gab absolut keine Freiheit." Das sei beim Pole Dance anders. "Zwar existieren auch Regeln, aber der Sport erlaubt einem die Freiheit, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen", so Nick.  

Viele sexualisierte Vorurteile gegen Pole Dance

Obwohl Nick sehr offen mit seinem Sport umgeht und fast immer bereit ist, Fragen zu beantworten, sieht er sich regelmäßig Hasskommentaren ausgesetzt. Entweder gegen ihn als Person, weil er als Mann diesen Sport ausübt. Oder es sind Kommentare, die diesen Sport in Frage stellen, ihn gar als ekelhaft beschreiben. "Das kam alles auch schon vor und es nimmt mich auch immer mit. Denn ich habe mir noch kein dickes Fell zugelegt und das prallt auch nicht so einfach an mir ab", meint Nick. 

Besonders verletzend und unwahr ist für ihn dabei, dass viele Menschen Pole Dance in die Erotik-Schublade stecken. Dass sie mit Pole Dance eine leicht bekleidete Frau, die lasziv an der Stange im Nachtclub tanzt, verbinden - und dass sich die Frau eventuell auch noch dabei auszieht. Solche Clubs, die seit den 70er-Jahren existieren, haben dieses Bild geprägt. Dies hat jedoch nur wenig mit dem Sport Pole Dance gemein. 

Der Ursprung des Pole Dance ist nämlich ein ganz anderer: er stammt aus der traditionellen asiatischen Akrobatik – und wurde nur von Männern ausgeübt. Im Zirkus zeigten die Pole-Artisten dann akrobatische Haltungen und Schwünge an vertikalen Stangen.

Nicht nur Nick als Mann bekommt in dieser Sportart oft Anfeindungen zu spüren - auch Frauen haben mit Vorurteilen zu kämpfen. "Auch sie durchleben dieses sexualisierte Klischee, manche verstecken sogar ihren Sport", erklärt Nick. Für ihn kommt das nicht in Frage - auch beruflich nicht.

Lehren für mehr Offenheit und weniger Vorurteile

Am Kopernikus-Gymnasium in Bonn unterrichtet Nick als Lehrer die Fächer Sport, Kunst und Geschichte. "Besonders wichtig war mir, meinen Sport nicht verstecken zu müssen, sowohl vor meinen Kolleginnen und Kollegen als auch vor den Schülerinnen und Schülern", so Nick. 

Einige wussten nicht, dass Pole Dance ein Sport ist, sondern hatten genau dieses sexualisierte Klischee im Kopf. Trotzdem haben alle sehr positiv reagiert, als Nick ihnen von seinem Leistungssport erzählt. Eine seiner Kolleginnen kannte Nick sogar schon: Sie hat bei ihm früher eine Pole Dance Stunde genommen. 

Ein international anerkannter Sport, der den Fitnessmarkt erobert

Heute ist Pole Dance ein international anerkannter Leistungssport, der für Kraft, Ausdauer, Flexibilität und Kreativität steht. Es lassen sich zwei Arten unterscheiden: Die Static- und die Spinning-Pole. Je nach Beschaffenheit der Stange, besteht der Tanz aus einer Vielzahl an verschiedenen Hebe- und Schwingbewegungen sowie akrobatischen Figuren. 

Regelmäßig messen sich die Besten der Pole Szene bei internationalen Weltmeisterschaften, die von derInternationalen Pole Sport Föderation (IPSF) mit unterstützt werden. Es wird sogar darüber verhandelt, ob Pole Dance bei der nächsten Olympiade dabei sein soll. Auch Nick hat bereits Erfahrungen. 2018 nahm er an der Weltmeisterschaft teil und war mit seiner Platzierung mehr als zufrieden. "Ich habe den 13. von 28 Plätzen gemacht", erinnert sich Nick. "Das klingt jetzt vielleicht nicht besonders steil, aber ich war sehr zufrieden, weil ich eine tolle Routine abgeliefert habe."

 

Pole Dance zu unterrichten ist für Nick eine weitere Möglichkeit die Barrieren im Kopf der Menschen abzubauen. "Ich unterrichte Kinder, Jugendliche, Erwachsene und auch Ü-50-Jährige habe ich in meinen Kursen. Sie alle wollen nicht einfach ins Fitnessstudio gehen, sondern einen neuen Sport ausprobieren", erklärt Nick. Pole Dance sei für alle geeignet, egal welches Alter, welches Gewicht oder welche Körperform. Nick wünscht sich einfach nur: "Ich möchte, dass Menschen ihre Vorurteile für den Sport ablegen, ihm eine Chance geben und ihn ausprobieren! Vielleicht sind sie am Ende ja genauso begeistert von ihm wie ich!"

Jennifer Pahlke, Autorin
Jennifer Pahlke Korrespondentin