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Perverse Logik

Rainer Sollich11. November 2008

Die Gewalt im Irak nimmt kein Ende, selbst Kinder werden zu Attentätern: In Bakuba hat sich eine 13-Jährige in die Luft gesprengt. Sie wurde zum Morden instrumentalisiert, meint Rainer Sollich.

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Bild: DW

Was hat das 13-jährige Mädchen gedacht, bevor es sich an einer Straßensperre in die Luft sprengte? Hat sie überhaupt etwas gedacht? Wusste sie, was sie tut? Oder war sie ahnungslos? Fest steht nur: Das Mädchen tötete mehrere Zivilisten und Mitglieder einer sogenannten "Bürgerwehr" - Angehörige sunnitischer Stämme, die sich vom Aufstand gegen die amerikanischen Besatzer losgesagt haben und nun an deren Seite den Terror von Gruppen wie Al Qaida bekämpfen. Damit haben sie sich gefährliche Feinde geschaffen. Gehören wirklich 13-jährige schon dazu?

Erwachsene glauben, Kinder als Bomben einsetzen zu können

Vielleicht. Das Mädchen mag getäuscht worden sein oder auch auf eigene Faust gehandelt haben - aber Kinder werden nicht zu Mördern geboren. Letztlich ist klar, dass sie von interessierter Seite zum Morden instrumentalisiert und damit selbst in den Tod geschickt wurde. Durch Indoktrination oder Vorspiegelung falscher Tatsachen, das wird sich vielleicht noch zeigen. Jedenfalls durch Erwachsene, die meinen, eigene machtpolitische Motive rechtfertigten den Einsatz von Kindern als Bomben und den Tod Unschuldiger. Und die ihre eigenen Interessen nur in einem Klima der Angst und des Terrors gewahrt sehen. Das ist eine perverse Logik, die manche Optimisten im Irak zuletzt schon für beinahe überwunden gehalten hatten.

Leider verfrüht, denn eine neue Welle der Gewalt erschüttert das Land. Es ist keine Welle des "Widerstands", sondern eine Welle des Terrors - daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Die Mehrzahl der Toten sind Zivilisten. Und nichts auf dieser Welt kann den absichtlich herbeigeführten Tod Unschuldiger und den feigen Missbrauch von Kindern für Terrorzwecke rechtfertigen: Keine fremde Besatzung, kein Racheakt an vermeintlichen Feinden, kein pseudoreligiöses "Märtyrertum".

Terrorgruppen mit Rekrutierungsproblemen

Zynisch betrachtet könnte zwar vielleicht auch ein Anflug von Hoffnung darin liegen, dass Al Qaida und ähnliche Gruppen im Irak zunehmend Kinder und Frauen für Selbstmordanschläge missbrauchen: Es könnte auf "Rekrutierungsprobleme" gewalttätiger Organisationen hinweisen. Allerdings bergen die zahlreichen ungelösten Konflikte im irakischen Staat und in seiner zersplitterten Gesellschaft und die weiterhin offensichtlichen Schwächen des staatlichen Sicherheitsapparats soviel Sprengkraft, dass einem nur Angst und Bange werden kann und man sich fragt: Wird ein zumindest teilweiser Abzug der Amerikaner, der irgendwann kommen mag, die Lage beruhigen - oder wird er noch mehr Gewalt freisetzen?