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Parteienstreit über Beobachtung von Linken

25. Januar 2012

Die Beobachtung von Bundestagsabgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz sorgt für mächtig Ärger im politischen Berlin. Und die Überwachung der Partei dürfte insgesamt umfangreicher sein als bisher angenommen.

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Berlin/ Der neue Vorstand der Linken-Fraktion im Bundestag (Foto: dpa)
Der Vorstand der Linken-Fraktion im BundestagBild: dapd

Die Beobachtung der Partei Die Linke durch den Verfassungsschutz ist offenbar umfangreicher als bisher angenommen. Die Linkspartei wird in sieben Bundesländern mit geheimdienstlichen Mitteln -auch nachrichtendienstliche Mittel genannt - überwacht, wie der niedersächsische Verfassungsschutz-Präsident Hans-Werner Wargel am Mittwoch (25.01.2012) in Hannover mitteilte. Insgesamt hätten zwölf Länder und der Bund die Linke im Visier. "Sieben Länder beobachten mit nachrichtendienstlichen Mitteln, den ganzen Landesverband oder nur Splittergruppen wie die Kommunistische Plattform", sagte Wargel. Unter geheimdienstlichen Mitteln versteht man das Abhören von Telefonaten, das Öffnen von Briefen oder auch den Einsatz von V-Leuten.

Am Wochenende war bekanntgeworden, dass 27 der insgesamt 76 Bundestagsabgeordneten der Linken vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In Berliner Sicherheitskreisen hieß es inzwischen, dass auch diese Abgeordneten wahrscheinlich mit nachrichtendienstlichen Mitteln bespitzelt wurden. Bei den Schwärzungen in den Akten des Bundes-Verfassungsschutzes über die Mitglieder der Bundestagsfraktion der Linkspartei könne es sich um Informationen der Landes-Verfassungsschutzämter handeln, die durch Observierungen gewonnen worden seien. Der Bundesverfassungsschutz selbst habe die Abgeordneten nur beobachtet. Das bedeute, dass er nur öffentlich zugängliche Informationen ausgewertet habe.     

Der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel (Foto: dapd)
Der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner WargelBild: picture-alliance/dpa

"Es gibt Linke, die diesen Staat nicht wollen"

Dies würde sich mit Aussagen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich decken. Der CSU-Politiker erklärte, auf Bundesebene gebe es nur eine Beobachtung der linken Bundestagsabgeordneten. "Mir ist nicht bekannt, dass vonseiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen diese Anweisung verstoßen wird, sonst müsste ich da natürlich sofort einschreiten." Was in den Ländern geschehe, müsse auch dort geklärt und verantwortet werden. 

Friedrich kündigte zugleich an, die Liste der vom Verfassungsschutz beobachteten Abgeordneten überprüfen zu lassen. Als Kriterien einer Beobachtung nannte er eine "herausgehobene Funktion" in der Partei oder die Mitgliedschaft in einer "extremistischen Teilvereinigung der Partei". Auch müsse bei der Beobachtung sichergestellt werden, dass die Abgeordneten in ihrem "Kernbereich als Parlamentarier nicht beeinträchtigt oder gestört werden dürfen". Damit ist etwa gemeint, dass keine Bundestagsreden ausgewertet werden sollten.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Foto: dapd)
Bundesinnenminister Hans-Peter FriedrichBild: dapd

Der CSU-Politiker betonte zugleich, dass der Verfassungsschutz Strukturen und Organisationen untersuche. "Es geht nicht um die Gefährlichkeit von Personen." Innerhalb der Linken gebe es aber Teile, die sich nicht von linksextremistischer Gewalt abgrenzten, einen marxistischen Staat errichten wollten oder sich nicht vom Unrechtsstaat der DDR distanzierten. "Es gibt Strukturen bei den Linken, die ganz klar darauf hinweisen, dass sie diesen Staat nicht wollen." Das seien nicht einzelne Sympathiebekundungen, sondern sei "ein strukturelles Problem der Linken."

"Gysi kein Staatsfeind, allenfalls ein Salon-Bolschewist"

Damit löste der Minister heftige Reaktionen bei den Oppositionsparteien aus. Friedrich sei "in seiner Amtsführung jede Verhältnismäßigkeit abhandengekommen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth in Berlin. Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Kristina Schröder stecke der CSU-Minister "tief in der Totalitarismusideologie des Kalten Krieges" fest. Wer Links- und Rechtsextremismus auf dieselbe Stufe stelle, relativiere die Gefahr und den brutalen Terror, der von rechter Seite gegen die Demokratie gerichtet sei. Die Strukturen des Verfassungsschutzes gehörten auf den Prüfstand, forderte Roth. Wenn die Behörde ohne echte demokratische Kontrolle und Transparenz agiere, sei sie "der blinde Fleck unserer Demokratie und wird so selbst zur Gefahr für die Verfassung".

Die Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, warf dem Innenminister vor, Politiker der Linkspartei aus taktischen Gründen vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Linke-Wähler sollten mit der Beobachtung verunsichert werden. Friedrich sei dabei, "mit dem Holzhammer unsere Verfassung zu zertrümmern", sagte Lötzsch. Unterstützung kam vom parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Er ist auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Überwachung der Geheimdienste zuständig ist. Oppermann hält die Beobachtung von Linke-Abgeordneten durch den Verfassungsschutz für "nicht nachvollziehbar". Zwar gäben sektiererische Teile der Linken Anlass dafür. Dass aber ausgerechnet Realpolitiker wie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau oder Fraktionsvize Dietmar Bartsch überwacht würden, sei erklärungsbedürftig. Mit Blick auf den ebenfalls unter Beobachtung stehenden Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte Oppermann: "Gregor Gysi ist doch kein Staatsfeind, das ist allenfalls ein Salon-Bolschewist."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann (Foto: dapd)
Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas OppermannBild: dapd

Autor: Stephan Stickelmann (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Herbert Peckmann