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Litauen wählt neues Parlament

Benjamin Stahl11. Oktober 2008

Obwohl die sozialdemokratische Partei von Ministerpräsident Kirkilas laut Umfragen hinter den Konservativen liegt, wird sie von Analysten in der Regierung gesehen. Unterdessen geht in Litauen eine Russland-Phobie um.

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Ein Litauer gibt bei der Parlamentswahl 2004 seine Stimme ab (Quelle: AP Photo/Mindaugas Kulbis)
Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren, lag die Wahlbeteiligung bei nur 46 ProzentBild: AP
Blick in den Seimas (Quelle: dpa)
Das litauische Parlament - der SeimasBild: picture-alliance / dpa

Die Litauer sind politikverdrossen. Laut Eurobarometer vertrauen 77 Prozent der Regierung unter Ministerpräsident Gediminas Kirkilas nicht – gar 84 Prozent sprechen dem Parlament ihr Misstrauen aus. Bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2004 trat nicht einmal jeder zweite wahlberechtigte Litauer den Gang zur Urne an. Hoffnung, dass sich das bei der diesjährigen Parlamentswahl am kommenden Sonntag (12.10.2008) ändert, gibt es wenig. Im Gegenteil: Meinungsforscher rechnen mit einer Wahlbeteiligung von nur 40 Prozent.

Sicherheit und Energie

Dabei mangelt es im Wahlkampf nicht an Themen, die die litauischen Gemüter erhitzen dürften – allen voran eine allgegenwärtige Furcht vor Russland. Zwei Monate nach der russischen Invasion in Georgien macht vor allem die christdemokratische Konservative die Frage nach der nationalen Sicherheit zum Wahlkampfthema und schürt so die Angst um die litauische Staatssouveränität, die durch den scheinbar übermächtigen Nachbarn als bedroht angesehen wird. Parlamentsdebatten über die Abschaffung der Wehrpflicht und darüber, wie groß die Gefahr sei, die von Russland ausgehe, tragen ihr Übriges zur Verunsicherung der Litauer bei.

Und dann ist da noch das vieldiskutierte Thema Ignalina. Während die EU das Land verpflichtet hat, das Atomkraftwerk im Jahr 2009 vom Netz zu nehmen, macht sich in der Bevölkerung Angst vor Energieengpässen und einer damit verbundenen Abhängigkeit von Russland breit. Wohl auch um eine höhere Wahlbeteiligung zu erzielen, setzte die Regierung am selben Termin ein Referendum über Ignalina an. Dem Volksentscheid kann jedoch nichts weiter, als ein Umfrage-Charakter zugeschrieben werden und wird wohl nur bestätigen, was ohnehin bekannt ist: Die Litauer wollen, das Ignalina weiterläuft.

Prognosen sehen Christdemokraten vorn aber nicht in der Regierung

Bei solchen Themen könnten die Probleme, die das Land beispielsweise aufgrund seiner gigantischen Inflationsrate von über 12 Prozent hat, in Vergessenheit geraten oder dem Wähler als irrelevant erscheinen; dabei will Litauen am liebsten schon 2010 – also während der Legislatur der nun zu wählenden Regierung – den Euro einführen.

Der litauische Ministerpräsident Gediminas Kirkilas (Quelle: AP Photo / Thierry Charlier)
Ministerpräsident Gediminas Kirkilas ist seit 2006 im AmtBild: AP

Wer in den kommenden vier Jahren in Vilnius regieren wird ist kurz vor dem Wahltag unklar. Die Litauer haben die Wahl aus 16 Parteien und einigen Unabhängigen. Jüngsten Umfragen zufolge liegen die Christdemokraten (17,6 Prozent) knapp vor der Partei "Ordnung und Gerechtigkeit" (16,1 Prozent). Dahinter liegt die "Arbeitspartei" mit 12,3 Prozent. Litauische Analysten gehen allerdings davon aus, dass die sozialdemokratische Partei (sie käme laut Umfragen auf 10,2 Prozent) von Ministerpräsident Kirkilas ihre Regierung in einer neuen Koalition fortsetzen kann.

Showmaster, Stuntman und Millionär wollen ins Parlament

Insgesamt traut man momentan sieben Parteien den erforderlichen Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und damit den Einzug in das Parlament, den Seimas, zu. Darunter auch die vom Showmaster Arunas Valinskas neugegründete "Front für die nationale Wiederauferstehung", die bei rund 10 Prozent gesehen wird. Von der Ernsthaftigkeit der Kandidatur des litauischen TV-Mannes sind bislang weder Beobachter noch Politiker überzeugt. Ähnlich kritisch werden die Kandidaturen des ehemaligen Stunt-Piloten und Prädidenten des Landes Rolandas Paksas ("Ordnung und Gerechtigkeit") und des russischstämmigen Multimillionärs Viktor Uspaskich ("Arbeitspartei") bewertet.

Listenplätze und Direktmandate

141 Mandate sind im Seimas zu vergeben. Davon werden 70 Sitze nach dem Verhältnisprinzip per Listenwahl besetzt. Die restlichen Abgeordneten werden in den 71 Wahlkreisen durch Direktmandate bestimmt. Hierzu ist eine absolute Mehrheit notwendig. In denjenigen Wahlkreisen, in denen kein Kandidat die Marke "50 plus X" erreichen kann, kommt es dann zwei Wochen später (26.10.2008) zu einer Stichwahl.