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Papst geht Klimawandel an

Ruby Russell / bo16. Juni 2015

Das Oberhaupt der katholischen Kirche will sich in einem wichtigen Schriftstück mit dem Umweltschutz befassen. Früher als geplant ist ein Entwurf des Dokuments an die Öffentlichkeit gelangt.

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Papst bei einer Messe in Manila (Foto: Reuters).
Papst Franziskus im Januar 2015 in ManilaBild: Reuters/R. Ranoco

Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird eine Botschaft zum Umweltschutz aussenden. Das Dokument - die Enzyklika - könnte eine erhebliche Wirkung darauf haben, wie 1,2 Milliarden Katholiken ihre Beziehung zu unserem Planeten sehen. Einige Experten denken, es könnte sogar den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel von Grund auf verändern.

Papst Franziskus' Enzyklika zum Umweltschutz ist angekündigt für Donnerstag, den 18. Juni. Aber bereits am Montagnachmittag, den 15. Juni, veröffentlichte das italienische Wochenmagazin "L'Espresso" eine Version des Dokuments. Der Vatikan reagierte mit einer Pressemitteilung, dass es sich dabei nicht um die finale Version handele. Diese werde wie geplant erst am Donnerstag veröffentlicht.

Kritikfreudiger Papst

Die Enzyklika mit dem Titel "Laudato Si" soll den Klimawandel in enge Verbindung bringen mit Menschenrechten und der Notlage der Ärmsten der Welt. "Wenn wir unsere Ressourcen nicht mehr verschleudern, führt das zu einfacheren, vollwertigeren Leben", sagt Lonnie Ellis, stellvertretender Direktor des Catholic Climate Covenant, einer Einrichtung der katholischen Kirche zur Bekämpfung des Klimawandels. "Veränderungen würden aber auch bedeuten, dass wir uns dafür einsetzen, Systeme und Gesetze zu ändern. Franziskus hat klar gesagt, dass wir von einer Wegwerfkultur und einer Ausschlusswirtschaft wegkommen müssen."

Franziskus wird als Superstar-Papst bejubelt. Der erste amerikanische Papst hat bisher in Bezug auf Armut und Menschenrechte kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum geht, sich für die an den Rand Gedrängten einzusetzen oder die Gläubigen - mit einer Reihe von schlagzeilenträchtigen Einzeilern - zu unterhalten. Er ist auch nicht davor zurückgeschreckt, die mächtigen Ideologien der heutigen Tage mit Nachdruck zu kritisieren, sei es die freie Marktwirtschaft oder die Konsumkultur.

Als sich Franziskus im vorigen Monat an eine Caritas-Veranstaltung in New York wandte, warnte er davor, dass die Mächtigen dem Urteil Gottes begegnen würden, wenn sie die Erde nicht so bewahren, dass sie alle Menschen ernähren kann. Schon früher hatte er die Ausbeutung der Umwelt eine Sünde genannt. Jetzt soll eine Enzyklika - eine der wichtigsten Kommunikationswege im katholischen Glauben - den Umweltschutz in die Mitte der religiösen Praxis rücken.

Solarbetriebene Kirchen

Papst Benedikt unterzeichnet Enzylika (Foto: dpa).
Eine päpstliche Enzyklika ist eine wichtige Verlautbarung der römisch-katholischen KircheBild: picture alliance/dpa

Umweltbewusste Katholiken sagen, dass die Enzyklika bereits jetzt Wirkung zeige - schon bevor sie veröffentlicht wurde.

"Wir bekommen so viele zusätzliche Anfragen, in Schulen und Gemeinden zu kommen, um Vorträge darüber zu halten, wie man die Schöpfung bewahrt. Es gibt so viel Begeisterung!" sagt Lonnie Ellis. "Es gibt so viele Vorträge über Wissenschaft - die Tabellen und Graphiken da draußen. Ich denke, die Menschen hungern nach einer anderen Art von Gespräch über Moral, um die es hier geht."

Jeffry Odell Korgen, der für die konfessionsübergreifende Umweltorganisation GreenFaith arbeitet, sagt im DW-Interview, es gebe Anzeichen dafür, dass in den USA Umweltaktivitäten eine Frage des Glaubens werden: "Immer mehr Kirchen installieren Solarmodule auf ihren Dächern. Die Energieeffizienz zu verbessern, sagt heutzutage etwas über moralische Praxis und das Ausleben des Glaubens aus."

Auch Teresa Berger, deutsche Theologieprofessorin an der Yale-Universität, plant, ihren eigenen grünen Strom zu erzeugen. "Ich denke, die Enzyklika soll in unterschiedlichen Kontexten Unterschiedliches bewirken. Für mich bedeutet es, endlich Solarpaneele auf meinem Haus anzubringen", erzählt sie der DW. "Jetzt, wo die päpstliche Enzyklika angekündigt ist, hab ich mir gesagt: Es wird Zeit!"

Berger sagt, sie erwartet, dass Franziskus eine klare und überzeugende grüne Botschaft übermitteln wird. Sie fände es schön, wenn die Gläubigen in den USA darauf reagieren, indem sie zum Beispiel nicht mehr mit dem Auto zur Sonntagsmesse kommen.

Weniger als die Hälfte der US-Amerikaner sehen den Klimawandel als Bedrohung an. Aktivisten hoffen daher, dass die Botschaft des Papstes Menschen davon überzeugen wird, dass es ein drängendes Problem ist. In anderen Teilen der Welt wird das Dokument als eine wichtige Bestätigung eines Problems gesehen werden, dessen sich die Öffentlichkeit nur allzu bewusst ist.

Buenos Aires: Papst Franziskus bei Amtseinführung (Foto: Reuters).
Franziskus' Heimatland Argentinien feierte die Amtseinführung des PapstesBild: Reuters

Auch auf den Philippinen sehnsüchtig erwartet

Auf den Philippinen ist der Einfluss der Menschheit auf den Planeten nicht länger ein abstraktes Konzept. Schließlich vermuten viele einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den vielen Taifunen, die das Land in den letzten Jahren verwüstet haben.

Als Taifun Hagupit die Philippinen im letzten Dezember ansteuerte, rief der Erzbischof von Manila die Kirchen dazu auf, für Sicherheit zu beten und für Vergebung aller Sünden gegen die Schöpfung. Aber Lou Arsenio vom Erzbistum in Manila sagt, es muss mehr getan werden, um Menschen über "die Verbindung zwischen Umweltschutz und Spiritualität" zu unterrichten. "Es war schon immer schwierig, Menschen dazu zu bringen, die Umwelt als wichtig zu erachten - trotz der Tatsache, dass wir aufgrund des Klimawandels hier viele Probleme haben", sagt sie der DW. "Wir hoffen, dass die Enzyklika vielen unserer Priester und anderen Menschen die Augen öffnen wird."

Gegen den Strich bürsten

Nicht jeder in der katholischen Kirche freut sich auf das Dokument. Einige konservative Kommentatoren haben den Papst beschuldigt, auf den Wagen der weltweiten Umweltbewegung aufgesprungen zu sein und von seinem Fachgebiet abzuschweifen.

Rick Santorum, ein katholischer Republikaner, der gegen die Rechte von Homosexuellen, gegen Verhütung und Abtreibung argumentiert: Er sagte letzten Monat, die Kirche solle die Wissenschaft den Wissenschaftlern überlassen und sich auf Theologie und Moral konzentrieren.

Franziskus, der eine Zeit lang Chemie studierte, bürstet vor allem am rechten Ende der Politik gegen den Strich. Sein erstes apostolisches Schreiben im Jahr 2013 kritisierte den weltweiten Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft. Er zweifelte die Theorie an, dass die Gesellschaft als Ganzes vom wirtschaftlichen Wachstum profitiere.

Papst an Ostern 2015 im Vatikan (Foto: Reuters).
Papst Franziskus benannte sich nach dem heiligen Franziskus von AssisiBild: Reuters/Alessandro Bianchi

Inspiration für andere

Das Dokument wird in mehreren Sprachen veröffentlicht. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat es im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris im kommenden Dezember bereits als wichtiges Signal gelobt.

Zu einer Zeit, in der immer mehr Menschen direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, wird die Enzyklika in der weltweiten katholischen Gemeinschaft hohe Wellen schlagen - davon ist Jeffry Odell Korgen überzeugt: "Sie wird vieles in Gang setzen."