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Palästinensischer Machtkampf

Bettina Marx 22. April 2003

Die Bildung einer neuen palästinensischen Regierung droht am erbitterten Machtkampf zwischen Arafat und dem designierten Ministerpräsidenten Abbas zu scheitern. Mit einer gütlichen Einigung ist nicht mehr zu rechnen.

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Verschiedene Ziele im Blick: Jassir Arafat (l.) und Mahmud AbbasBild: ap

In einem eindringlichen Versuch, Arafat noch zum Einlenken zu bewegen, telefonierte der britische Premierminister Tony Blair am Dienstag (22.4.) mit dem palästinensischen Präsidenten. Nach Angaben der Autonomiebehörde warnte Blair vor der Sabotage Abbas'. Der palästinensische Abgeordnete Hassan Chreischeh hat Arafat bereits derlei Absichten unterstellt. Der Präsident sei offenbar nicht bereit, Machtbefugnisse abzugeben, sagte Chreischeh.

In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche arabische und europäische Regierungen Arafat aufgefordert, die Kabinettsbildung zügig zu billigen. Ein ranghoher Regierungsbeamter und Vertrauter Arafats, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte, es gebe keine Anzeichen für einen Durchbruch. Er erwarte, dass Abbas am Mittwoch sein Amt niederlege. Arafat kam bereits in Ramallah mit möglichen Ersatzkandidaten für Abbas zusammen, mit Parlamentspräsident Ahmed Kureia sowie seinem Vertrauten Hani el Hassan. Mit einem Rücktritt Abbas' würde die Umsetzung des internationalen "Fahrplans" zur Gründung eines Palästinenserstaates abermals auf unbestimmte Zeit verzögert.

Streit um Dahlan

Mahmud Abbas
Als er noch optimistisch in die Zukunft blickte: M. Abbas nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten im MärzBild: AP

Im Mittelpunkt des Streits steht offensichtlich der ehemalige Sicherheitsbeauftragte im Gazastreifen, Mohammed Dahlan, den Abbas als Innenminister nominiert hat. Dahlan wäre damit für Sicherheitsfragen zuständig. Man traut ihm zu, dass er den Terror gegen Israel wenigstens eindämmen kann. Arafat will hingegen den bislang wenig effektiven el Hassan weiter im Amt des Sicherheitschefs halten.

Die israelische Tageszeitung "Haaratz" zitierte palästinensische Quellen mit dem Vorwurf, Arafat stelle sich Abbas in den Weg, weil dieser die Milizen entwaffnen wolle. Dazu würden auch die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden zählen, die mit Arafats Fatah-Bewegung in Verbindung stehen. Aus palästinensischen Regierungskreisen hieß es jedoch, Abbas habe bislang keinen detaillierten Plan für eine Entwaffnung der Milizen vorgelegt.

Komplizierte Lage

Der palästinensische Abgeordnete Sufian Abu Zaida, ein Vertrauter des designierten Ministerpräsidenten, hält es für möglich, dass Abu Mazen die Drohung wahr macht, lieber zurückzutreten als einen Ersatz für Mohammad Dahlan zu benennen. Die Lage sei kompliziert, denn Präsident Arafat sei von den Palästinensern demokratisch gewählt worden. Abu Mazen dagegen sei von Arafat nur ernannt worden. Ihm fehle also die demokratische Legitimation, um sich im Machtkampf mit Arafat durchzusetzen.

Mazens wahres Problem liege aber in dem mangelnden Vertrauen, das er im palästinensischen Parlament genieße, sagte Zaida und fügte hinzu: "Das Hauptproblem ist nicht zwischen Abu Mazen und Präsident Arafat oder zwischen Präsident und dem Zentralkomitee der Fatah. Es liegt zwischen Arafat und dem Parlament." Und so wie es jetzt aussehe, werde es für Abu Mazen sehr schwer, die Zustimmung des Parlaments zu erhalten. "Darum ist er auf die Unterstützung des Zentralkomitees der Fatah angewiesen, die sozusagen die regierende Partei ist", sagt Zaida.

Kampf bis zum letzten Atemzug

Yassir Arafat
Jassir ArafatBild: AP

Der frühere israelische Außenminister Shlomo Ben Ami, der Abu Mazen aus vielen Verhandlungsrunden gut kennt, glaubt auch, dass der designierte palästinensische Ministerpräsident letztendlich an Arafat scheitern wird: "Ich glaube, dass Arafat, solange er atmet, niemanden sonst die palästinensische Politik bestimmen lassen wird. Er wird immer einen Weg finden." Und Abu Mazen sei kein schwerer Gegner. "Er ist bekannt dafür, das er schnell nachgibt, wenn er auf Schwierigkeiten stößt und nicht bis zum Ende kämpft. Und daher glaube ich, dass man in dieser Auseinandersetzung irgendeinen Kompromiss schließen wird." Der Status von Arafat werde jedenfalls nicht wesentlich vermindert.

Jeglicher Fortschritt im Nahost-Friedensprozess scheint aber von Abu Mazen und seiner erfolgreichen Amtsführung abzuhängen. US-Präsident George W. Bush erklärte, dass er den Friedensplan für den Nahen Osten erst veröffentlichen wolle, wenn Abu Mazen im Amt sei. Und Israels Ministerpräsident Ariel Sharon kündigte an, er wolle den palästinensischen Ministerpräsidenten treffen, sobald er vereidigt sei.