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Politik

Probleme für Christen aus Gaza

31. März 2018

Am Karfreitag folgten hunderte Christen dem Leidensweg Jesu in der Jerusalemer Altstadt. Christen aus dem Gaza-Streifen waren nicht darunter. Die Behörden verweigern die Einreise. Von Tania Krämer, Jerusalem.

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Jerusalem Via Dolorosa (Leidensweg) an Karfreitag
Bild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Unter grauem Himmel, bei leichtem Nieselregen, hatten sich zahlreiche palästinensische Christen und Besucher aus aller Welt am Karfreitag in der Jerusalemer Altstadt versammelt, um an Jesus' letzte Stunden auf Erden zu erinnern. Die meisten nahmen an der traditionellen Karfreitags-Prozession entlang der Via Dolorosa teil. Pilger glauben, dass dies der Weg ist, den Jesus zu seiner Kreuzigung nahm. Der Weg mit seinen 14 Stationen geht durch die Altstadt und endet in der Grabeskirche, wo Jesus begraben sein soll. "Wir sind Christen aus Indien, und es ist kaum vorstellbar, dass Jesus, der Sohn Gottes, die Erde berührt hat", sagte Iola, eine der Besucherinnen. "Dass dies die Orte sind, die seine Füße berührten und wo er entlang ging. Und dass wir hier sind, am Tag seiner Kreuzigung, das ist alles ist sehr bewegend."

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

In diesem Jahr fällt das jüdische Passahfest auf das gleiche Wochenende wie das westliche (katholische) Ostern, die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Alle paar Meter entlang der engen Gassen in der Altstadt sind israelische Polizei- und Grenzschutzsoldaten postiert, ein paar Gassen sind zeitweise ganz abgesperrt für den Prozessionszug. Während die Pilger betend und singend vorangehen, versuchen die Einwohner von Jerusalem, ihrem täglichen Leben nachzugehen. Dazwischen die muslimischen Gläubigen auf dem Weg zum mittäglichen Freitagsgebet. Einige Besucher sind frustriert ob der Sperrungen, aber die meisten nehmen es gelassen und versuchen die besondere Atmosphäre dieses Tages mitzunehmen: "Wir wollen das Heilige Land erleben, und da sein, wo Jesus einmal gewesen ist”, sagt Amanda Cummings, eine amerikanische Besucherin aus Deutschland. "Kulturell ist alles hier sehr anders, so wie Ostern gefeiert wird, aber es ist sehr schön und zudem sind die Feierlichkeiten viel größer."

Jerusalem Via Dolorosa (Leidensweg) an Karfreitag
Pilger in Jerusalem: den Leidensweg Jesu nachvollziehenBild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Christen aus Gaza ohne Genehmigungen

Doch eine Gemeinschaft fehlt in diesem Jahr: die christlichen Palästinenser aus dem Gazastreifen. In dem von der Hamas kontrollierten Gebiet leben rund 1000 Christen, die meisten Mitglieder der griechisch-orthodoxen Kirche. Kurz vor Beginn der Osterfeiertage warteten sie immer noch auf Reisegenehmigungen der israelischen Militärbehörden, um Ostern in Jerusalem oder dem besetzten Westjordanland zu feiern. Der Gazastreifen ist seit mehr als zehn Jahren von Israel und Ägypten abgeriegelt, die Bewegungsfreiheit der Menschen stark eingeschränkt. "Wir warten immer noch, obwohl es leider nicht so aussieht, als würden wir diesmal eine Genehmigung bekommen", sagt Mazen, ein Christ aus Gaza, der seinen richtigen Namen nicht erwähnt sehen möchte, weil er noch auf eine Genehmigung wartet. Die Osterfeierlichkeiten der christlich-orthodoxen Gemeinde finden in diesem Jahr eine Woche nach dem katholischen Osterfest statt. Dann kommen nochmals Christen aus aller Welt nach Jerusalem, um an der Zeremonie des Heiligen Feuers in der Jerusalemer Grabeskirche teil zu nehmen.

Christen in Gaza
Christen in Gaza: Griechisch-orthodoxe Christen feiern eine Messe in Gaza-CityBild: DW/H. Balousha

Für viele Familien im Gazastreifen zählen Feiertage wie Ostern oder Weihnachten zu den wenigen Möglichkeiten, Familie und Verwandte in Jerusalem und dem Westjordanland zu besuchen. "Es ist extrem schwierig. Meine Tochter ist im Westjordanland, theoretisch eine Autostunde entfernt, und ich kann da nicht einfach hin”, sagt eine Frau, die auch ihren Namen nicht gedruckt sehen möchte. "Um uns zu sehen, müssen wir einen Antrag auf Ausreise stellen. Aber nur um sich zu sehen, das allein ist kein Grund, um eine Genehmigung zu bekommen”, sagt sie und blickt auf den Handy-Bildschirm, den ihr Mann hochhält. "So kann sie wenigstens bei uns sein und mithören”, meint er lächelnd. Die Tochter, per Skype zugeschaltet, lebt seit zwei Jahren im Westjordanland. Auch sie kam nach einer Reise nicht mehr nach Gaza zurück. Für die israelischen Behörden lebt sie dort nun ohne gültige Aufenthaltserlaubnis. "Wenn ich das Bedürfnis habe, morgen meine Eltern zu sehen und sie zu besuchen, dann weiss ich, es geht nicht”, sagt sie übers Telefon. "Ich kann nur hoffen, dass sie zu den Feiertagen eine Genehmigung bekommen, damit wir gemeinsam Ostern verbringen können.”

Für die diesjährigen Feierlichkeiten sollten 500 Reisegenehmigungen für Christen aus Gaza vergeben werden, so die israelische Militärverwaltung Cogat auf Anfrage. Allerdings hänge die Vergabe neben einer Sicherheitsprüfung davon ab, ob die zuvor illegal in Israel verbliebenen Christen wieder nach Gaza zurückkehren. "Israel ist ein souveräner Staat, und es hat das Recht zu entscheiden, wer das Land betreten darf", so die Stellungnahme, die gleichzeitig darauf hinweist, dass sich Israel für Religionsfreiheit einsetze.

Israel Palästina Karfreitags-Prozession in der Altstadt von Jerusalem
Pilger aus aller Welt ziehen am Osterwochenende durch die Jerusalemer AltstadtBild: DW/T. Kraemer

Ostern – Familienfest und Treffpunkt

Die Entscheidung seiner Tochter, im Westjordanland zu leben, kann der Familienvater gut verstehen. "Für einen jungen Mensch hat Gaza nichts mehr zu bieten", sagt er. "Sie finden keine Jobs. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie hier noch eine Zukunft haben. Es ist wirklich schwierig." Jeder zweite unter 30 Jahren findet keine Arbeit, und die Arbeitslosigkeit insgesamt ist mit über 42 Prozent fast genauso hoch. Außerdem ist es schwierig, in der immer kleiner werdenden christlichen Gemeinde in Gaza einen geeigneten Partner zu finden. Viele Christen in Gaza, wie auch muslimische Einwohner, haben kaum Verständnis dafür, dass Familienbesuche und religiöse Feierlichkeiten überhaupt eine Genehmigung erfordern. "Wir wollen ja nicht in Israel bleiben", sagt der Familienvater. "Wir wollen Bethlehem oder Ramallah im Westjordanland besuchen. Wir wollen Ostern feiern. Und trotzdem müssen wir um Erlaubnis fragen."

Anfang der Woche teilten die israelischen Behörden mit, dass Christen die älter als 55 sind eine Reisegenehmigung erhalten werden. Medien berichteten am Freitag, dass möglicherweise auch Kinder unter 16 Jahren die Grenze passieren dürfen. Unklar bleibt die Zahl derer, die letztlich reisen konnten, um mit der Familie Ostern zu feiern. "Es ist wirklich traurig”, sagt Wadie Abunassar, vom lateinischen Patriarchat in Jerusalem. "Wir sind doch Familien, die kann man nicht einfach trennen. Diese Feste sind keine Flitterwochen. Feste wie Ostern sind eine Gelegenheit, mit der Familie gemeinsam zu feiern.”

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin