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Echt oder nicht echt?

26. Juni 2009

In Bonn ist eine große Retrospektive des Malers Amedeo Modigliani zu sehen. Mindestens ein Bild soll aber eine Fälschung sein. Das sei keine Überraschung, meint Henrik Hanstein vom Kunsthaus Lempertz in Köln.

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Liegender Akt (Céline Howard) 1918, von Amedeo Modigliani, Privatsammlung Genf
Umstritten ist der liegende Akt von 1918Bild: Privatsammlung Genf

DW-WORLD.DE: Herr Hanstein, generell sollen auf ein echtes Gemälde von Modigliani drei unechte kommen – warum ist es bei Modigliani so schwierig zu entscheiden, was ein Original und was eine Fälschung ist?

Henrik Hanstein: Der Grund liegt bei Modigliani selber, der sicher nicht das ordentliche Leben führte, das sich ein Werkverzeichnisbearbeiter wünscht: jedes Bild registrieren, jedes Bild fotografieren. Der Nachlass von Modigliani wurde sehr schnell in alle Winde zerstreut und er wurde sehr schnell zu einem Bohemien-Mythos und deswegen auch schnell Opfer der Fälschungen. Und das dann wiederum auseinander zu halten, bzw. da eine Ordnung rein zu kriegen haben nun mittlerweile fünf divergierende und konträr arbeitende Werkverzeichnisse versucht. Und das kenne ich eigentlich sonst in der Kunstgeschichte nicht, das macht es dann auch für jedes Museum so schwierig, eine Ausstellung zu machen.

Es gibt auch den Vorwurf, dass ein wahrscheinlich gefälschtes Bild aus der Retrospektive, noch während der Ausstellung zum Verkauf angeboten wurde. Hat man versucht dem Bild mit der Ausstellung ein Echtheitszertifikat zu geben?

Das Bild hat mir in der Ausstellung schon nicht so behagt, da habe ich etwas vermutet. Und als es dann mittels Chiffreanzeige in der Zeitung angeboten wurde, wurde mein Verdacht dahingehend eigentlich nur noch bestätigt. Hier ist das Museum sicherlich als Mittel zum Zweck missbraucht worden. Ich kenne die Hintergründe nicht genau, aber es hat nicht nur mich stutzen lassen.

Gibt es denn jemanden, der jetzt mit Sicherheit sagen kann, ob dieses umstrittene Bild ein Original oder eine Fälschung ist?

Es gibt im Moment zwei Experten, die sich für maßgeblich halten, unter anderem Professor Christian Parisot in Paris und Rom, der von der Tochter Modiglianis die Archivunterlagen erhalten hat und dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil hat. Ein zweiter Experte lebt ebenfalls in Paris. Beide werden ihre Qualitäten haben, aber wenn ich den Markt richtig überblicke, haben beide auch große Schwächen. Deswegen ist es so schwer sicher zu sagen, ich weiß es oder ich weiß es nicht – es sei denn, sie haben ein Bild, das sie über sehr viele Jahre sehr zuverlässig mit der Provenienz, mit den Aufzeichnungen über die Herkunft des Gemäldes, bis in die frühesten Quellen nachweisen können.

Wie gehen Sie denn beim Kunsthaus Lempertz damit um, wenn Ihnen ein Modigliani angeboten wird?

Also wir hatten gerade einen interessanten Fall, ein Bild, das uns aus Amerika angeboten wurde, uns aber von vornherein nicht gefiel, wir wollten es nicht in die Auktion nehmen...

…was heißt, es gefiel Ihnen nicht?

Technisch, stilistisch, die Provenienz war nicht wirklich aufgeklärt, es war in keinem der Verzeichnisse nachweisbar und dann ist schon mal höchste Vorsicht geboten. Wir haben gesagt, wir wollen es nicht, aber der Sammler holte es nicht ab und zahlte auch die Depotgebühren für die Lagerung bei uns nicht und dann haben wir ihm eine Frist gesetzt. Prompt wurde es von Professor Christian Parisot abgeholt, um es in Rom in Sorgfalt zu untersuchen. Bevor wir es ihm gegeben haben, haben wir selbst noch mal einen Restaurator bestellt, und dann stellte sich heraus bei genauerem Betrachten, dass die Signatur über dem Firnis lag, was sofort ein Hinweis auf Fälschung ist. Außerdem war die Leinwand eine maschinengewebte Leinwand und konnte um 1915 bis 1917 noch gar nicht existieren. Aber jetzt habe ich zufällig in der Zeitung, gelesen, dass in Italien ein Bild zum ersten Mal ausgestellt wird, das lange verschollen gewesen sei – und ich traue meinen Augen nicht: auf dem Bild war wirklich unser Bild. Also, da hat es mir schon den Atem verschlagen. Aber, abgesehen davon, es gibt wirklich keinen schwierigeren Fall als Modigliani und dass in der Ausstellung in Bonn Bilder hängen, die nicht von ihm sind, das wird ja alles nicht verheimlicht.

Wie muss denn jetzt die Bundeskunsthalle in Bonn reagieren?

Die muss überhaupt nicht reagieren. Es ist ja auch keine Ausstellung, die behauptet, dass da alles lupenrein ist. Wenn sie mit wachen Augen durch die Ausstellung gehen, dann können sie erkennen, dass da Bilder sind, die doch in der Qualität sehr abweichen. Aber der Versuch, nach Jahrzehnten mal wieder eine Retrospektive auf die Beine zu stellen, ist ja trotz allem ehrenwert. Und dass man da bei Modigliani fast immer ins offene Messer läuft, war ja von vornherein klar.

Das Gespräch führte Sabine Oelze

Redaktion: Marlis Schaum