Schlappe für Regierung
12. Januar 2008Nach Angaben der Wahlkommission hat die oppositionelle Nationalpartei Kuomintang mit 81 Sitzen die Zweidrittelmehrheit errungen. Die Fortschrittspartei DDP kam nur auf 27 Sitze im 113 Abgeordnete zählenden Parlament. Kleinere Parteien stellen 5 Abgeordnete. Kuomintang-Chef Wu Poh-hsiung versprach nach dem unerwartet hohen Wahlsieg, "diese Macht zu nutzen, um nach Stabilität in unserer Gesellschaft zu streben".
Präsident Chen Shui-bian gestand die Niederlage seiner Fortschrittspartei ein. Das Ergebnis sei der "schlimmste Rückschlag" in der Geschichte der Partei. Er übernehme dafür die volle Verantwortung, sagte Chen. "Ich trete mit sofortiger Wirkung als Parteichef zurück."
Kuomintang-Sieg auch bei Präsidentschaftswahl wahrscheinlich
Ursachen für die Schlappe des Präsidenten und seiner Partei sind die Unzufriedenheit über die Wirtschaftslage, die Korruptionsskandale um die Präsidentenfamilie und die Spannungen mit China.
Präsident Chen war in der letzten Zeit wegen seines Abgrenzungskurses gegenüber Peking immer stärker in die Kritik geraten. Ihm wurde zur Last gelegt, mit seinen Plänen für eine formelle Unabhängigkeitserklärung der taiwanischen Wirtschaft zu schaden, da Investoren angesichts einer schärferen Auseinandersetzung mit China abgeschreckt würden. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz.
Der hohe Sieg der Kuomintang lag noch über den Erwartungen und war ein wichtiger Erfolg vor der Präsidentenwahl am 22. März, wenn ein weiterer Wechsel erwartet wird. Dem Kuomintang-Kandidaten Ma Ying-jeou werden gute Chancen nachgesagt, den DPP-Kandidaten Frank Hsieh zu schlagen. Nach zwei Amtszeiten kann Chen Shui-bian nach der Verfassung nicht noch einmal antreten. Im neuen Parlament sitzen durch eine Wahlreform statt bisher 225 nur noch 113 Abgeordnete. 79 wurden direkt gewählt und 34 anteilig nach den Ergebnissen der Parteien bestimmt, die über fünf Prozent kamen.
Pekings ungeliebter Präsident
Der Wahlausgang dürfte in Peking mit Erleichterung aufgenommen werden, da die Kuomintang einen eher chinafreundlichen Kurs verfolgt, sie schließt gar eine Wiedervereinigung nicht aus. Die kommunistische Führung war empört über die Politik von Chen Shui- bian in seinen acht Jahren als Präsident, die demokratische Inselrepublik stärker von Festlandchina abzurücken und in Richtung Unabhängigkeit zu steuern. Peking betrachtet Taiwan seit 1949 nur als abtrünnige Provinz und droht im Falle einer Abspaltung mit Krieg.
Die Wahlbeteiligung der 17 Millionen Stimmberechtigten soll nach ersten Einschätzungen noch niedriger gewesen sein als vor vier Jahren mit rund 60 Prozent. Umfragen zeigten angesichts der erbitterten politischen Auseinandersetzungen eine gewisse Politikverdrossenheit im Wahlvolk. Zwölf Parteien kämpften um die Gunst der Wähler, doch dürften außer der Kuomintang und der DPP voraussichtlich nur die frühere DPP-Verbündete, die Taiwan Solidaritätsunion (TSU), sowie die Neue Partei, eine Kuomintang-Splittergruppe, ins Parlament kommen. (stl)