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Olympia wird Schwulen und Lesben nutzen

Mikhail Bushuev / Markian Ostaptschuk28. Januar 2014

Andrej Tanitschew betreibt einen Club für Homosexuelle in Sotschi. Die Debatte über das russische Gesetz gegen sogenannte Schwulenpropaganda findet er wichtig. Er hofft, dass Russland nach Olympia toleranter wird.

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Travestie-Künstler im Klub "Majak" (Foto: DW)
Travestie-Künstler im Klub "Majak"Bild: Mikhail Mordasow

Homosexuelle haben es nicht leicht in Russland. Sie werden häufig ausgegrenzt und sind Anfeindungen ausgesetzt. Verschärft hat sich ihre Lage noch durch ein umstrittenes Gesetz, das im Sommer 2013 vom russischen Parlament verabschiedet wurde. Es stellt die "Propagierung nicht-traditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen" unter Strafe. In der Praxis bedeutet es, dass Homosexuelle in der Öffentlichkeit nicht für ihre sexuelle Orientierung eintreten dürfen, wenn junge Menschen in der Nähe sein könnten.

Sotschi gilt als tolerante Stadt

Andrej Tanitschew betreibt in Sotschi ein Lokal für Homosexuelle (Foto: DW)
Andrej Tanitschew stammt aus Moskau und betreibt in Sotschi ein Lokal für HomosexuelleBild: DW/M. Bushuev

Vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi ist die schwierige Situation von Schwulen und Lesben erneut in den Fokus gerückt. Dabei sei gerade Sotschi in Russland für eine tolerante Lebensart bekannt, erzählt Andrej Tanitschew. Er ist Mitinhaber des Klubs "Majak", eines von zwei Lokalen in der Olympia-Stadt, in denen sich Homosexuelle treffen. "In welcher anderen russischen Region, von den Republiken im Nordkaukasus ganz zu schweigen, kann man sich vorstellen, dass ein junger Tschetschene seine inoffizielle gleichgeschlechtliche Hochzeit in einem Homosexuellen-Klub feiert?", sagt Tanitschew. Gerade dies sei vor kurzem im Klub "Majak" geschehen.

"Ich bin vor 12 Jahren aus Moskau hierher gekommen, weil die Menschen hier toleranter sind. Es ist eine Touristen-Stadt, und deren Bewohner empfangen die Gäste unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung - Hauptsache, sie bringen Geld", erklärt Tanitschew. In Sotschi habe es immer schon viele homosexuelle Touristen gegeben, auch während der Sowjetzeit. Damals habe es schon informelle Cafés und sogar einen eigenen Schwulen-Strand gegeben. Und auch im Klub "Majak" treffen sich Homosexuelle schon seit den 1960er Jahren.

Keine Schilder und Werbung

Künstler bereiten sich auf die tägliche Travestie-Show im Homosexuellen-Klub "Majak" vor (Foto: DW)
Künstler bereiten sich auf die tägliche Travestie-Show im Homosexuellen-Klub "Majak" vorBild: Mikhail Mordasow

Eigentlich möge er die Bezeichnung "Homosexuellen-Klub" gar nicht, sagt Tanitschew, während in seinem Lokal die Vorbereitungen für eine tägliche Travestie-Show laufen. "Ich will kein Ghetto. Eigentlich bin ich gegen Homosexuellen-Klubs. Die Menschen müssen sich untereinander wohlfühlen, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Zu uns kommen auch viele Frauen und Heteros", so Tanitschew.

Doch das zwischen zwei Hochhäusern im Zentrum von Sotschi versteckte einstöckige Gebäude, in dem sich der Klub "Majak" befindet, ist für Besucher nicht leicht zu finden. Es gibt kein Schild und auch keine Werbung. Regelmäßig wurden in der Vergangenheit die Schilder des Klubs von Unbekannten zerstört. Die Besitzer sind es irgendwann leid geworden, immer wieder ein neues aufzuhängen.

Umstrittenes Gesetz fördert Debatte

Das umstrittene Gesetz über homosexuelle Propaganda habe auch einen positiven Effekt, meint Andrej Tanitschew: "Bisher wurde über die Rechte russischer Homosexueller überhaupt nicht geredet", sagt er der Deutschen Welle. Doch seit der Verabschiedung dieses Gesetzes sei das ein Thema.

"Man hat das Gesetz verabschiedet, um von wirklichen Problemen abzulenken. Man weiß aus Umfragen, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Lande schlecht über Homosexuelle denkt, und die Regierung stützt sich eben auf Umfragen." Tanitschew zufolge, der in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, wirft das Gesetz viele Fragen auf: "Was ist aus rechtlicher Sicht gemeint mit Propagierung und was bedeutet nicht-traditionell, wenn ich doch mein ganzes Leben so verbringe?"

Weder in Sotschi, noch im Klub "Majak" habe das Gesetz das Leben verändert, sagt Tanitschew. "Seit fast drei Jahren gilt in unserer Region ab 22 Uhr eine Ausgangssperre für Jugendliche. Wir haben eine strenge Gesichtskontrolle und kontrollieren am Eingang die Ausweise der Besucher", so der Mitinhaber des "Majak". Ihm zufolge halten sich im Klub nie Minderjährige auf.

Hoffnung auf Olympia

Die Besitzer von "Majak" betrachten sich in erster Linie als Geschäftsleute und nicht als homosexuelle Aktivisten. Aber Tanitschew hat im Prinzip nichts dagegen, wenn sein Klub während der Olympischen Spiele auch zu einer Plattform für politische Aktionen wird: "Nur wissen wir nicht, welche Folgen das für uns haben wird. Aber wir sind bereit."

"Wenn in unseren Medien Homosexuelle aus Europa gezeigt werden, dann sind es immer Bilder von irgendwelchen Fetisch-Festivals, wo alle Leder und Latex tragen. Gezeigt werden nie gewöhnliche glückliche Familien", bedauert Tanitschew. Die meisten Russen wüssten überhaupt nicht, was Homosexuelle seien. "Das klingt lächerlich, ist aber so. Besonders bei älteren Menschen in der Provinz", so der Klub-Besitzer.

In Sotschis kleinem Homosexuellen-Lokal haben maximal 400 Personen Platz. Tanitschew hofft, dass während der Winterspiele und auch noch danach viele Ausländer die Stadt und den Klub besuchen. Er meint, dass "homosexuelle Europäer und Amerikaner den Russen zeigen werden, dass sie nicht so schrecklich sind, wie sie von den russischen Medien dargestellt werden".