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Olympia – Marketing für Mormonen?

14. Februar 2002

Die Mormonen hoffen auf Werbung durch Olympia. Sie wollen ihr Image aufpolieren und mit Vorurteilen aufräumen. Besonders in Deutschland gibt es viele kritsche Stimmen gegenüber ihrer Kirche.

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Unterwegs im Namen der KircheBild: AP

Der Kirchenraum hat den Charme einer Mehrzweckhalle. Helle Stühle stehen in engen Reihen vor einer kleinen erhöhten Bühne mit einem Altar auf brauner Auslegware. Kein einziges Bild hängt an den Wänden. Auch kein Kreuz ist zu sehen, obwohl hier jeden Sonntag die 350 Mitglieder der Düsseldorfer Mormonen, oder "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage", ihren Gottesdienst feiern. Mit den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City, der Heimat der Religionsgemeinschaft, hoffen die Mormonen auch hier zu Lande auf größere Aufmerksamkeit.

No Drugs or Rock ‘n‘ Roll

Seit nunmehr hundert jahren glauben auch Menschen in Deutschland an die Offenbarungen von Gott an den Amerikaner Joseph Smith. Angesichts stagnierender Mitgliederzahlen erhoffen sich die Mormonen von Olympia Zuwachs und den Abbau von Vorurteilen. Vielen falle beim Begriff Mormonen nur ein: kein Alkohol, keine Zigaretten und Vielweiberei, sagt ein junger Missionar der Mormonen in Düsseldorf. Die meisten deutschen Mormonen leiden darunter, dass ihre Kirche in der Weltöffentlichkeit vielfach als Sekte verstanden wird und sie selbst als absonderliche Menschen – als tugendhafte Langweiler ohne Spaß an der Freude. Natürlich tragen die Frauen nicht züchtige lange Röcke und natürlich ist die Polygamie längst verboten. Gerade die jungen Mormonen ärgern sich über das falsche Bild.

Völliger Quatsch, meinen auch Stephanie Wartosch-Kürten und Sabine Rückauer. Die beiden jungen Frauen leben zwar nicht in Salt Lake City, aber sind hier zu Gast: Die Eishockey-Schwestern sind die einzigen Mormonen in der deutschen Olympia-Mannschaft. "Es ist sehr ärgerlich, wie wir dargestellt werden, dass man über uns lacht, Witze macht und über uns lästert", sagt die 23-jährige Torhüterin Stephanie. "Wir sind ganz normale Menschen und haben nichts mit einer Sekte zu tun. Ich lebe auch nicht so streng nach den Vorschriften. Wenn Party ist, ist Party, und dann trinke ich auch mal Alkohol."

Kirche oder Sekte?

Rüdiger Hauth, Experte für Sekten und Weltanschauungsfragen vom Amt für missionarische Dienste der evangelischen Kirche in Dortmund, sieht das anders. "Die Mormonen sind mit Vorsicht zu genießen", warnt er. Mit 36 000 Mitgliedern in Deutschland seien sie mehr als nur eine religiöse Randgruppe. "Sie berufen sich zwar auf christliche Elemente, doch das Wesentliche sind ihre eigenen Offenbarungstexte und Tempelriten. Sie wähnen sich im Besitz der einzigen Wahrheit und wollen in erster Linie missionieren", sagt Hauth.

Auf Mission

Die Mormonen verteidigen ihre Missionarstätigkeit. Sie betonen, dass sie sogar besonders weltoffen sind, weil viele von ihnen vorübergehend als Missionare im Ausland arbeiteten und große Erfahrungen in die Kirche einbrächten. Üblicherweise machen sich die jungen Missionare nach dem Schulabschluss auf den Weg. In welches Land dieser Weg führt, entscheidet die Kirche. Dort einmal angekommen, müssen sich die Missionare an strenge Regeln halten: Sie dürfen sich nur in der Sprache ihres Gastlandes unterhalten, ihre zugewiesene Region nicht verlassen, nur öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder benutzen und nur in absoluten Notfällen mit ihren Eltern telefonieren. Man erkennt sie daran, dass sie immer ordentlich gekleidet sind – die Herren in Anzügen, die Damen im Kostüm - und im Zweierpack auftreten.

Die Missionsarbeit ist aus Sicht der Glaubensgemeinschaft für jeden Mormonen eine wichtige Aufgabe. "Für viele junge Erwachsene geht ein Kindheitstraum in Erfüllung, wenn sie für ein bis zwei Jahre an einen fremden Ort geschickt werden, um andere vom Glauben zu überzeugen", schildert Svenja Wiedauer (25). "Auch wenn dies bedeutet, wie ein Staubsaugervertreter an Haustüren zu klopfen."

Menschen fischen

Naomi Hartzheim (29) hat 1996 im Namen des Herrn in Österreich versucht, wie Jesus "Menschen zu fischen". Sie erinnert sich: "Am Anfang habe ich es sehr persönlich genommen, wenn Leute mir die Tür vor der Nase zugeschlagen haben. Aber mit der Zeit habe ich gelernt zu akzeptieren, dass meine Botschaft nicht für jeden interessant ist."

Eine Erfolgsquote müssen die jungen Missionare nicht erfüllen. Aber der Frust ist groß, wenn nur wenige zuhören wollen. "Tausend Stunden Laufen, Rennen und Reden benötigen die Mormonen im Schnitt für eine einzige Bekehrung. Und das Ganze ohne Bezahlung. Die Olympischen Spiele sind eine tolle Werbung für die Mormonen", meint Experte Hauth. Einer seiner weiteren Kritikpunkte an den Mormonen ist der, dass sie sich nicht negativ über ihre eigene Kirche äußern dürfen: "Entweder man glaubt den ganzen Nonsens oder man lehnt die abenteuerlichen Ansichten ab. Kritisches Hinterfragen ist bei den Mormonen nicht angesagt." (dpa/fro)