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"Olympia ist eine logistische Herausforderung"

Joscha Weber (aus Rio de Janeiro)4. August 2016

Alain Zobrist ist Chefzeitnehmer der Olympischen Spiele und leitet ein Team, das größer ist als die deutsche Mannschaft. Im DW-Interview sagt er, warum der Aufwand so groß ist - und warum Uhren längst ausgedient haben.

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Alain Zobrist, Chefzeitnehmer der Olympischen Spiele in Rio von Omega Watches
Herr über die Zeit: Alain Zobrist, Chefzeitnehmer der Olympischen Spiele in RioBild: DW/J. Weber

Deutsche Welle: Alain Zobrist, Ihre ersten Olympischen Sommerspiele als Chefzeitnehmer - spüren Sie die Last der Verantwortung auf Ihren Schultern?

Alain Zobrist: Ich habe ein wunderbares und gutes Team. Zudem können wir bei Omega auf viel Erfahrung zurückgreifen: Seit 1932 sind wir Zeitnehmer bei den Olympischen Spielen. Aber wir sind nicht nur bei den Olympischen Spielen, sondern bei vielen internationalen Wettkämpfen, und das hilft natürlich sehr.

1932 bei den Spielen hatten Ihre Vorgänger 30 Uhren für die gesamten Olympischen Spiele dabei. Wieviele sind es heute?

Heute haben wir keine Uhren mehr. Alles ist elektronisch und hauptsächlich kommen Computer zum Einsatz. Wir bringen 450 Tonnen Material nach Rio. 480 Zeitmesser bedienen die Geräte. Das ist eine logistische Herausforderung. Jede Sportart braucht ihre eigene Zeitmessung, die speziell auf die jeweilige Disziplin zugeschnitten ist.

480 Zeitnehmer - damit ist ihr Team größer als beispielsweise die deutsche Olympia-Mannschaft…

Das ist so. Wir müssen hohen Aufwand betreiben, um die Zeitmessung in all den Wettkämpfen zu gewährleisten. Es gibt 28 verschiedene Sportstätten und man kann das mit 28 gleichzeitig stattfindenden Weltmeisterschaften gleich setzen.

Verglichen mit heute wirkt die Zeitmessung in den Anfangsjahren der Olympischen Spielen geradezu willkürlich: Es wurde auf Sicht gemessen und per Hand gestoppt. Wie valide sind eigentlich die Ergebnisse von damals?

Sehr valide, denn damals war das Reglement so und die Bedingungen für alle gleich. Aber natürlich kann man die Ergebnisse von damals nicht mit denen von heute vergleichen. Heute spielt die menschliche Reaktionszeit keine Rolle mehr in der Zeitmessung. Die aktuelle Technologie arbeitet computergestützt und macht uns sehr präzise.

Leichtathletik WM 2013 Moskau Usain Bolt (REUTERS/Dominic Ebenbichler)
Zeitnahme-Herausforderung 100-Meter-Lauf: Es kommt auf Tausendstel-Sekunden an - außer, Usain Bolt läuft mit.Bild: Reuters

Schwimmen soll die komplexeste Sportart für die Zeitmessung sein - warum eigentlich?

Das Besondere am Schwimmen ist, dass es die einzige Sportart ist, bei dem der Athlet seine Zeit selbst stoppt. Das macht das Ganze einzigartig: Der Athlet berührt die Kontaktplatte unter Wasser und löst somit die Zeit aus. Die Energie dafür muss mindestens 2,5 Kilo betragen, damit nicht die Welle, die der Athlet vor sich her schiebt, die Zeitmessung auslöst.

Die Athleten trainieren jahrelang für ihren Wettkampf bei Olympia und in vielen Sportarten kommt es dann auf Zehntel, Hundertstel oder sogar Tausendstel Sekunden an. Zeitabstände, die Sie und Ihr Team messen. Vertrauen Ihnen die Sportler?

Ja, das tun sie. Wir bekommen viel positives Feedback. Einige Innovationen basieren auf Ideen der Athleten. So haben wir bei diesen Olympischen Spielen zum ersten Mal Unterwassermonitore für die Zeit- und Bahn-Anzeige beim Schwimmen installiert. Viele Schwimmer sagten uns, dass sie darauf schon lange gewartet haben. Außerdem kommen neue Fotofinish-Kameras zum Einsatz, die von den ersten fünf Millimetern der Ziellinie 10.000 Fotos pro Sekunde aufnehmen.

Ihre Technik entscheidet über Sieg und Niederlage. Aber was passiert, wenn die Technik mal ausfällt. Zum Beispiel durch einen Stromausfall?

Wir haben immer Backups, das ist sehr wichtig. Es gibt dann ein System A und B und dahinter steht jeweils eine Zeitmesser-Mannschaft. Auch bei Stromausfällen können wir weiter arbeiten, weil wir Batterien einsetzen. Zusätzlich haben wir Generatoren bereit stehen. Wir verlassen uns also nicht allein auf das Stromnetz der jeweiligen Sportstätten.

Alain Zobrist ist Chef-Zeitnehmer der Olympische Spiele. Sonst ist er Geschäftsführer von Swiss Timing, einem Zeitmessunternehmen, das zur schweizerischen Swatch Group gehört und bei vielen Sportevents im Einsatz ist. Auch Zobrist ist Schweizer und leitet in Rio ein 480-köpfiges Zeitnehmer-Team, das von 850 ausgebildeten freiwilligen Helfern unterstützt wird. Zu den Kosten des Unternehmens Sommerspiele in Rio will der studierte Ökonom allerdings nichts sagen.

Das Interview führte Joscha Weber.