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Ohne Kippe, bitte!

Sabine Voßen31. Mai 2005

Jeden Tag sterben allein in Deutschland 300 Menschen an den Folgen des Rauchens - auch am Weltnichtrauchertag (31.5.). In der Lungen-Klinik Heidelberg soll eine Kampagne Schüler vom Rauchen abhalten. Ob das funktioniert?

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"Eine schwarze Lunge ist nicht gerade toll"Bild: dpa

Drei bleiche Männer in Jogging-Anzügen stehen vor dem Haupteingang der Klinik und rauchen. An den Badeschlappen kann man erkennen, dass sie Patienten der Thorax-Klinik sind - die Folgen ihrer Sucht haben sie hierher gebracht. An ihnen laufen rund 60 Schüler der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule aus Weinheim vorbei. Noch bevor der Tag richtig losgeht, sehen sie, welche Folgen Zigaretten haben können: Die drei Männer sehen alt aus, ihre Gesichter sind von tiefen Falten durchfurcht, Haut und Haare sind ungesund gelblich.

Ganz schön eklig

Jens ist einer der Schüler, 15 Jahre alt, er raucht seit etwa einem Jahr. Auch vor dem Klinik-Besuch heute hat er schon seiner Sucht gefrönt. Was ihn bei dem Projekt erwartet? Er hat keine Ahnung. Hoffentlich wird es nicht so langweilig, meint er. Aber die Lungen-Endoskopie, bei der er und seine Mitschüler zusehen werden, könnte ganz schön ekelig sein. "Ich habe nichts gegen Blut oder sonstiges, aber eine schwarze Lunge zu sehen, ist nicht gerade so toll", sagt Jens.

Ohne Kippe
Bis zu 160 Schüler sind zweimal pro Woche an der Thoraxklinik.

Im großen Hörsaal der Klinik erwartet Michael Ehmann die Jugendlichen. Locker steht er hinter seinem Pult, das schnurlose Mikrofon in der Hand. Als ehemaliger Raucher weiß er, dass er mit Bitten und vorsichtigen Anmerkungen gar nicht erst anzufangen braucht. Und so durchziehen seinen Vortrag nicht nur harte Fakten, sondern auch sehr deutlich Botschaften: "Für euch ist es das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in der westlichen Welt: Ob ihr die Kippe anmacht oder nicht, ist eure Entscheidung. Ich misch mich da nicht ein, nur dass wir uns da klar verstehen: Ich hätte gerne, dass ihr absolut 100 Prozent der Information habt."

Fortgeschrittenes Stadium

Ehmann, selber Vater von zwei Kindern, weiß, dass er mit Befehlen von oben herab nicht weit kommt. Eine Stunde lang redet er, die Jugendlichen bleiben erstaunlich ruhig. Gleich im Anschluss der Ekel-Faktor: Per Video-Schaltung zeigt Ehmann auf zwei riesigen Leinwänden eine Lungenendoskopie. Die Patientin hat Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Der operierende Arzt erklärt ganz genau, was er machen wird und schiebt der betäubten Frau schließlich ein langes Rohr, an dem vorne eine Kamera befestigt ist, in den Mund. "Also wenn meine Lunge mal so aussehen wird, viel Spaß!", kommentiert Jens.

Ohne Kippe - Thoraxklinik-Heidelberg
Live-Übertragung aus der Endoskopie auf die Großleinwände im Hörsaal.

Ein schmächtiger Mann humpelt nun vor die Schüler, sein rechtes Bein ist eingegipst. Etwas schüchtern schaut er in die Runde und alle verstummen - der 54-Jährige hat Lungenkrebs, die Auswucherungen der Krankheit haben sich schon bis in seine Beine ausgebreitet. Er erzählt von seiner Sucht: Wie er sich mit zehn Jahren die erste Zigarette angesteckt hat, wie er später 60 am Tag geraucht hat und auch heute nicht von den Glimmstengeln lassen kann.

Gute Vorsätze

"Dann bin ich also hier runter nach Heidelberg gekommen und zu einer sehr tollen Ärztin", erzählt der Patient: "Und die sagt: Also da müssen jetzt Proben rausgenommen werden, ob der Knochen schon angegriffen wurde. Und so wurde das gemacht und zwei Tage später komme ich dann runter und da sagten die ..." Weiter kommt er nicht, das Wort Lungenkrebs will nicht über seine Lippen, er weint und muss abbrechen.

Sein Auftritt hat bei den Jugendlichen Wirkung gezeigt. Jens ist erst einmal geschockt: "Eine rauchen werde ich auf keinen Fall jetzt. Zumindest der ältere Herr war wirklich bemitleidenswert und ich möchte ehrlich gesagt nicht so enden. Also ich werde aufhören zu rauchen." Spontane Nichtraucher nach der Veranstaltung kennt Projektleiter Ehmann zur Genüge: Leider hält der gute Vorsatz oft nicht lange.